Die schöne Unbekannte: Der Geheimtipp unter den italienischen Inseln

Ischia hält ein ganz besonderes Flair für ihre Besucher bereit.

Von Tara Isabella-Burton
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:39 MEZ

Es gibt Orte, an die man fährt, um allem zu entkommen. Und es gibt Sant‘Angelo.

Um dieses italienische Dorf zu erreichen, macht man von Neapel aus eine einstündige Fährfahrt zur Vulkaninsel Ischia, die mitten im Tyrrhenischen Meer liegt, nur ein paar Wellenlängen von der Nachbarinsel Capri entfernt. Dann setzt man sich in einen Bus, der sich eine weitere Stunde lang von der gepflegten Hauptstadt der Insel, Ischia Porto, durch Fischerdörfer und kleine Städtchen auf Hügeln schlängelt, vorbei an Weinbergen und Kaninchenbauten. Wenn die Autostraßen schließlich enden, erklimmt man einen steilen Hügel, der nur für Fußgänger zugänglich ist.

Genau so mögen es die Einheimischen.

Das kleine Dorf Sant‘Angelo d‘Ischia mit gut Tausend Einwohnern, den zügellos blühenden Drillingsblumen und dem von Eidechsen bevölkerten Kalktuff auf dem Südhang der Insel sollte nach dem Gesetz des touristischen Durchschnitts eigentlich eine seelenlose Touristenfalle sein. Die weiß getünchten Häuser mit den in leuchtenden Farben bemalten Holztüren sollten von ausländischen Käufern und Urlaubern überrannt, jede zweite Wohnung mit Blick auf die natürlichen Thermalbäder im Garten-Spa von Aphrodite Apollon sollte bei AirBnB zu finden sein. Aber mit Ausnahme der Yachten, die während der Hochsaison an den Wochenenden an der schmalen Landenge anlegen (Angela Merkel ist ein Stammgast), wird Sant‘Angelo fast ausschließlich von einer Mischung aus Einheimischen und Stammgästen dominiert. Letztere sind italienische und deutsche Touristen, die eine Art Beziehung zu der Stadt entwickeln und Jahr für Jahr wiederkehren.

Für das volle Entspannungsprogramm kann man in die blubbernden Thermalbäder der Spas eintauchen oder die langen, einsamen Strandabschnitte mit Blick auf den Golf von Neapel entlangwandern.
Foto von iStock, Getty Images Plus

Ich habe diesen Prozess selbst miterlebt. Die 20 Jahre vor meiner Geburt verbrachte meine Mutter jeden Sommer in Sant‘Angelo. Als ich aufwuchs, reiste auch ich fast jeden Juni dorthin, bis sich meine Mutter im letzten Jahr schließlich entschloss, sich dort zur Ruhe zu setzen. In dieser Zeit habe ich erlebt, wie die Köchin und Inhaberin des Strandrestaurants Emmanuela die Herrschaft über la cucina an ihre Söhne abgegeben hat. Ich habe gesehen, wie deren Kinder von Teenager-Kellnern zu strammen Managern mit eigenen Familien herangewachsen sind. Emmanuela ist übrigens bekannt für das Kochen mit Fumarolen. Dabei wird das Essen durch die Hitze des Thermalsands natürlich gekocht. Ich habe Generationen von Katzen in der Frühstückspension Casa Garibaldi aufwachsen sehen – mein zweites Zuhause während eines Großteils meiner Kindheit. Dort kosten Doppelzimmer mit Blick auf die Thermalbäder und die Mosaik-Terrassen (und das fast leere, weite Meer am Horizont) noch immer nur etwa 80 Euro pro Nacht.

BELIEBT

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    Sant‘Angelo ist kaum geeignet für einen Pauschalurlaub. Um von der Küste bis zur benachbarten Stadt Serrara zu kommen, muss man sich 40 Minuten lang bergauf über überwucherte Straßen kämpfen. Dort angekommen kann man aber durch die grüneren Weinberge von Ischia wandern oder alternativ zum Gipfel des Epomeo, wo man die Spezialität der Insel probieren kann: Kaninchenschmorbraten mit Tomaten. Auch die Spas sind eher unüblich. Das beste, das Cavascura, stammt noch aus der Römerzeit (Cicero selbst lobte dessen Thermalwasser). Um es zu erreichen, bedarf es einer anstrengenden Wanderung zwischen vulkanischen Klippen. Danach kann man sich in Fangos entspannen – Schlammbäder, bei denen Entspannungssuchende mit einer lehmartigen Substanz eingeschmiert werden, die thermische Eigenschaften haben soll.

    Es ist ebenso wahrscheinlich, im Restaurant Deus Neptunus am Meer in eine ausgelassene Tanzparty mit Tamburinen und schmachtenden Interpretationen von „O Sole Mio“ hineingezogen zu werden, wie ein ruhiges, romantisches Dinner zu genießen. Die erstklassigen Meeresfrüchte im Peppino – von mit Pistazien besprenkelten Linguine alla vongole bis zu exquisitem Fisch-Carpaccio – sind mit Abstand die besten, die ich je hatte. Dieses Gefühl der Anarchie und der Gemeinschaft ist es, was Sant‘Angelo zur schönsten Stadt in ganz Italien macht. Es ist ein Ort, an dem jeder deinen Namen kennt.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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