So gut können Hunde uns einschätzen

Eine Studie aus dem Jahr 2015 liefert weitere Belege dafür, dass Haustiere unsere Gesten und Mimik interpretieren können.

Von Jane J. Lee
Veröffentlicht am 2. Jan. 2020, 11:55 MEZ
Border Collie
Haushunde wie dieser Border Collie erkennen menschliche Gesichtsausdrücke.
Foto von Vincent J Musi, National Geographic

Vom mitfühlenden Neigen des Kopfs bis hin zum begeisterten Schwanzwedeln – Hunde scheinen immer genau zu wissen, wie wir uns gerade fühlen.

Die Wissenschaft ist sich in diesem Punkt allerdings noch uneinig, auch wenn zunehmend mehr Beweise für die empathischen Fähigkeiten unserer Haustiere vorliegen.

So belegte beispielsweise bereits eine Studie im Jahr 2015, dass Hunde bei Menschen den Unterschied zwischen einem fröhlichen und einem wütenden Gesichtsausdruck unterscheiden können.

Biologe Corsin Müller von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und seine Kollegen testeten dafür elf Hunde – darunter Border Collies, einen Foxterrier, einen Golden Retriever, einen Deutschen Schäferhund und einige Mischlinge – mithilfe eines Touchscreen-Bildschirms. Die Wissenschaftler brachten den Tieren bei, entweder ein fröhliches oder wütendes Gesicht zu berühren, um ihre Belohnung zu erhalten.

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Im Verlauf der Tests zeigten sie den Hunden entweder die obere oder untere Gesichtshälfte um sicherzustellen, dass die Tiere nicht nur auf das Lächeln oder Zeigen der Zähne reagieren. Gefühle zeigen sich in allen Teilen des menschlichen Gesichts, nicht nur in der Mundpartie, erklärt Müller, dessen Studie am 12. Februar 2015 im Wissenschaftsmagazin „Current Biology“ veröffentlicht wurde.

„Wenn ein Mensch wütend ist, entsteht eine Falte zwischen seinen Augen“, führt er weiter aus. Auch die Form der Augen kann sich verändern.

Wenn Hunde also tatsächlich unsere Emotionen erkennen können, sollten sie in der Lage sein, es an verschiedenen Markern im Gesicht festmachen zu können.

Von Angesicht zu Angesicht

Nachdem Müller und seine Kollegen die Hunde entsprechend trainiert hatte, führten sie Wahlversuche mit ihnen durch. Dabei wurden den Tieren fremde Gesichter gezeigt und sie konnten zwischen fröhlicher und aggressiver Mimik wählen. Die Forscher verwendeten dafür entweder den oberen oder unteren Teil des Gesichts, oder aber die linke Gesichtshälfte. Für letztere hatten sich die Wissenschaftler entschieden, da vorausgehende Studienergebnisse belegten, dass Hunde bevorzugt auf die linke Seite eines Gesichts schauen.

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    Die Hunde, die darauf trainiert worden waren, fröhliche Gesichtsausdrücke zu wählen, konnten dies problemlos ausführen. Sie schafften die Aufgabe sowohl bei den verschiedenen Gesichtsteilen wie auch bei Gesichtern, die sie noch nie zuvor gesehen hatten.

    Die Tiere, die auf wütende Gesichter trainiert worden waren, bestanden den Test ebenfalls. Allerdings brauchten sie länger, um ihre Aufgabe zu lernen als die Hunde mit den fröhlichen Gesichtsausdrücken.

    Müller geht davon aus, dass der Grund hierfür in der negativen Verknüpfung mit wütenden Gesichtern liegt. Möglicherweise verbinden die Hunde einen wütenden Ausdruck mit der Tatsache, dass sie nicht gestreichelt werden, während sie bei einem fröhlichen Ausdruck auf ausgiebiges Kraulen hoffen dürfen.

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    Noch weiß die Forschung nicht, ob die Fähigkeit der Hunde, zwischen den verschiedenen Gesichtsausdrücken zu unterscheiden, auf ihren persönlichen Erfahrungen beruht oder ein Nebenprodukt des Domestizierungsprozesses ist.

    Müller ist jedoch in jedem Fall wenig überrascht, dass Hunde Gesichtsausdrücke unterscheiden können. „Sie haben so viel Zeit mit dem Menschen verbracht und dabei mehr als genug Gelegenheit bekommen, unsere Gesichtsausdrücke zu studieren.“

    Dem stimmt auch Marc Bekoff zu, der sich als Verhaltensökologe auf Hunde spezialisiert hat und an der University of Colorado in Boulder forscht. Menschen und Hunde haben über Tausende von Jahren hinweg eine extrem enge Bindung zueinander aufgebaut, sagt Bekoff, der nicht an der Studie von 2015 beteiligt war. Im Verlauf dieser Zeit wurden verschiedene Rassen auf unterschiedliche Merkmale und Eigenschaften hin gezüchtet. „Eine dieser Eigenschaften ist wohl auch die Fähigkeit, unsere Mimik deuten zu können.“

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    Die Frage ist nun, ob Hunde, die viel Zeit unter Menschen verbringen, Gesichtsausdrücke genauso gut interpretieren können wie solche, die nicht oft in menschlicher Gesellschaft sind, meint Bekoff.

    Dem will Müller mit seiner Forschung weiter nachgehen und dabei herausfinden, ob die Domestizierung eine Rolle beim Lesen menschlicher Gesichtsausdrücke gespielt hat. Für diese Studie plant der Biologe entsprechende Tests mit anderen Tierarten wie Katzen, Schweinen und von Hand aufgezogenen Wölfen.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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