Warum männliche Delfine „Händchen halten“
Die Tümmler rufen sich beim Namen, berühren sich und gehen Allianzen mit anderen Männchen an.
Dass gute Freunde oft sehr ähnlich reden, ist dem ein oder anderen sicher schon aufgefallen.
Ob Schwarzkopfmeisen oder Schimpansen – Wissenschaftler haben entdeckt, dass zahlreiche Arten ihre Rufe entsprechend anpassen, damit sie denen ihrer engsten Vertrauten ähneln.
Für die männlichen Tümmler in der Shark Bay von Western Australia scheint jedoch genau das Gegenteil zuzutreffen, wie in einer Studie berichtet wird, die am 7. Juni in „Current Biology“ erschien.
Jahrzehnte der Forschung in der Region haben ergeben, dass nicht verwandte Männchen sich in Gruppen von zwei bis drei Tieren zusammenschließen. Damit erhöhen sie ihre Chance, Weibchen zu finden, die in ihrem eigenen Familienverband leben, und sich zu paaren. Mitunter bilden mehrere dieser männlichen Zweier- oder Dreiergespanne auch größere Gruppen, die in einigen Fällen ein Leben lang Bestand haben.
Jedes der Männchen hat seinen ganz eigenen Ruf, ähnlich einem Namen. Es kann zwar vorkommen, dass ein Männchen denselben „Namen“ wie ein Männchen außerhalb seiner Gruppe hat, aber zwei männliche Verbündete scheinen niemals denselben Namen zu teilen.
„Diese individuellen Vokalkennungen oder ‚Namen‘ ermöglichen es den Tieren, komplexe soziale Beziehungen aufzubauen“, sagt die Studienleiterin Stephanie King, eine Wissenschaftlerin der University of Western Australia und National Geographic Explorer.
Diese Bindungen können so eng sein, dass die Männchen einander oft mit den Brustflossen streicheln. Drohnenaufnahmen haben sogar gezeigt, dass sie mitunter „Händchen halten“, also so schwimmen, dass sich ihre Flossen berühren.
„Was ist ein Name?“
Forscher wissen schon seit den Sechzigern, dass sowohl männliche als auch weibliche Delfine charakteristische Rufe haben, die Namen gleichen.
Allerdings war nicht klar, wie wichtig diese Rufe sind, bis King damit begann, sie den Tieren vorzuspielen.
Im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2013 zeigte King, dass Delfine auf Aufnahmen ihres eigenen „Namens“ reagierten, aber nicht auf den anderer Delfine – ähnlich wie ein Schüler, der im Unterricht aufgerufen wird.
Außerdem stellte sie fest, dass die Delfine die Rufe anderer Artgenossen nachahmen können und sich so anscheinend ansprechen oder rufen.
Kings aktuelle Studie baut auf diesen Entdeckungen auf. Sie zeigt, dass die Namen von essentieller Bedeutung sind, um das sich stetig weiterentwickelnde Sozialgeflecht aufzubauen und zu pflegen. Das wäre vermutlich nicht möglich, wenn jeder Delfin denselben „Namen“ hätte.
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Da in großen Gruppen bis zu 14 Männchen miteinander leben, müssen die Tiere King zufolge stets einen Überblick über die einzelnen Beziehungen haben.
„Sie müssen wissen, wer ihre Freunde und ihre Rivalen sind und wer die Freunde ihrer Rivalen sind“, erklärt sie.
Körpersprache
Die Männchen stärken ihre Bindungen zusätzlich sowohl durch Berührungen als auch durch synchronisierte Bewegungen. Beispielsweise schwimmen sie synchron zueinander und brechen zeitgleich durch die Wasseroberfläche, um Luft zu holen.
„Bei Menschen wurde ein Zusammenhang zwischen synchronen Handlungen und der Ausschüttung von Oxytocin festgestellt, wodurch Vertrauen und Kooperation gefördert werden“, sagt King.
Wahrscheinlich lösen diese Verhaltensweisen bei Delfinen die gleiche Reaktion aus und tragen so ebenfalls zu den überraschend komplexen Sozialgeflechten der Tiere bei.
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