Größte Säugetierwanderung Afrikas nach Jahrzehnten wiederbelebt

Das letzte Zebra, das die historische Route nahm, starb vermutlich vor 50 Jahren – dennoch folgt nun eine neue Generation den alten Pfaden.

Von Michaela Trimble
Veröffentlicht am 9. Mai 2018, 06:00 MESZ
Zebras
Zebras im Okavangodelta trinken. Während der saisonalen Überschwemmung wandelt sich das Delta zu einem grünen Feuchtgebiet und Paradies für Pflanzenfresser.
Foto von Cory Richards, National Geographic

Wenn die Makgadikgadi-Salzpfannen in Botswana feucht und von grüner Vegetation übersät sind, fällt es schwer, sich die Region als trockene Landschaft vorzustellen. Die diversen kleinen und großen saisonalen Salzpfannen im Nordosten der sandigen Kalahari bilden zusammen eine der größten Salzpfannen der Erde. Obwohl Reisende das Gebiet nur selten während der Regenzeit von Januar bis April aufsuchen, sind die Makgadikgadi-Salzpfannen gerade dann saftig grün und von Wasser durchtränkt – und ein wahres Paradies für Pflanzenfresser.

Im botsuanischen Wildreservat Central Kalahari Game Reserve fand einst eine der größten afrikanischen Herdenwanderungen statt. Fast 50.000 Gnus folgten den jahrhundertealten Pfaden und wanderten in nördlicher Richtung bis zu den Makgadikgadi-Salzpfannen und ihren fruchtbaren saisonalen Feuchtgebieten. Diese historische Wanderung konnte sich mit der heutigen jährlichen Wanderung der Gnus in der Serengeti messen – und übertraf diese eventuell gar noch an Größe.

Kurz nachdem Botswana 1966 seine Unabhängigkeit erlangte, schloss das Land einen lukrativen Vertrag mit der Europäischen Union ab, um europäische Länder mit Vieh zur Schlachtung zu versorgen. Da das Land ansonsten nur wenig funktionierende Industrie aufwies, machte das flache Terrain die Viehzucht zu einer natürlichen und effektiven Option für das Wirtschaftswachstum. Was damals noch niemand ahnte: Dieser Vertrag würde eine Industrie des Landes schädigen, die sich erst noch entwickeln würde – den Wildtiertourismus.

Aufgrund von Botswanas großen Wildtierzahlen forderte die EU, dass das dortige Vieh von den Wildtieren getrennt werde – insbesondere von wilden Büffeln, welche die gefürchtete Maul- und Klauenseuche verbreiten können. Menschen werden eigentlich so gut wie nie von der Krankheit befallen, weshalb die EU sich hauptsächlich darum sorgte, dass infiziertes Fleisch die Krankheit in andere Vertragsländer tragen könnte. Daher verbot die EU die Einfuhr von Fleisch aus Gebieten, in denen die Krankheit aktiv umging.

Um dieses Problem zu vermeiden, errichtete das Land scheinbar endlose Viehzäune, um das Vieh von Büffeln – und damit auch von anderen Wildtieren wie Elefanten, Giraffen, Löwen, Leoparden und Zebras – zu separieren und eine Ansteckung zu verhindern. Obwohl es keine Zahlen gibt, starben Schätzungen zufolge Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen wilder Tiere nach der Errichtung der weitläufigen Zaunsysteme, da die Barrieren sie von wichtigen Wasserquellen abschnitten. Für grasende Pflanzenfresser wie Gnus, die von der Kalahari nach Norden zu den Makgadikgadi-Salzpfannen zogen, waren die Auswirkungen wohl am verheerendsten. Auch die Zebrapopulationen brachen ein, da ihre Wanderrouten, denen sie seit Jahrhunderten alljährlich folgten, nun von eingezäunten Weiden unterbrochen waren.

Zäune unterteilen Ackerland in Maun, Botswana. Solche Barrieren wurden in weiten Teilen Botswanas errichtet, um das Vieh zu schützen. Allerdings unterbrachen sie auch die Wanderungen der Wildtiere.
Foto von Jasaon Edwards, National Geographic

WIEDERENTDECKUNG ALTER ROUTEN

Das ganze Ausmaß dieser folgenträchtigen Entscheidungen ist nach wie vor nicht bekannt, aber Forscher hegen nun die Hoffnung, dass die alten Wanderrouten wiederhergestellt werden könnten – wenn der Naturschutz oberste Priorität erhält.

In einer kürzlich durchgeführten Studie entdeckte Dr. Hattie Bartlam-Barnes vom Royal Veterinary College der University of London Daten, denen zufolge Zebras die Wanderrouten ihrer Vorfahren wiederentdecken können, wenn physische Barrieren wie Zäune entfernt werden. Sie ist die erste Wissenschaftlerin, die entdeckte, dass die alte Zebrawanderroute vom Okavangodelta zu den Makgadikgadi-Salzpfannen wieder von mehreren Hundert Tieren genutzt wird. Dr. Bartlam-Brooks‘ Arbeit lässt vermuten, dass das Wiederaufleben der Wanderung erst nach der Entfernung des nördlichen Nxai-Pan-Zauns möglich wurde, der die Route von 1968 bis 2006 vollständig versperrte.

Seit 2014 arbeitet Dr. Bartlam-Brooks mit Dr. Emily Bennitt vom Okavango Research Institute der University of Botswana zusammen, um die Auslöser und Mechanismen ausfindig zu machen, die den Wanderungsprozess bestimmen. „Die Wanderung von Pflanzenfressern über Schutzgebiete hinweg ist unverzichtbar, um die Verbindung zwischen Ökosystemen auch über Landschaften hinweg zu erhalten“, sagt Dr. Bennitt. „Wanderungen können durch menschliche Aktivitäten leicht unterbrochen werden, aber die Belege aus Botswana deuten an, dass die Wanderpopulationen ihre Funktionalität wiederherstellen können, wenn die Barrieren entfernt werden.“

BELIEBT

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    Zebras stehen im Okavangodelta in Botswana.
    Foto von Cory Richards, National Geographic

    Da wilde Zebras eine durchschnittliche Lebenserwartung von zwölf Jahren haben, war keines der heutigen Zebras am Leben, als der Nxai-Pan-Zaun in den späten Sechzigern errichtet wurde. Dennoch fand die Wanderung nach der Entfernung des Zauns 2006 exakt so statt wie Generationen zuvor. Eine Cambridge-Studie kam zum gleichen Ergebnis wie Dr. Bartlam-Brooks und Dr. Bennitt. Die Untersuchung ist zudem die erste Dokumentation einer ähnlichen langen Zebrawanderung vom botsuanischen Fluss Chobe im Süden bis zum Nxai-Pan-Nationalpark etwas nördlich der Makgadikgadi-Salzpfannen. Der Nachweis dieser zweiten Wanderung lässt vermuten, dass die Tiere eine Art genetisch kodierte Erinnerung an diese alten Wanderrouten haben. Das könnte auch erklären, wie die Zebras, die vom Okavangodelta zu den Makgadikgadi-Salzpfannen wanderten, ihre Route auch nach mehreren Generationen noch wiederfanden.

    Eine Herde Zebras wirbelt bei ihrer Wanderung durch die Makgadikgadi-Salzpfannen Staub auf.
    Foto von Michael Poliza, National Geographic

    TIERSCHUTZ ALS WIRTSCHAFTSFAKTOR

    Die Viehzäune wurden ursprünglich aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus errichtet – aber ihr Abriss könnte sich nun als wirtschaftlich ebenso sinnvoll für Botswana erweisen. Die Zebrawanderung vom Chobe zum Nxai-Pan-Nationalpark ist nun die längste bekannte Säugetierwanderung des ganzen Kontinents. Der Rundweg von etwa 480 Kilometern Länge schlägt sogar die weltweit bekannte Wanderung der Gnus in der Serengeti, die jedes Jahr tausende Touristen anlockt.

    Ein Zebra blickt in Botswana zu einem Fotografen.
    Foto von Cory Richards, National Geographic

    Sogar gut etablierte Organisationen und Gruppen sind erstaunt darüber, wie die neuen Wanderrouten sich auf den botsuanischen Tourismussektor auswirken könnten. „Ich habe seit ich denken kann im Tourismus von Botswana zu tun. Ich dachte, ich wüsste alles über das Land“, sagt Caren Banks, die bei Rothschild Safaris arbeitet. „Aber dann habe ich die unglaubliche Zebrawanderung zu den Makgadikgadi-Salzpfannen entdeckt.“ Das Unternehmen bietet derzeit die einzigen zweitägigen Nahbeobachtungen der Wanderung für Touristen an, die entweder in Jacks Camp oder in Meno A Kwena stattfinden. Im Normalfall zieht es Reisende eher während der Trockenzeit von Mai bis September nach Botswana. Aber jene Touristen, die schon Bescheid wissen, stellen sich dem schlammigen Boden, um den Höhepunkt der Wanderung zu erleben, der während der Regenzeit von Januar bis April stattfindet.

    Dann können die Besucher beobachten, wie die Tiere in den saftigen Salzpfannen nach frischem Gras suchen. Dort zeigt sich, dass menschliche Interventionen die natürlichen Wanderungen von Tieren zwar negativ beeinflussen können, aber auch, dass sich dieser Effekt umkehren lässt, wenn der Tierschutz an erster Stelle steht.

    ZEBRAS

    Haben Zebras auch Streifen auf ihrer Haut?

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