Wo Füchse Frieden finden
Bei Save a Fox in Minnesota finden Füchse aus Pelzfarmen und verstoßene Haustiere ein neues Zuhause.
Als die Fotografin Robin Schwartz im vergangenen Juni Mikayla Raines in Minnesota besuchte, war es eine geradezu mystische Erfahrung. Raines’ Grundstück ist von hochgewachsenen Eichen und hüfthohem Gras umgeben. Die Fotografin und ihre menschlichen Motive waren trotz rauen Mengen an Insektenschutzmittel mit Mückenstichen übersät. Die Sonne brannte so unerbittlich, dass die zwei Frauen, die dort leben und arbeiten, im grellen Sonnenlicht nur in ihren BHs unterwegs waren. „Das war wie eine Fantasiewelt“, sagt Schwartz.
Und dann gab es da noch die Füchse.
Die Protagonisten
Auf dem Grundstück von Save a Fox leben zwei Fuchsarten: Rotfüchse und Polarfüchse. Sie tragen Namen wie Banjo, Todd und Dixie. Manche von ihnen verbringen gern Zeit mit Menschen, andere ignorieren ihre Pfleger. Einige sind rot, manche schwarz und silberfarben, andere haben ein geflecktes Fell wie manche Hunde. Die Füchse lieben Spielzeuge und sie grinsen und wedeln mit dem Schwanz, genau wie Hunde.
Aber es sind eben keine Hunde.
Die 23-jährige Raines hatte eine Ausbildung zur Veterinärtechnikerin begonnen, sie allerdings abgebrochen, um Save a Fox zu gründen. Seit 2017 ist das Projekt eine eingetragene Wohltätigkeitsorganisation. Raines nimmt einheimische Tiere auf, die nicht mehr ausgewildert werden können, darunter auch Nerze, einen Luchs und einen Kojoten. Einige der Tiere wurden als Haustiere gehalten, aber irgendwann konnten ihre Eigentümer den Tieren nicht mehr gerecht werden oder mussten sie aufgrund von Gesetzesänderungen oder unvorhergesehener Umstände abgeben.
Etliche der Füchse stammen von Pelzfarmen, wo sie aufgezogen, getötet und gehäutet werden. Ihre Pelze werden dann an Modeunternehmen und gelegentlich auch an Taxidermisten verkauft. Von solchen Pelzfarmen erhält Raines meist Tiere, die verletzt sind, Fellschäden aufweisen oder von ihrer Mutter verstoßen wurden. Auch wenn Raines die Praktiken der Pelzfarmer nicht gutheißt, hat sie zumindest eine gute Arbeitsbeziehung mit ihnen, wie sie erzählt. „Alle Pelzfarmer, von denen ich Füchse bekomme, finden es tatsächlich total klasse, was ich hier mache“, sagt sie.
Raines züchtet keine Füchse und kauft auch keine Tiere. Eine Tierpflegerin, die direkt auf dem Grundstück lebt, sowie freiwillige Helfer kümmern sich um die Tiere, füttern sie, säubern ihre Käfige und kümmern sich um Dokumente, Social-Media-Accounts, Spenden und die nie enden wollenden Inspektionen und Gesetzesänderungen.
Fuchs, was bist du für ein Tier?
In zahlreichen Videos auf Instagram und YouTube kann man Füchse sehen, die als Haustiere gehalten werden, spielen, sich den Bauch kraulen lassen und ihre charakteristischen Geräusche von sich geben. Für andere Menschen sind sie eine Ressource, das Mittel zum Zweck für ein bisschen Pelz an der Kapuze.
Rechtlich gesehen existieren Füchse in den USA in einer komplexen Grauzone. Generell gelten sie als Wildtiere, und die Exemplare von Save a Fox werden vom Minnesota Department of Natural Resources auch als solche registriert. In einem anderen Kontext sind sie landwirtschaftliche Erzeugnisse – genau wie Kühe und Schweine –, und in der Stadt Faribault unterliegen die Füchse von Save a Fox den Bestimmungen für Nutztiere. Wo genau kann man die Grenze ziehen?
„Es gibt keine Grenze“, sagt Angela Grimes von Born Free USA. Die Organisation mit Sitz in Maryland setzt sich für Wildtiere ein. „Füchse und andere Wildtiere sind einfach nur das. Sie werden mitunter unter grausamen und unnatürlichen Bedingungen gehalten, wie das bei Pelzfarmen der Fall ist, oder manchmal auch als Haustiere – aber sie sind von Natur aus und per Definition wilde Tiere, selbst wenn sie nicht in der Wildnis leben, wo sie hingehören.“
Auch juristisch gesehen sei es schwer, Füchse einzuordnen, erzählt Rebecca Wisch, eine Anwältin des Animal Legal and Historical Center. In manchen US-Bundesstaaten gelten sie als räuberische Schädlinge, die legal und ohne große Kontrollen getötet werden dürfen. Andernorts ist der Fang und Abschuss der Tiere für Jäger und Fallensteller reguliert. In wieder anderen Staaten sind sie geschützte Wildtiere.
A newly rescued fox named Luka is confined to his enclosure while she acclimates to the new environment. Raines leaves toys because foxes to help satisfy their curiosity.
Für Raines sind ihre Rettungskinder keine echten Wildtiere, da sie nicht in der Wildnis geboren wurden und auch nie ausgewildert werden können, weil ihnen sie nötigen Überlebensfähigkeiten fehlen. Sie betrachtet sie aber auch nicht als Nutztiere. „Wenn ich eine Pelzfarm hätte, wären sie für mich wohl Vieh, weil ich sie für einen wirtschaftlichen Zweck züchten würde“, sagt sie. „Das ist aber nicht der Fall. Für mich sind sie daher am ehesten Haustiere.“
Auch wenn das bei Raines der Fall sein mag, sind Füchse für die meisten Menschen keine gute Wahl für ein Haustier. Um den Tieren gerecht werden zu können, brauchen Halter umfangreiche Kenntnisse über ihre Biologie und Pflege, ganz zu schweigen von viel Geduld und Hingabe. Füchse sind äußerst neugierige Tiere und machen viel kaputt. Sie können über Zäune springen oder sich darunter hindurchgraben. In vielen Bundesstaaten der USA ist eine Haltung ganz verboten, anderswo ist sie stark reguliert und wird besteuert. Auch in Deutschland sind die gesetzlichen Anforderungen hoch. Voraussetzung sind beispielsweise ein ausreichend großes Wildgehege mit Betonfundament, ein Sachkundenachweis, eine Haltegenehmigung und so weiter. Außerdem urinieren und defäkieren Füchse überall – Stubenreinheit ist bei Weitem nicht so leicht anzuerziehen wie bei Hunden. Noch dazu haben Füchse einen starken Eigengeruch und eben nicht den Vorteil, dass sie wie Hunde über Jahrtausende hinweg domestiziert wurden. Auf Instagram wirken sie vielleicht wie kuschelige und charismatische Begleiter, aber das macht sie noch lange nicht zu guten Haustieren.
Domestizierung
In Russland findet schon seit Sowjetzeiten ein andauerndes Fuchsexperiment statt, das mit Tieren von Pelzfarmen seinen Anfang nahm. Ein Forscher namens Dmitri Belyaev wollte den Domestizierungsprozess von Hunden besser verstehen und kaufte einige besonders zahme Füchse von Pelzfarmen auf. Über mehrere Generationen hinweg selektierte er dann jeweils jene Fuchswelpen aus seiner Zucht, die die wenigste Angst und die meiste Zuneigung gegenüber Menschen zeigten, um möglichst zahme, freundliche Füchse zu züchten.
Das Institute of Cytology and Genetics, welches das Experiment begann, züchtet auch heute noch Füchse, lange nach Belyaevs Tod. Einige der Füchse werden verkauft, um die weiteren Forschungen zu finanzieren.
Obwohl das Experiment bereits Tiere hervorbrachte, die deutlich zahmer als Füchse aus der Wildnis oder von Pelzfarmen sind, sind sie nach wie vor längst nicht so einfach zu halten wie Hunde.
Ein Fuchshimmel auf Erden
Trotz all der Herausforderungen, die die Haltung von Füchsen mit sich bringt, hatte sich Raines vor einigen Jahren in die Tiere verliebt, als sie in einer Wildtierrettungsstation arbeitete. So kam sie auch zu ihrem ersten Fuchs, einem Polarfuchs namens Fiasco. Es war Fiascos wachsende Beliebtheit auf Instagram, die schließlich dazu führte, dass Raines ihr eigenes Rettungsprojekt begann.
Das war durchaus kein leichtes Unterfangen. Sie musste diverse Genehmigungen einholen, um eine Wildfarm zu betreiben und Wildtiere in Gefangenschaft auszustellen. Außerdem brauchte sie eine Lizenz vom Landwirtschaftsministerium der USA, um ihre Füchse zu transportieren und sie an qualifizierte Bewerber zu vermitteln – schließlich hatte sie ihr Projekt nur ins Leben gerufen, weil sie zunehmend Anfragen ihrer Follower bekommen hatte, die ebenfalls einen Fuchs in Not adoptieren wollten.
Nachdem ihre alte Heimatstadt Lakeville ihr die Haltungsgenehmigung entzog, weil sie zu viele Füchse hielt, zog Save a Fox nach Rice County um, damit sie noch mehr Tiere aufnehmen kann. Sie betreibt einen Instagram-Account mit zahlreichen Videos der charismatischen Tiere beim Spielen, Toben und Schmusen. Der Account hat mittlerweile etwa 200.000 Follower und wirbt um Tierpatenschaften und Spenden, die direkt auf der GoFundMe-Seite von Save a Fox getätigt werden können. Die Fotografin Schwartz war von ihrem Besuch bei Raines so inspiriert, dass sie direkt im Anschluss selbst spendete.
Grimes ist froh, dass es Rettungsprojekte wie Save a Fox gibt, solange die Tiere dort gut versorgt und nicht gezüchtet oder gekauft werden. „Füchse, die auf Pelzfarmen geboren werden – das sind wirklich ganz erbärmliche, furchtbare Orte“, sagt sie. „Diejenigen, die eine Chance haben, da rauszukommen und bei einer seriösen Rettungsorganisation zu leben, können sich wirklich glücklich schätzen.“
Raines steckt viel Arbeit in Save a Fox, um sicherzustellen, dass die Organisation legitim ist und die Abläufe gut organisiert sind. Am meisten war Schwartz jedoch von der Beziehung zwischen Mensch und Tier beeindruckt. „Mikayla hat so eine Beziehung zu den Tieren, die sehr ruhig und angenehm und ganz natürlich ist“, sagt Schwartz. „Sie hat mich ein bisschen an eine Waldnymphe erinnert.“
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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