Der Wolf als Mitbewohner: Bald in weiten Teilen Deutschlands sesshaft?

Eine neue Studie zeigt, wo sich die Beutegreifer besonders wohlfühlen würden – und welche Orte sie wahrscheinlich meiden werden.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 7. Mai 2020, 15:33 MESZ
Wölfe

Wolfsnachwuchs in Deutschland. Aktuell gibt es 161 Rudel in Deutschland.

Foto von Heiko Anders

Sie brauchen keine Wildnis: Wölfe finden in Deutschland mehr geeignete Lebensräume als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die das Bundesamt für Naturschutz veröffentlicht hat. Demnach könnten die Beutegreifer in weiten Teilen des Landes sesshaft werden. Mit durchwandernden Wölfen müsse überall gerechnet werden. Nach Worten der Studienautoren hat Deutschland Platz für 700 bis 1.400 Wolfsreviere. Bislang sei man von maximal 440 möglichen Territorien ausgegangen.

Den neuen Berechnungen liegt eine Reviergröße von 200 Quadratkilometern zugrunde. Die gesamte deutsche Fläche beträgt rund 360.000 Quadratkilometer. Ob tatsächlich alle möglichen Territorien besiedelt werden, sei allerdings unklar, so die Wissenschaftler weiter. Die Ergebnisse besäßen keine konkrete Vorhersagekraft und würden auch keine Zielgrößen vermitteln. Stattdessen sollten sie den Bundesländern beim vorausschauenden Wolfsmanagement helfen.

Wissen kompakt: Wölfe
Durchdringender Blick und markerschütterndes Geheul: Wölfe werden ebenso bewundert wie kontrovers diskutiert. Wie viele Arten dieser charismatischen Tiere gibt es, was macht das Heulen jedes Wolfes einzigartig und wie funktioniert ein Rudel?

Der Studie zufolge liegen die besten Gebiete für eine künftige Wolfsbesiedlung verstreut unter anderem in Nordostdeutschland, entlang der tschechischen Grenze, im Spessart und in den bayerischen Alpen. Potenzielle Besiedlungsgebiete könnten auch alle Mittelgebirge und weite Teile Norddeutschlands sein. Großstädte, Ballungsräume, die Börden und ein Großteil von Nordrhein-Westfalen eigneten sich hingegen schlecht. Bei ihren Untersuchungen setzten die Autoren auf aufwändige statistische Methoden. Wichtige Daten liefern unter anderem Wölfe, die mit Sendern markiert wurden.

Wölfe auf Äckern und Feldern

Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass Wölfe als überaus anpassungsfähige Generalisten weite Teile der deutschen Landschaft nutzen können. Ausgedehnte Wälder brauche es dafür nicht, unterstreichen die Autoren. Gerade jüngste Entwicklungen in Sachsen deuteten darauf hin, dass Wölfe auch reine Agrarlandschaften besiedeln können, sofern es auch Rückzugsgebiete gibt, in denen sie ungestört den Tag verbringen können.

BELIEBT

    mehr anzeigen
    Wolfsnachwuchs

    Aktuell sind in der Bundesrepublik 105 Rudel, 29 Paare und 11 Einzeltiere nachgewiesen. Ihre Reviere erstrecken sich derzeit in einem Band von Ostsachsen nordwestlich bis an die Nordsee. Vereinzelt wurden außerdem Wolfsterritorien in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen nachgewiesen.

    Hilfe für die Schäfer

    Die Naturschutzorganisation WWF Deutschland bezeichnet die Ergebnisse der neuen Studie als „spannende Zukunftsprognose“. Es sei abzusehen, dass sich Wölfe in allen Flächenbundesländern etablieren. „Wir müssen uns somit in ganz Deutschland auf den Wolf als Mitbewohner einstellen“, sagt Diana Pretzell vom WWF Deutschland.

    Galerie: Wölfe

    Ein friedliches und konfliktfreies Zusammenleben von Wolf und Mensch stehe und falle mit einem flächendeckenden Herdenschutz – auch in Gebieten, in denen bislang noch keine Wölfe leben. „Das umfasst Prävention durch Herdenschutzhunde und geeignete Zäune, Beratungsangebote und eine sofortige, unbürokratische Kompensation bei Wolfsübergriffen auf entsprechend geschützte Weidetiere“, so Pretzell weiter.

    Das sieht die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe genauso. „Herdenschutz ist Wolfsschutz“, betont Vorstandsmitglied Dietlinde Klein. Sie rechnet damit, dass künftig nicht zuletzt die wildreichen Mittelgebirge vermehrt von Wölfen besiedelt werden. Wolfsrudel in der Eifel, im Hunsrück oder im Schwarzwald? Was noch vor wenigen Jahren wie ein Märchen klang, könnte bald schon Wirklichkeit sein.

     

    Tiere


    Biber an der Havel

    Das Comeback der Biber: Wie Europas größtes Nagetier unsere Gewässer zurückerobert

    Sie erschaffen wertvolle Biotope und helfen sogar beim Klimaschutz: Die Gestaltungskraft der Biber ist verblüffend – aber nicht überall gern gesehen.

    Eine Blaumeise füttern ihre Küken im Brutkasten mit Insekten

    Meisensterben: Neue Erkenntnisse durch große Vogelzählaktion?

    Safari im Garten und auf dem Balkon: Der Nabu ruft zur „Stunde der Gartenvögel“ auf. Vom 8. bis 10. Mai sollen Vögel gezählt und die Ergebnisse gemeldet werden – jeder kann mitmachen.

    Buntspecht

    Was sind Deutschlands häufigste Wintervögel?

    Mit einer großen Zählaktion will sich der Nabu auch in diesem Winter wieder ein Bild von der Bestandsentwicklung der Gartenvögel machen. Vom 8. bis 10. Januar sind alle Naturfreunde dazu aufgerufen, Vögel zu zählen und zu melden.

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved