Fast jeder Meeresvogel der Welt frisst Plastik

Mit der zunehmenden Plastikproduktion steigt auch die Zahl der Vögel mit Plastik im Magen – und die Bestände schrumpfen rapide.

Von Laura Parker
Veröffentlicht am 25. Mai 2018, 17:57 MESZ
Silbermöve mit Plastik im Schnabel
Eine junge Silbermöve (Larus argentatus) mit Plastikmüll im Schnabel, Newquay, Cornwall, Vereinigtes Königreich.
Foto von Education Images, Uig, Getty

In unseren Ozeanen schwimmt so viel Plastikmüll, dass aktuell etwa 90 Prozent aller Meeresvögel es in irgendeiner Form aufnehmen. Bis zum Jahr 2050 wird es praktisch jeder Meeresvogel sein. Eine Studie aus dem Jahr 2015 war damals die erste ihrer Art, die untersuchte, wie verbreitet die Aufnahme von Plastikmüll durch Meeresvögel auf der ganzen Welt ist.

„Es war schockierend“, sagte Chris Wilcox, der Hauptautor der Studie und Wissenschaftler der australischen Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization. „Im Grunde steigt die Menge der Vogelarten und der Individuen innerhalb einer Art, in denen man Plastik findet, jedes Jahr um ein paar Prozentpunkte an.“

“Zu den verschluckten Gegenständen gehören Tüten, Flaschenverschlüsse, Synthetikfasern aus Kleidung und reiskorngroße Teilchen.”

Wissenschaftler untersuchen die Plastikaufnahme von Meeresvögeln schon seit Jahrzehnten. 1960 hatte man Plastik noch im Magen von weniger als fünf Prozent der Tiere gefunden. Im Jahr 1980 war diese Zahl schon auf 80 Prozent angestiegen.  

Die verstörendste Erkenntnis sei Wilcox zufolge der Zusammenhang zwischen der zunehmenden Kunststoffproduktion und der zunehmenden Geschwindigkeit, mit der das Material die Mägen der Vögel verstopft.

Die Plastikproduktion wächst

„Die weltweite Plastikproduktion verdoppelt sich alle elf Jahre“, sagte Wilcox 2015. „In den nächsten elf Jahren werden wir also so viel Plastik produzieren, wie seit der Erfindung des Plastiks entstanden ist. Die Aufnahme von Kunststoffen durch Meeresvögel hängt damit zusammen.“

Für ihren Bericht, der in „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschien, überprüften Wilcox und sein Team Forschungsdaten bis zum Jahr 1962. Im Anschluss kombinierten sie die Daten mit Karten, auf denen die Verteilung von 186 Meeresvogelarten sowie die globale Verteilung des Treibguts verzeichnet waren. Damit erstellten sie ein Modell, mit dem sich vorhersagen lässt, welche Arten den meisten Kunststoff aufnehmen.

BELIEBT

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    Die höchste Konzentration von Plastik in Vögeln tritt Wilcox zufolge in den Populationen im Süden Australiens, in Südafrika und in Südamerika auf. Dort befinden sich die Küsten am nächsten an den Treibgutansammlungen des Südpazifiks, Südatlantiks und Indischen Ozeans.

    „Am Rande der Meereswirbel und am Rande der Verteilungsgebiete der Meeresvögel besteht das größte Risiko“, so Wilcox.

    Schnäbel voller Plastik

    Große Vögel wie Albatrosse fressen zwar viel Plastik, das bedeutet aber nicht, dass sie auch proportional den meisten Kunststoff aufnehmen. Der Rotschnabelalk, ein kleiner Meeresvogel des Nordpazifiks, weist die größte Anfälligkeit für die Aufnahme von Plastik auf, wie Wilcox erklärt.

    Albatrosse neigen eher zur Plastikaufnahme, weil sie fischen, indem sie ihren offenen Schnabel an der Wasseroberfläche entlanggleiten lassen und so unabsichtlich schwimmende Plastikteile verzehren. Auch in den Mägen von Sturmtauchern und anderen Sturmvögeln, die auf Inseln leben und auf der Nahrungssuche große Meeresbereiche abfliegen, fand man beträchtliche Mengen an Plastik.

    Zu den verschluckten Gegenständen gehören Tüten, Flaschenverschlüsse, Synthetikfasern aus Kleidung und reiskorngroße Teilchen, die bereits durch Sonne, Wellen und Wetter zersetzt wurden.

    Galerie: Fotos von Tieren in einem Meer voller Plastik

    Die gesundheitlichen Auswirkungen von Plastik auf die Meeresvogelbestände wurden noch nicht vollständig erfasst. Aber die gesammelten Beobachtungsdaten seien Wilcox zufolge schon beunruhigend genug.

    Scharfkantige Plastikteile töten Vögel, indem sie ihre inneren Organe punktieren. Einige Meeresvögel fressen so viel Plastik, dass in ihrem Darm kaum noch Platz für Nahrung ist, was sich auf ihr Körpergewicht auswirkt und ihre Gesundheit gefährdet. Ein Vogel, der von der Wissenschaftlerin Denise Hardesty untersucht wurde, hatte 200 Plastikteile verschluckt.

    „Wenn immer mehr Plastik in den Darm gelangt, wird das irgendwann ins Gewicht fallen“, so Wilcox. „Der Trend lässt vermuten, dass [das Plastik] zunehmen wird.“

    Eine Studie aus dem Jahr 2015 fand heraus, dass die Meeresvogelpopulationen zwischen 1950 und 2010 um 67 Prozent geschrumpft sind.

    „Im Grunde sterben die Meeresvögel aus“, sagt Wilcox. „Vielleicht noch nicht morgen. Aber es geht steil bergab. Das Plastik ist eine der Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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