Minischwein mit Rockstar-Frisur steht vor Comeback in der Wildnis

Die Abholzung der Wälder und Wilderei trieben das Visayas-Pustelschwein an den Rand der Ausrottung. Nun zahlen sich Programme zum Erhalt der Art aus.

Von Christine Dell'Amore
Veröffentlicht am 24. Apr. 2019, 16:22 MESZ
Jedes Jahr wächst männlichen Visayas-Pustelschweinen eine zottelige Mähne, die Weibchen einfach unwiderstehlich finden.
Jedes Jahr wächst männlichen Visayas-Pustelschweinen eine zottelige Mähne, die Weibchen einfach unwiderstehlich finden.
Foto von Joël Sartore, National Geographic Photo Ark

Wenn alles gut geht, wird eine enorm seltene Schweinart mit einer echten Rockstar-Frisur bald wieder die Wildnis durchstreifen.

Aktuell leben nur noch etwa 300 Visayas-Pustelschweine (Sus cebifrons) in Gefangenschaft – ob eine wilde Population existiert und wie groß sie in dem Fall wäre, ist unbekannt. Die Tiere, deren Männchen durch eine eigenwillige Irokesenfrisur auffallen, sind eigentlich in den üppigen Regenwäldern auf den Philippineninseln im Verwaltungsbezirk Western Visayas heimisch. Mittlerweile findet man die vom Aussterben bedrohten Schweine aber nur noch auf zwei der Inseln: Panay und Negros.

Die fast vollständige Abholzung der Wälder für den Gewinn wertvollen Hartholzes in den Siebzigern und Achtzigern zerstörten die Landschaft der Western Visayas. Der Lebensraum der Art ist auf Negros Island mittlerweile auf weniger als 4 Prozent seiner ursprünglichen Größe zusammengeschrumpft, auf Panay kommt er kaum noch auf 8 Prozent. Als eines der seltensten Schweine der Welt ist das Visayas-Pustelschwein in Gesellschaft des Zwergwildschweins und des Bawean-Pustelschweins, deren Bestandszahlen sich ebenfalls im niedrigen dreistelligen Bereich befinden.

Die gute Nachricht ist, dass sich das Visayas-Pustelschwein gut in Gefangenschaft züchten lässt. Weltweit arbeiten Zoos und andere Einrichtungen daran, die Tiere zu vermehren, um sie schließlich auszuwildern.

Einige Exemplare könnten noch dieses Jahr an sorgfältig ausgewählten Stellen auf den Philippinen in die Wildnis entlassen werden, sagt Fernando Gutierrez. Er ist der Präsident der gemeinnützigen philippinischen Talarak Foundation Inc., die in zwei Zuchtstätten insgesamt 60 Pustelschweine beherbergt, darunter auch die Unterart Sus cebifrons negrinus.

„Den Schweinen geht es sogar besser als noch vor 20 Jahren“, sagt er. Wenn man sie in Frieden lässt, „wird sich ihre Population definitiv wieder erholen“.

Die Tiere erfüllen in ihrem Ökosystem eine wichtige Rolle. Sie dienen nicht nur Raubtieren als Beute, sondern tragen auch zur Gesundheit ihrer heimischen Wälder bei. Durch ihr Wühlen lüften die Visayas-Pustelschweine den Boden, aber sie fressen auch herabgefallene Früchte, die zu groß für Vögel sind, und verteilen später über ihre Exkremente deren Samen im Wald, erklärt Gutierrez.

Schweinchen-PR

In Vorbereitung auf die Auswilderung begutachten Gutierrez und seine Kollegen aktuell drei Nationalparks auf Panay und Negros, deren Waldbewuchs in den letzten Jahren wieder zugenommen hat.

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Darüber hinaus suchen sie nach eventuell noch existenten Beständen der struppigen, nur 60 Zentimeter großen Allesfresser, die für gewöhnlich in Familienverbänden mit ein paar Weibchen und vielen Frischlingen unterwegs sind. (Die Eber sind deutlich territorialer und schlagen sich lieber allein durch.)

„Das Ziel ist es, sie dort wiederanzusiedeln, wo sie aufgrund von Wilderei ausgestorben sind, oder [bestehende] Populationen zu ergänzen“, erklärt Johanna Rode-Margono, die Programmkoordinatorin für Südostasien des britischen Chester Zoo. Der Zoo, der eine Familie von Visayas-Pustelschweinen beherbergt, unterstützt die Zuchtstationen der Talara Foundation.

„Die Zuchtprogramme verhelfen uns auch zu einem Reservebestand, falls unter der verbleibenden Wildpopulation beispielsweise eine Krankheit ausbricht.“

Damit die Wiederansiedlung jedoch erfolgreich ist, muss einiges an PR-Arbeit für die Schweine geleistet werden.

Zu diesem Zweck besucht Gutierrez regelmäßig die örtlichen Gemeinden und spricht vor allem mit den Kindern. Für ihn ist es auch eine persönliche Angelegenheit: Er wuchs auf Negros auf und sah zu, wie seine Eltern und Großeltern Jagd auf die Schweine machten. „Dass ich diese Jagden miterlebte und dann sah, wie sie langsam verschwanden, hat mich dazu gebracht, das zu bewahren, was wir hier auf der Insel haben“, erzählt er.

Obwohl die Schweine in letzter Zeit mehr Aufmerksamkeit erhalten haben, töten die Bauern die Tiere Gutierrez zufolge nach wie vor, wenn sie sie auf ihren Feldern erwischen. Außerdem gelten sie immer noch als Delikatesse, obwohl die Regierung schwere Strafen auf Wilderei verhängt hat.

„Sie können sich auch mit Hausschweinen kreuzen, was schlussendlich zum Verschwinden der Art führen könnte“, so Gutierrez.

BELIEBT

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    Shooting-Stars

    Der National Geographic-Fotograf Joel Sartore hat für das Projekt Photo Arc vor Kurzem einige Visayas-Pustelschweine an verschiedenen Orten fotografiert und den Tieren damit noch mehr Aufmerksamkeit verschafft.

    In einer der Zuchtstätten der Talarak Foundation, die sich im Negros Forest Park befindet, lichtete Sartore 2018 ein weibliches Pustelschwein mit ihren Frischlingen ab.

    Sus cebifrons negrinus ist eine Unterart des Visayas-Pustelschweins. Die Weibchen werfen pro Jahr zwei bis drei Frischlinge.
    Foto von Joël Sartore, National Geographic Photo Ark

    „Bei den meisten Schweinen (inklusive dieser Pustelschweine) verlaufen die Shootings recht ähnlich. Solange sie sich nicht bedroht fühlen, sind sie ziemlich locker, besonders, wenn man ihnen ein paar Leckereien hinlegt“, schrieb Sartore in einer E-Mail.

    „Der Trick ist also, keine schnellen, unheimlichen Bewegungen oder lauten Geräusche zu machen – und viel Futter. Wenn die Häppchen alle sind, ist das Shooting vorbei.“

    Im Zoo Boise in Idaho hatte Sartore 2017 das Glück, ein Männchen mit seiner charakteristischen Mähne abzulichten, die nur während der Paarungszeit wächst und Weibchen beeindrucken soll. Was die namensgebenden Pusteln der Männchen angeht, so dienen diese wohl dem Schutz des Gesichts bei Kämpfen mit männlichen Rivalen.

    „Ist doch nur ein Schwein“

    Sehr zur Bestürzung der Schweineexperten gelten die 17 bekannten Arten wilder Schweine in den Augen der Öffentlichkeit oft als hässlich oder nicht weniger wertvoll als ein Teller mit Bacon, erzählt Rode-Margono, die Co-Vorsitzende der Wild Pig Specialist Group der Weltnaturschutzunion.

    „Wir finden es wirklich schade, dass die Leute denken: Ist doch nur ein Schwein“, sagt sie. „Sie verdienen genauso viel Aufmerksamkeit wie große, coole Arten.“

    „Jede Art hat das Recht auf Leben und auf ihren Platz in der Wildnis“, findet auch Gutierrez.

    So auch die kleinen Schweine mit der punkigen Mähne.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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