Koji: Vegane Tiernahrung auf Pilzbasis?

Leckerlis und Trockenfutter auf Kojibasis sind hervorragende Proteinquellen, allerdings wohl nicht für jedes Haustier geeignet.

Von Michelle Z. Donahue
Veröffentlicht am 26. März 2018, 10:22 MESZ

Was haben Sojasauce, Miso und Sake gemeinsam? Die Antwort lautet: Koji.

Der Schimmelpilz Aspergillus flavus var. Oryzae, im Japanischen auch kurz als Kōjikin bezeichnet, ist ein Mikroorganismus, der in vielen traditionellen asiatischen Nahrungsmitteln steckt. Er ist aber auch die Hauptzutat eines neuen Tierfutters, das – so die bescheidene Hoffnung des Entwicklers – die Zukunft der Tiernahrungsindustrie verändern wird.

Koji wird im Normalfall direkt auf Getreidesorten wie Reis gezüchtet, welche dem Pilz die Stärke liefern, die er zum Wachsen benötigt. Ryan Bethencourt, der Mitbegründer der Futtermittelherstellers Wild Earth, sagt, dass die Firma den Pilz in einer Lösung gezüchtet hat, die auf Rübenzucker basiert. Nach der Extraktion wird er wie Tofu gepresst und im Anschluss geschnitten und gebacken. Heraus kommt etwas, das vom Geschmack her einem Käsecracker ähnelt.

Das letztendliche Ziel sei es laut Bethencourt, ein umweltfreundliches und qualitativ hochwertiges Tierfutter herzustellen, das vegan ist und schmeckt. Die Firma will ihr erstes Produkt – ein Leckerli – im Juni auf den Markt bringen. Ein Trockenfutter soll später im Jahr folgen.

Leckerlitüten von Wild Earth.
Foto von Wild Earth

Es ist zwar nicht das erste vegane Tierfutter auf dem Markt, aber dennoch würde das Produkt auf Kojibasis wohl jene Verbraucher ansprechen, die sich bereits fleischlos ernähren. Derzeit wird der Markt für Fleischersatzprodukte auf Pflanzenbasis auf einen Wert von 4,9 Milliarden Dollar geschätzt. Eine neue Analyse ergab, dass die Verkäufe 2017 um 8,1 Prozent gestiegen sind. (Lesenswert: Zeckenbiss kann Fleischallergie auslösen)

Die Idee, Koji in Tierfutter auf Pflanzenbasis zu verwenden, stammt von dem Firmenmitbegründer Ron Shigeta. Er gehört der dritten Generation einer japanisch-amerikanischen Familie an und baut selbst Koji an.

„Ron hat immer und überall diese Kojis gezüchtet und da dachten wir uns dann: Könnten wir Koji als Hauptproteinquelle anstatt einfach nur als Geschmacksstoff nutzen?“, erzählt Bethencourt.

Eine Analyse ihrer frühen Kojizüchtungen zeigte, dass sie zu 50 Prozent aus Protein bestehen. Zum Vergleich: Ein Steak hat nur einen Proteinanteil von 30 Prozent. Für einen angemessenen Anteil an Fett, Fasern und anderen Nährstoffen will die Firma andere Nahrungspflanzen wie Kürbisse, Süßkartoffeln, Buchweizen und Kartoffelstärke beimengen.

DIE QUAL DER WAHL

Aber selbst, wenn Koji eine gute Proteinquelle sein sollte – eignet es sich auch für Hunde und Katzen?

Trotz des wachsenden Bedürfnisses vieler Tierhalter, ihre Lieblinge mit hochwertigem und proteinreichem Futter zu ernähren, gibt es keine einheitliche Definition dafür, ab wann ein Tierfutter als „proteinreich“ gilt. Die Tierernährungsberaterin Amy Farcas folgt ein paar Daumenregeln: Bei Hunden kann man von einer porteinarmen Ernährung sprechen, wenn 10 bis 15 Prozent des täglichen Kalorienbedarfs über Proteine gedeckt werden, während es bei einer normalen Ernährungsweise etwa 20 bis 35 Prozent sind. Alles über 35 Prozent könnte als proteinreich gelten.

„Das ist ein bisschen willkürlich“, gibt Farcas zu. „Für gesunde Hunde gibt es keine Obergrenze für die Proteinaufnahme. Solange sie auch genügend Fett bekommen, kann es Hunden auch mit einer proteinreichen Ernährung gut gehen.“

Bethencourt zufolge möchte seine Firma auch dabei helfen, die Frage zu beantworten, wie sich eine vegane Ernährung langfristig auf die Gesundheit von Hunden auswirkt. „Dafür haben wir aktuell keine Daten vorliegen, aber wie man an veganen Athleten sieht, glauben wir, dass eine fleischlose Ernährung auch für die Tiere vorteilhaft ist, vielleicht sogar auf überraschende Weise.“

Für Katzen eignet sich Koji allerdings nicht. Katzen sind obligate Karnivoren, die lebenswichtige Nährstoffe wie Taurin und Arachidonsäure über Fleisch aufnehmen. Aber „Katzen können ein gewisses Maß an pflanzlichem Material in ihrer Nahrung tolerieren, auch wenn sie einen höheren Bedarf an Protein oder Fett haben als Menschen oder Hunde“, fügt Farcas hinzu.

Bethencourt hat auch dafür eine Lösung: Ihm zufolge arbeitet seine Firma derzeit an einem Futter auf Basis von Fleisch, das im Labor gezüchtet wird – aus kultivierten Mäusezellen.

BELIEBT

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    DIE KOSTEN DER TIERNAHRUNG

    Neben den ethischen Vorteilen könnte ein solches Produkt auch der Umwelt zugutekommen, die durch die Tierfutterherstellung ebenfalls belastet wird. Laut einer aktuellen Umfrage wohnen in US-amerikanischen Haushalten circa 47 Millionen Katzen und 60 Millionen Hunde.

    Aufgrund dieser Zahlen und der steigenden Nachfrage nach hochwertigem „Premiumfutter“ hat der Geograf Gregory Okin ein paar Schätzungen zur Herstellung und dem Verzehr von Tierfutter erstellt.

    Letztes Jahr veröffentlichte er eine Studie, in der er zu dem Schluss kam, dass die Hunde und Katzen in den USA die gleiche Menge an Kalorien vertilgen wie 62 Millionen Amerikaner oder ein Fünftel der Population. Ein Großteil dieser Kalorien stammt aus tierischen Produkten, deren Herstellung viele Ressourcen verbraucht.

    „Obwohl tierische Abfallprodukte nicht teuer sind, müssen sie bei hohen Temperaturen verarbeitet werden“, sagt Okin. Er weist darauf hin, dass der nächste Schritt – die Herstellung von Trockenfutter – ebenso energieaufwändig sein könnte, da das Produkt bei hohen Temperaturen gepresst wird, die das Futter während der Herstellung sterilisieren.

    „Wenn Koji unter großem Energieaufwand und mit gewissen Materialien hergestellt wird, ist es möglich, dass es im Hinblick auf seine Umweltauswirkungen nicht besser als Fleisch ist“, so Okin. Allerdings muss das Produkt erst in entsprechend großem Stil produziert werden und auf den Markt kommen, bevor man einen echten Vergleich ziehen kann.

    PROTEINE FÜR DIE MASSEN?

    Koji könne aber vielleicht auch bei der menschlichen Ernährung eine größere Rolle spielen, sagt Bethencourt. Das Pilzprotein könnte beispielsweise in Entwicklungsländern eingesetzt werden oder durch seine extrem lange Haltbarkeit als hochwertige Nahrungsquelle für Soldaten dienen, die in abgelegenen Gebieten stationiert sind.

    Okin zufolge könnte auch normales Trockenfutter im Hinblick auf dessen Proteingehalt diese Bedürfnisse bereits erfüllen. Allerdings hält er Koji für eine geschmacklich attraktivere Variante.

    „Warum nehmen wir dieses Zeug nicht und denken darüber nach, wie man Menschen damit ernähren kann?“, fragt er. „Auf der ganzen Welt gibt es Menschen, die Proteine brauchen. Wir haben hier dieses haltbare, langlebige potenzielle Notfallnahrungsmittel. Das könnte man für Menschen nutzen. Oder man könnte es an Hunde verfüttern.“

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