Warum haben wir Angst vor Haien?

Unsere Angst lässt sich wissenschaftlich erklären – und sogar bekämpfen.

Von Elaina Zachos
Veröffentlicht am 21. Feb. 2018, 17:44 MEZ
Ein Weißer Hai vor den South Neptune Islands in Australien.
Ein Weißer Hai vor den South Neptune Islands in Australien.
Foto von Brian Skerry, National Geographic Creative

Etwas lauert in der Tiefe – der Schrecken aller Schwimmer und Surfer. Es ist ein Fisch. Dieser spezielle Fisch ist mehrere Meter lang und hat reihenweise scharfer Zähne mit einem gesägten Rand, mit denen er seine Beute packt. Es ist der gefürchtete Räuber der Meere: der Weiße Hai.

Die Tierart wurde im Sommer 1975 schlagartig in das Bewusstsein der Öffentlichkeit katapultiert, als der Film „Der Weiße Hai“ (eng. „Jaws“) in die Kinos kam. Er handelt von einem großen Weißen Hai, der eine Küstengemeinde terrorisiert. Schon allein das Titelbild – das aufgerissene Maul eines riesigen Hais, der gen Wasseroberfläche schwimmt – reicht, um allen Schwimmern das Herz in die Hose rutschen zu lassen. Seither haben zahlreiche weitere Filme das Bild des bösen Hais propagiert.

Aber woher stammt unsere Angst vor Haien und was können wir dagegen tun? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigen wir uns in diesem Artikel.

Warum haben wir Angst vor Haien?

„Die Frage impliziert schon, dass wir das nicht sollten“, sagt David Ropeik, ein Berater für Risikowahrnehmung und Autor des Buches „How Risky Is It, Really?“ (dt. Wie riskant ist das wirklich?).

Die Angst vor Haien ist Blake Chapman zufolge nicht irrational. Die Meeresbiologin und Haiexpertin arbeitet an der australischen Universität von Queensland. Die Raubfische sind, einfach ausgedrückt, gruselig. Weiße Haie beispielsweise, die von Hollywood gern als stupide Killermaschinen dargestellt werden, haben ein Maul mit etwa 300 messerscharfen Zähnen, mit denen sie ihre Beute mühelos zerteilen können. Außerdem können sie die schwachen elektromagnetischen Felder anderer Tiere im Wasser spüren, was ihnen bei der Jagd nach der nächsten Mahlzeit hilft.  

Pan MacMillan verlinkte einen Beitrag darüber, wie sich das Design des „Jaws“-Buchcovers im Laufe der Zeit veränderte.
Foto von Twitter

Wir haben meist aber nicht vor Haien per se Angst, und zudem gibt es diese Tiere in vielen verschiedenen Formen und Größen. Insgesamt sind über 465 Arten bekannt, angefangen beim etwa 23 Zentimeter großen Euprotomicrus bispinatus bis hin zum 20 Meter langen Walhai. Viele dieser Knorpelfische ernähren sich von Fischen, Krebstieren, Weichtieren, Plankton, Krill, Meeressäugern und anderen Haien. Kurz gesagt: Menschen stehen nicht auf dem Speiseplan.

Ropeik zufolge macht uns eher die Vorstellung Angst, wie ein Hai uns töten könnte. Der Gedanke daran, von einem fünf Meter langen Tigerhai lebendig gefressen zu werden, ist ziemlich schmerzhaft – und wir fürchten uns vor der Möglichkeit, dass wir durch einen Haiangriff sterben könnten. 

Tatsächlich ist es viel wahrscheinlicher, dass uns der Getränkeautomat im Büro erschlägt oder auf einer Weide eine Kuh auf uns fällt. Aber Ängste haben nicht zwingend etwas mit Tatsachen zu tun, und unsere Angst vor einem Haiangriff ist eher in unseren Emotionen verankert als in der Realität.

Am meisten fürchten wir uns davor, die Kontrolle zu verlieren. Wenn man in Haigewässern schwimmt, will man einfach nicht, dass man von den Kiefern eines mysteriösen Raubtieres gepackt wird, welches das eigene Schicksal besiegelt. 

„Der Gedanke, von einem Tier gefressen zu werden, das die Kontrolle über die Lage hat, ist ein weiterer Faktor“, so Ropeik. „Es geht eher um das Wesen der Erfahrung, nicht per se um den Akteur.“

Woher stammt diese Angst?

Ängste sind nicht unbedingt angeboren, sondern entwickeln sich im Laufe der Zeit. Kinder haben keine Angst vor Schlangen oder großen Höhen – aber wenn wir erwachsen sind, sind unsere Gehirne Angststimuli gegenüber empfänglicher.

Und unsere Vorfahren hatten eine Menge guter Gründe, um Angst zu haben. Man stelle sich einmal vor, wie unsere frühen menschlichen Verwandten in ihrem Lebensraum überlebt haben. Sie hätten hohe Klippen und wilde Raubtiere gemieden, weil sie wussten, dass sie potenziell tödliche Bedrohungen darstellten. Diese Vorsicht war es, die sie am Leben hielt. Angst ist eine erlernte Anpassung, die dem Schutz dient.

„Wir haben Angst von unseren frühen Vorfahren geerbt“, sagt Chapman. „Haie sind Tiere. Biologische Faktoren wie Tiere sind etwas, vor dem wir oft Angst haben.“

BELIEBT

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    Trotzdem wirken Haie ganz schön furchteinflößend. Wie stehen die Chancen, von einem Hai getötet zu werden?

    Chapman hat herausgefunden, dass das menschliche Gehirn dazu neigt, Zahlen zu sehr zu vereinfachen. Wenn man hört, dass die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Haiangriffs bei 1 : 3.748.067 liegt, ist diese Zahl für das Gehirn einfach zu abstrakt, um darauf emotional zu reagieren. (Auch die Tatsache, dass Menschen jährlich etwa 100 Millionen Haie töten, kann schwer zu fassen sein.)

    Mit anderen Worten ist es also höchst unwahrscheinlich, dass man von einem Hai gefressen wird. Viel eher könnte man durch einen Hundeangriff, einen Blitzeinschlag oder einen Autounfall sterben. Auch Krebs und Herzkrankheiten sind als Todesursachen deutlich wahrscheinlicher.

    Aber die extrem geringe Wahrscheinlich für den „Tod durch Hai“ spielt emotional gesehen keine Rolle. Wir hören das Wort „Hai“ und denken oft einfach sofort „Angriff“.

    „Wir können Angst zwar fühlen und interpretieren, aber das eigentliche Gefühl der Angst können wir nicht kontrollieren“ so Chapman.

    Aber was kann man tun, um seine Angst vor Haien zu überwinden?

    Es gibt durchaus ein paar Möglichkeiten, um etwas gegen die Angst vor Haien zu tun. Man kann sich der Illusion der Kontrolle hingeben, denn wenn man das Gefühl der Kontrolle nicht hat, fürchtet man sich eher.

    Zu diesem Zweck kann man sich beispielsweise darüber belesen, welche Haie in dem Gebiet leben, in dem man schwimmen geht, oder welche Haiarten bisher Menschen angegriffen haben. (Tipp: Kleine und Große Schwarzspitzenhaie verwechseln Menschen manchmal mit ihrer sonstigen Beute.)

    Um einem Haiangriff aus dem Weg zu gehen, sollte man auch darauf verzichten, wie ein Haiköder zu wirken – zum Beispiel indem man nicht schwimmt, wenn man blutet, und indem man nicht auf einem Surfbrett paddelt. Viele Haie jagen Robben, und von unten betrachtet kann ein Surfbrett wie eine Robbe wirken. Außerdem sollte man nicht Speerfischen: Aufgespießte Fische senden elektrische Signale aus, die Haie anlocken könnten.

    In dem unwahrscheinlichen Fall, dass man von einem Hai angegriffen wird, raten Experten dazu, sich zu wehren. Chapman empfiehlt, sich dabei auf die Augen und die Kiemen des Tieres zu konzentrieren. Wenn man sich so fühlt, als hätte man die Situation unter Kontrolle, hat man auch nicht so leicht Angst.

    Warum ist der Schutz der Haie wichtig?

    Chapman zufolge nehmen die Haiangriffe pro Jahr zwar zu, allerdings stehen sie in keinem Verhältnis zu der explodierenden menschlichen Bevölkerung. Es gibt zwischen 80 und 90 nicht provozierte Haiangriffe pro Jahr, allerdings sinkt die Todesrate der Opfer dank der verbesserten medizinischen Behandlung und den schnelleren Reaktionszeiten der Retter.

    Eine Schätzung der Haipopulationen gestaltet sich laut Chapman schwierig, aber es scheint so, als würde ihre Zahl abnehmen. Aufgrund der Nachfrage nach Haifischflossensuppe fangen manche asiatische Fischer Haie, schlagen ihre Flossen ab und werfen sie dann ins Meer zurück, wo sie sterben. Zudem landen Haie auch unbeabsichtigt als Beifang in Fischernetzen.

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    Die Tiere spielen für die Ökosysteme und Nahrungsketten des Meeres allerdings eine wichtige Rolle. Studien haben gezeigt, dass Haie einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Seegrases und auf die Präsenz anderer Tiere in ihrem Lebensraum haben können. Außerdem spielen sie eine Rolle bei Forschungen in den Bereichen der Krebsbehandlung und der Erneuerung von Gliedmaßen.  

    Die Vorteile der Tiere überwiegen ihre Nachteile bei Weitem.

    „Sie sind richtige Überlebenskünstler. Sie haben sich evolutionär im Grunde entwickelt, um jeglichem Stress standzuhalten.“

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