Pinguine fressen unerwartete Beute

Forscher brachten kleine Kameras an den Rücken von Pinguinen an und waren überrascht davon, was auf dem Speiseplan der Vögel stand.

Von Christie Wilcox
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:42 MEZ
Adeliepinguine
Adeliepinguine gehörten zu den vier untersuchten Arten, die Quallen fraßen. Bisher ging man davon aus, dass diese Tiere eine eher ungeeignete Beute für die Vögel darstellen.
Foto von Blick Winkel, Alamy

Quallen sehen eigentlich nicht besonders appetitlich aus. Außerdem sind sie mit einigen der tödlichsten chemischen Waffen der Erde ausgestattet. Sie sind nicht einmal eine besonders herzhafte Mahlzeit. Daher scheint es unwahrscheinlich, dass kleine, gefiederte Pinguine sich auf solch eine potenziell gefährliche Beute stürzen würden.

Genau zu diesem Schluss kommt aber eine neue Studie, die diesen Monat in „Frontiers in Ecology and the Environment“ veröffentlicht wurde. „Es ist schwer zu glauben, dass Pinguine, die endotherm sind und daher reichlich Energie über ihre Nahrung aufnehmen müssen, um ihre Körper warm zu halten, vom Verzehr relativ energiearmer Quallen profitieren könnten, speziell im eiskalten Wasser der Antarktis“, sagt Jean-Baptiste Thiebot. Der Forscher am japanischen Institut für Polarforschung ist der Hauptautor der Studie, die bestätigt, dass Quallen eine wichtigere Nahrungsquelle für Pinguine sein könnten, als man glaubte.

„Krustentiere und erst recht Fische liefern pro Gramm bedeutend mehr Energie“, sagte er. Deshalb „scheinen sie deutlich geeigneter, um den Energiebedarf von Pinguinen zu decken“, besonders während der Aufzucht ihrer Küken.

Thiebot und 16 andere Wissenschaftler aus fünf Ländern arbeiteten zusammen, um mit Hilfe von Videokameras, die auf dem Rücken von 106 Pinguinen angebracht wurden, deren Ernährungsweise zu untersuchen. Sie beobachteten vier Arten: Adeliepinguine (Pygoscelis adeliae), Gelbaugenpinguine (Megadyptes antipodes), Magellan-Pinguine (Spheniscus magellanicus) und Zwergpinguine (Eudyptula minor). Insgesamt sammelten sie mehr als 350 Stunden Filmmaterial, welches die Jagd der gefiederten Räuber dokumentierte.

Dabei fingen die Kameras über 200 Beispiele für den Verzehr von Quallen ein, darunter auch die schmerzhafte Art Chrysaora plocamia und die Gelbe Haarqualle. Die Vögel rissen Stücke aus größeren Quallen heraus und fraßen kleinere Exemplare ganz. 

Es ist nicht die erste Studie, die darauf schließen lässt, dass Quallen einen wesentlichen Beitrag zur Pinguinernährung leisten. 2013 konnten der Meeresbiologe Simon Jarman und seine Kollegen Quallen-DNA aus Kotproben von Adeliepinguinen isolieren. Laut ihrer Analyse machten Quallen und andere gallertartige Lebewesen im Schnitt 40 Prozent der Nahrung der Tiere aus. Bei manchen Kotproben waren sie sogar die einzige Nahrungsquelle, die man finden konnte.

Aber für manche war es schwer, diese Daten zu akzeptieren. Das Vorhandensein der Quallen-DNA führten sie auf zufälligen Verzehr zurück oder auf die Möglichkeit, dass die eigentliche Beute der Pinguine kurz zuvor Quallen gefressen hatte. Die neuen Studienergebnisse widerlegen diese Vermutungen, sagt Thiebot. Die Pinguine machten gezielt Jagd auf die Quallen, selbst in Fällen, in denen „bessere“ Beute wie Hummer oder Krill verfügbar war.

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    „Als wir die Aufnahmen sahen [...], konnten wir endlich sehen, dass die Pinguine selbst Jagd auf die Quallen machen“, sagte Thiebot, „und dass das nicht nur in der Antarktis vorkommt, sondern anscheinend in allen südlichen Meeren.“

    Jarman, der an der aktuellen Studie nicht beteiligt war, findet es spannend, neue Beweise zu sehen, die seine eigene Hypothese untermauern. Außerdem ist er nicht überrascht davon, dass Quallen auf dem Speiseplan der Vögel stehen.

    „Das ist nur unerwartet, wenn man dem naiven Dogma beipflichtet, dass Tiere bevorzugt nach der energiereichsten Nahrung suchen“, sagt er. Als Regel mache das aber keinen Sinn. „Wenn wir mal vom Menschen ausgehen, dann würden wir sterben, wenn wir nur das energiereichste Essen zu uns nehmen würde – also im Grunde Fett.“

    Es gibt andere Meinungen, die besagen, dass Quallen eine Nahrungsquelle für den Notfall sind, dass der Verzehr dieser kalorienarmen Beute auf eine Störung im Ökosystem hindeutet. Aber Thiebot glaubt, dass die Daten auch diese These widerlegen.

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    „Dieses Verhalten sollte nicht als ein Fehler angesehen werden, wenn Pinguine auf eine unbekannte Beute treffen, oder als etwas Abnormes, das darauf schließen lässt, dass die Pinguine keine bessere Beute finden konnten“, sagt er. „Das sind absichtliche Fänge der Pinguine, die in aufeinanderfolgenden Jahren bei allen vier Arten und sieben Populationen auf der südlichen Hemisphäre beobachtet wurden.“

    „Wir wissen noch immer nicht genau, warum Pinguine beschließen, Quallen zu fangen“, so Thiebot. Er vermutet, dass die schnellen und einfach zu fangenden Häppchen zwischendurch auf den langen Jagdausflügen der Pinguine von Nutzen sein könnten. Eventuell sind die Quallen auch einfach nahrhafter, als man aktuell annimmt. Jarman fügt an, dass sie eventuell auch leicht zu verdauen sind. Was auch immer die Quallen so reizvoll macht, ihre chemische Verteidigung scheint keine ernsthaften dokumentierten Auswirkungen auf die Pinguine zu haben.

    Eines ist jedenfalls sicher: Nun, da mehrere Pinguinarten auf die stetig wachsende Liste der Tiere gesetzt werden können, die Quallen fressen, sollte man die Rolle dieser Lebewesen in Meeresökosystemen neu bewerten, sagte Thiebot. „Wir müssen ganz klar anerkennen, dass Quallen und andere gallertartige Organismen für diverse Meeresräuber eine normale Beute darstellen.“

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