Rätsel um Mumifizierung gelöst: Österreichischer Geistlicher wurde ausgestopft
Nach fast 280 Jahren haben Forschende die Identität einer geheimnisvollen Mumie geklärt – und dabei eine bislang unbekannte Form der Einbalsamierung entdeckt: Der Tote wurde von innen ausgestopft.

Bei Renovierungsarbeiten in der Pfarrkirche von St. Thomas am Blasenstein wurde die unidentifizierte Mumie neu untersucht. Nun ist klar: Der Tote war ein ehemaliger Geistlicher.
Seit fast 280 Jahren liegt eine unidentifizierte Mumie in der Gruft der Pfarrkirche des kleinen österreichischen Örtchens St. Thomas am Blasenstein, östlich von Linz. Ihre Besonderheit: ein ungewöhnlich gut erhaltener Oberkörper bei relativ verfallenen Extremitäten. 1850 wurde die Mumie erstmals dokumentiert und seit 1967 sogar mehrere Male wissenschaftlich untersucht. Trotzdem konnte bislang weder die Identität des Toten noch der Grund seiner seltsamen Mumifizierung geklärt werden.
Ein Forschungsteam aus Deutschland, Österreich und Polen hat nun die Renovierung der Kirche genutzt, um den Leichnam genauer zu untersuchen. Dabei haben die Wissenschaftler*innen nicht nur herausgefunden, dass es sich bei dem Toten um einen ehemaligen Priester der Gemeinde handelt: Sie haben auch eine ganz neue Technik der Mumifizierung entdeckt. Ihre Studie wurde in der Zeitschrift Frontiers in Medicine veröffentlicht.
Die Mumie eines Geistlichen
Mithilfe verschiedener Analysemethoden wie CT-Scans, toxikologischen Tests und sogar einer Teilautopsie untersuchten die Forschenden um Pathologe Andreas Nerlich von der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) München die österreichische Mumie genauer als je zuvor. So konnten sie unter anderem die Identität des Toten aufklären. Bereits 1866 wurde vermutet, dass es sich bei ihm um den Kaplan, eine Art Aushilfspriester, und Mönch Franz Xaver Sidler von Rosenegg handeln könnte, der 1746 im Alter von 37 Jahren vor Ort verstarb. Mithilfe der Radiokarbonmethode konnten die Forschenden Alter und Todeszeitpunkt der Mumie bestimmen – und diese Theorie bestätigen.
Auch die Untersuchung des Körpers trug zu dieser Erkenntnis bei. Eine chronische Entzündung der Nasennebenhöhlen deutet auf langjähriges Pfeiferauchen hin, Ballenzehen auf das Tragen spitzer Schuhe – beides typische Merkmale für Geistliche dieser Zeit. Auch die Ernährung passte zu dem sozialen Status eines Klerikers: „Das Muster der stabilen Isotope deutet auf eine hochwertige Ernährung hin, die auf mitteleuropäischen Getreidesorten sowie einem hohen Anteil an Produkten von Landtieren und möglicherweise Binnenfischen basierte“, heißt es in der Studie.
Als Todesursache vermutete man bei einer Jahrzehnte zuvor durchgeführten Röntgenuntersuchung eine Giftkapsel im Dünndarm. Das konnte die neue Studie allerdings widerlegen: Der mysteriöse Gegenstand im Abdomen stellte sich als Glasperle eines Rosenkranzes heraus. Gestorben sei der Tote stattdessen wahrscheinlich an einer schweren Lungenblutung, die durch chronische Lungentuberkulose ausgelöst wurde.

Im Jahr 2000 fanden Forschende beim Röntgen der Mumie einen ungewöhnlichen Gegenstand in deren Abdomen, der für eine Giftkapsel gehalten wurde.
Neue Technik der Mumifizierung: Toter wurde ausgestopft
Bei der erneuten Untersuchung der Mumie konnte auch das Rätsel der seltsamen Mumifizierung gelöst werden. Jahrhundertelang vermutete man, der österreichische Kaplan sei auf natürlichem Wege konserviert, möglicherweise durch das Klima in der Pfarrkirche. Darum erhielt er den Spitznamen ‚luftg’selchter Pfarrer‘, also ‚luftgetrockneter Pfarrer‘.
Nun konnte das Forschungsteam allerdings zeigen: Der Leichnam wurde durch das Rektum einbalsamiert. In der Bauch- und Beckenhöhle der Mumie stellten die Wissenschaftler*innen Holzspäne, Zweige, Hanf, Seide und Zinkchlorid fest, mit denen der Priester über den Enddarm quasi ‚ausgestopft‘ wurde. So wurden Körperflüssigkeiten absorbiert, die eigentlich zur Verwesung führen. Das erklärt, warum der Bauchraum der Mumie so gut erhalten ist, während die Extremitäten deutlich verfallen sind.

Ein Stück Baumwolle (A) und ein Fetzen Seide (B) aus dem Bauchraum der Mumie.
„Nach unserem Wissen ist dies der erste Bericht über diese Art der Konservierung einer Mumie – insbesondere über die innere Ausstopfung und chemische Behandlung über den analen Weg“, heißt es in der Studie. In der Regel wurde die Mumifizierung über einen kleinen Schnitt in der Bauchdecke vorgenommen, zum Beispiel im Alten Ägypten.
Der Grund für die seltsame Einbalsamierung war vermutlich die Krankheit des Kaplans. Die Forschenden nehmen an, dass man dadurch eine Verbreitung der Infektion verhindern wollte.
