Das blühende Korallenherz der Philippinen

Weltweit sind die Korallenriffe diversen Bedrohungen ausgesetzt, nur das Tubbataha-Riff scheint völlig unberührt – wie kommt das?

Von Michael Greshko
bilder von Jennifer Hayes und David Doubilet
Veröffentlicht am 20. Nov. 2017, 17:48 MEZ
Ein Makrelenschwarm gleitet wie ein silberner Fluss über den Korallen des Südatolls des Tubbataha-Riffs hinweg.
Ein Makrelenschwarm gleitet wie ein silberner Fluss über den Korallen des Südatolls des Tubbataha-Riffs hinweg.
Foto von David Doubilet, National Geographic

Es war 1981, als Angelique Singco, damals in einem Tauchboot angestellt, sich an der Schönheit der Atolle vor ihren Augen erfreute, dem Korallenherzen der Philippinen. Aber im Laufe der nächsten Jahre sah sie den Schatten der Menschheit auf die Gewässer der Sulusee fallen.

Fischer von nah und fern – manche kamen gar aus der fast 600 Kilometer entfernten Provinz Quezon – strömten zum Tubbataha-Riff, das zu den artenreichsten der Welt zählt. Dort wollten sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Aber die Folgen waren verheerend: Dynamit tötete Fische an Ort und Stelle, Cyanid, welches über Korallen verteilt wurde, lähmte die Tiere und machte sie wehrlos. Auf den kleinen Inseln des Riffs sammelten die Fischer Meeresvögel und ihre Eier.

„Ohne, dass ich den ökologischen Wert dieser Meereslandschaft verstand, war ich überzeugt davon, dass eine solche Schönheit bewahrt werden müsste“, erzählte Songco 2015 dem WWF.

2001 bewarb sie sich als Parkmanagerin von Tubbataha, das 1988 zum Schutzgebiet erklärt wurde. Seitdem hat sie ihr Leben dem Schutz des Riffs gewidmet. Ihre Bemühungen haben sich ausgezahlt: Während Korallenriffe auf der ganzen Welt um ihre Existenz kämpfen, ist Tubbataha geradezu schockierend unberührt.

„Das Erste, was einem auffällt, ist, dass man sich in einer Wildnis des Meeres befindet“, sagen die National Geographic-Fotografen David Doubilet und Jennifer Hayes, die das Riff im Mai 2017 besucht haben. „Die Begegnung mit dem Meer und seinen Lebewesen läuft nach deren Regeln ab, nicht nach den eigenen.“

Hier, zwischen Korallenwänden, die sich in eine Tiefe von mehr als 90 Metern erstrecken, regiert das scheinbare Chaos der Natur. Makrelenschwärme ziehen blitzschnell vorbei, Marmor-Zitterrochen patrouillieren in der Tiefe. Tigerhaue, die eigentlich als einzelgängerische Jäger gelten, sollen in Tubbataha sogar in Gruppen schwimmen.

Insgesamt finden sich dort 600 Fischarten und 360 Korallenarten – und damit die Hälfte aller bekannten Arten dieser Nesseltiere. Auf den kleinen Inseln des Parks befinden sich außerdem die letzten Meeresvogelkolonien der Philippinen, die mehr als 100 Vogelarten eine Zuflucht bieten.

BELIEBT

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    Zwei Clownfische in Tubbataha drängen sich in der Anemone, in der sie leben, aneinander.
    Foto von Jennifer Hayes, National Geographic

    „Alles deutet darauf hin, dass sich das Tubbataha-Riff dem nähert, was wir für den wahren natürlichen Zustand halten“, sagt John McManus, ein Meeresbiologe an der Rosenstiel School der Universität von Miami. „Es ist etwas ganz Außerordentlich, was da passiert ist.“

    SCHUTZ EINES SCHATZES DER NATUR

    Der Frieden, den Mensch und Natur in Tubbataha ausgehandelt haben, ist innerhalb des Korallendreiecks außergewöhnlich. In diesem artenreichen Gebiet in Südostasien nehmen Überfischung und internationale Schifffahrt immer mehr zu.

    Wie hat Tubbataha es geschafft, das Schicksal der Überfischung abzuwenden? Zum Teil liegt die Antwort in seiner Isolation. Tubbataha befindet sich etwa in der Mitte der Sulusee, mehr als 145 Kilometer von der nächsten bewohnten Insel entfernt. Keine seiner beiden kleinen Inseln verfügt über eine Süßwasserquelle.

    Aber in den 1980ern begannen die lokalen Fischer damit, motorisierte Boote namens Bangkas zu benutzen, wodurch sie ihren Radius beträchtlich vergrößern konnten. Als sie in großer Zahl nach Tubbataha strömten, baten Aktivisten die philippinische Regierung darum, etwas zu unternehmen.

    1988 erklärte der Präsident Corazon Aquino Tabbatuha zu einem Meeresnationalpark – dem ersten in der Geschichte der Philippinen. Fünf Jahre später erklärte die UNESCO es zum Welterbe.

    Die Erklärungen aus Manila und Paris bedeuten allerdings nicht viel, wenn sie mitten in der Sulusee nicht zur Geltung kommen. An dieser Stelle kommt Songco ins Spiel. Sie hat die letzten 16 Jahre damit verbracht, die öffentliche Unterstützung für das Riff auszubauen.

    Außerdem hat sie auch das Recht auf ihrer Seite. Die Philippinen haben den Fischfang in Tubbataha verboten, und in Zusammenarbeit mit der UNESCO hat das Land kürzlich zusätzliche Schutzmaßnahmen vor dem Schiffsverkehr sichergestellt. Vor allem aber beschützen wachsame Park Ranger, von denen einige dem philippinischen Militär angehören, Tubbataha seit 1995. Sie leben jeweils zwei Monate lang in vollkommener Isolation auf Tubbataha. Ihre einzige Zuflucht ist die kleine Ranger-Station aus Beton.

    Diese außergewöhnlichen Maßnahmen schützen die außerordentlichen Vorteile des Riffs. Es zählt zu den besten Tauchplätzen der Welt und zieht Touristen aus aller Welt an, die finanziell ein Vielfaches mehr einbringen, als es die Fischerei im Riff tun würde. Der Tourismus trägt zudem etwa die Hälfte der Parkfinanzierung bei, und Übereinkommen zum Finanzausgleich helfen der lokalen Regierung.

    Tubbataha kurbelt außerdem die Korallenrifffischerei der Philippinen an, auf die 29 Prozent der landesweiten Fischereierträge entfällt. Laut Angel Alcala, einem Biologen der Silliman Universität, tragen Meeresströmungen eine große Menge von Meerestierlarven aus Tubbataha in den Rest der Sulusee. Dieser Zustrom hilft dabei, die befischten Gewässer wiederaufzustocken und die Ernährungssicherung des Landes zu garantieren.

    BEDROHUNG FÜR DIE ZUKUNFT?

    Eine Makrele schwimmt im Schatten einer großen Suppenschildkröte.
    Foto von Jennifer Hayes, National Geographic

    Trotz des Erfolgs von Songco gibt es noch Herausforderungen für Tubbataha. Die Ranger finden nach wie vor Nester von Meeresvögeln, die mit angespültem Plastikmüll gebaut wurden, und trotz des Rückgangs hält sich die illegale Fischerei. Seit 2013 hat sich Tubbataha von einem gesunkenen Schiff der US-Marine erholt, das fast 2.000 Quadratmeter an Korallen beschädigt hat.

    Mit dem Voranschreiten des Klimawandels kann auch der lokale Aktionismus nicht verhindern, dass die Sulusee wärmer und saurer wird. Die veränderten Wasserbedingungen werden die Korallen dem zunehmenden Risiko von schweren und potenziell fatalen Ausbleichungsereignissen aussetzen. Von 2014 bis 2017 – dem Zeitraum des schlimmsten weltweiten Ausbleichungsereignisses seit Beginn der Aufzeichnungen – hat Tubbataha nach zwei Jahrzehnten der relativen Ruhe zwei Jahre des Hitzestresses erlebt.

    Und die Bedrohungen durch das Klima werden für Tubbataha nur schlimmer. Laut einem UNESCO-Bericht wird das Riff bis 2040 mindestens zweimal pro Jahrzehnt schwerem Hitzestress ausgesetzt sein.

    Bisher allerdings gedeiht Tubbataha wie kaum ein anderes Korallenriff der Erde, und seine Beschützer werden es bis zuletzt verteidigen.

    „Ich habe kaum Worte für die enorme Schönheit, die man [in Tubbataha] sehen kann“, sagt Fanny Douvere, die Leiterin des Meeresprogramms des UNESCO-Welterbe-Zentrums. „Ein Foto kann niemals einfangen, was man tatsächlich erlebt.“

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