Wie eine Harpyie aus Nürnberg seine Art retten soll

Harpyien gehören zu den größten Greifvögeln der Welt und sind vom Aussterben bedroht. Vito, ein Männchen aus dem Nürnberger Tiergarten, wurde nach Südamerika geschickt, um für Nachwuchs zu sorgen.

Von Viola Diem
Veröffentlicht am 26. Jan. 2022, 16:10 MEZ, Aktualisiert am 29. Jan. 2022, 07:36 MEZ
Harpyie Vito - von Nürnberg nach Ecuador

Harpyien zählen zu den größten Greifvögeln der Erde. Sie sind in Lateinamerika zu Hause, doch verlieren mehr und mehr ihren Lebensraum. Vito ist 1991 im Tiergarten Nürnberg geschlüpft - und soll nun in der Heimat der Harpyien für Nachwuchs sorgen.

Foto von Sasan Amir

Es war die größte Reise in Vitos Leben: Von Europa flog er über den Atlantik, Venezuela und Kolumbien hinweg bis nach Ecuador. Mit reiner Flügelkraft wären die etwa 9.500 Kilometer zu weit gewesen – die männliche Harpyie legte die Strecke im Frachtraum eines Flugzeugs zurück. Am Flughafen in Quito erwartete ihn Joep Hendriks und fuhr ihn nach Otavalo, eine Kleinstadt zwei Stunden nördlich von Quito. Hier leitet Hendriks den Parque de Condor, Vitos neues Zuhause. 

An einem Tag Ende Oktober führt Hendriks durch seinen Vogelpark. Der gebürtige Niederländer ist Mitte 60, trägt einen Hut wie Indiana Jones, Fliegerbrille und eine Leder-Umhängetasche mit zerschnittenen Eintagsküken als Snacks für die Greifvögel. Vor Vitos Voliere bleibt Hendriks stehen. Sie befindet sich neben einem Hang, von dem aus man kilometerweit über ein Tal bis zu einer Bergkette der Anden blicken kann. Vito sitzt im hinteren Teil auf einem Holzbalken im Schatten. 

Wie für Harpyien typisch hat Vito einen grauen Hals und weißes Gefieder am Bauch. Wenn er aufgeregt ist, stellt er die imposanten Kopffedern wie die Zacken einer Krone auf. „Normalerweise ist er sehr zutraulich“, sagt Hendriks.  „Komm! Komm!“ Vito schraubt seinen Kopf ein Stück nach vorne, bleibt aber an Ort und Stelle. Um zu entzücken ist er nicht hier. Vito hat eine Mission: Nachwuchs zeugen, um seine Art vor dem Aussterben zu retten.

Der Bestand schrumpft bedrohlich

Harpyien zählen zu den größten Greifvögeln der Erde. Sie sind in Lateinamerika zu Hause, doch verlieren mehr und mehr ihren Lebensraum. Sie bauen ihre Horste bevorzugt in sehr hohen Urwaldbäumen wie Kapokbäumen, die bis zu 60 Meter groß werden – und in der Holzindustrie äußerst begehrt sind. Harpyien fressen Faultiere, kleine Affen und Leguane. Ausgewachsen brauchen sie fast ein Kilo Fleisch am Tag. 

Durch die Abholzung großer Waldflächen im Amazonasgebiet schrumpft das Angebot an Beutetieren; die Harpyien können ihre Jungen oder sich selbst nicht mehr ernähren. Immer wieder werden sie außerdem wegen ihrer schönen Federn gejagt, aus reiner Neugier geschossen oder gefangen genommen. 

Die Population wurde in den vergangenen Jahrzehnten bedrohlich reduziert. Wie viele der Vögel es noch gibt, können Wissenschaftler nur schätzen. Manche sprechen von 50.000, die Weltnaturschutzunion IUCN geht von immerhin mindestens 100.000 aus, listet Harpyien jedoch inzwischen als gefährdete Spezies. In El Salvador sind sie bereits ausgestorben. Auch in Paraguay und Argentinien wurden sie nicht mehr gesichtet. 

Zucht im Zoo für den Fortbestand

Vito hatte die Heimat seiner Artgenossen vor seiner Reise nie gesehen. Er ist 1991 im Nürnberger Tiergarten geschlüpft und hat die meiste Zeit seines Vogellebens dort verbracht. Sogar aus Norddeutschland und den Niederlanden kamen Besucher, um ihn zu bestaunen, denn auch in Zoos sind die imposanten Vögel selten. In Europa und den USA  leben insgesamt nur 17, auf der ganzen Welt, sollen es um die 180 sein. Das liegt auch am Nachwuchsmangel: Im Nürnberger Tiergarten wurde beispielsweise seit 20 Jahren keine Harpyie geboren. 

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    Vito in seinem neuen Zuhause in Ecuador. Hier lebt er nun mit Harpyien-Dame Olafa. 

    Foto von Sasan Amir

    2018 wurde bei einem Kongress in Brasilien zum Erhalt der Art beschlossen, die Reproduktion der Vögel in Zoos gezielt voranzutreiben. Auch Lorenzo von Fersen hielt auf der Konferenz einen Vortrag. Er ist der Kurator für Forschung und Artenschutz im Nürnberger Tiergarten. Er sagt: „Die Schutznahmen im natürlichen Lebensraum der Harpyien reichen nicht. Wir müssen eine ‚Back-Up-Population‘ aufbauen.“ So könne man die Tiere im Notfall in einem geschützten Gebiet wieder ansiedeln und das Aussterben in der Natur verhindern. 

    Eine Strategie, die dabei angeregt wurde: mehr Tiere verschiedener Zoos verpaaren. Gerade in Lateinamerika wird in den Zoos oft nur eine Harpyie gehalten, häufiger Männchen als Weibchen. 

    Gekommen, um zu balzen

    Hier kommt Vito ins Spiel. Im Nürnberger Tiergarten gab es keine passende Partnerin für ihn: Das einzige Weibchen im Park war schon vergeben – und seine Schwester. Also verbrachte Vito sein Leben in einer eigenen Voliere. Einzelhaltung ist für Harpyien kein Problem; bis auf die Paarungszeit leben sie auch in freier Wildbahn alleine. Doch Nachwuchs lässt sich auf diese Weise nicht zeugen. 

    Lorenzo von Fersen und sein Kollege Joep Hendriks schmiedeten den Plan, Vito mit Olafa zu verkuppeln – einer Harpyien-Dame aus dem Parque de Condor und ebenfalls Single. Die scheinbar naheliegende Option, Olafa mit einem Männchen aus Brasilien zusammenzuführen, erwies sich als kompliziert. Mehrmals hat Joep Hendriks das versucht. Doch Zoos seien in Lateinamerika häufig in privater Hand und sähen sich gegenseitig als Konkurrenz, erklärt Lorenz von Fersen. Kooperationen, wie sie in USA und Europa vorkommen, seien selten. 

    Also entschlossen sich Hendriks und Von Fersen für eine interkontinentale Zusammenarbeit zwischen Ecuador und Deutschland. Fast zwei Jahre lang organisierten sie Vitos Umzug. Hunderte Stunden Arbeit, Anträge seitens der Tierparks und der Deutschen Botschaft bei den Behörden waren nötig, bis das Landwirtschaftsministerium Ecuadors der Einreise zustimmte. Diese Zusage war allerdings an viele Vorgaben geknüpft. So musste das Tier vor der Abreise und nach der Ankunft jeweils mehrere Wochen lang in Quarantäne und mehrere medizinische Check-ups durchlaufen. 

    Am 11. August 2020 konnte es endlich losgehen. Vito wurde mit einem Netz gefangen und in seine Transportbox gesetzt. Die Sonderanfertigung aus Holz war etwa doppelt so hoch und lang wie ein großer Umzugskarton, mit Luftlöchern und einem System, durch das von außen Trinkwasser nachgefüllt werden konnte. Mehrere Hinweissticker, Harpyien-Fotos und die Nationalflaggen von Deutschland und Ecuador waren auf die Box geklebt, darüber der Schriftzug „Unidad para la conservación“ –  Vereint für den Naturschutz. 

    Vito sei die ganze Zeit über sehr entspannt gewesen, sagt Lorenzo von Fersen. Und er selbst? „Ich war nicht traurig, dass Vito uns verlässt“, sagt er, „eher froh, dass er jetzt nicht mehr alleine rumhocken muss.“ Von Fersen brachte Vito bis zum Sprinter, der den Vogel zum Flughafen nach Amsterdam fahren sollte, und wünsche dem Vogel auf Spanisch „Guten Flug“ und „Auf Wiedersehen“.

    Weibchen Olafa beim Fressen. Die Krallen der Weibchen sind größer als eine Bärenklaue und können mühelos Beute von mehreren Dutzend Kilo packen und wegschleppen. Auch für ein Männchen können sie gefährlich werden.

    Foto von Sasan Amir

    Neues Zuhause, neue Gesellschaft

    Im Parque de Condor angekommen, musste Vito drei Wochen auf der Quarantänestation verbringen, ehe er in seine Voliere konnte. Etwa 120 Vögel werden dauerhaft im Vogelpark gehalten: Der kleinste ist die Zwergeule, der größte der Andenkondor, Ecuadors Nationaltier. Joep Hendriks ist studierter Lehrer, hält aber schon seit seiner Kindheit Falken. 2007 eröffnete er den Park in Otavalo. Er ist einerseits eine Auffang- und Krankenstation für verletzte Vögel, die in der Regel nur kurz bleiben. Darüber hinaus nimmt Hendriks Vögel auf, die aufgrund schwerer Verletzungen nicht mehr ausgewildert werden können oder aus anderen Zoos oder privaten Züchtungen gespendet wurden. Sind Tiere erst geprägt, also schon als Küken an Menschen gewöhnt, ist es unwahrscheinlich, dass sie in freier Wildbahn überleben. Das ist auch bei Vito der Fall. 

    Hendriks gibt allen Tieren einen Namen. Meistens hat dieser mit ihrer Herkunft zu tun. So heißt einer der Riesenseeadler aus Russland Trotzki. Auch Vito wurde umbenannt. „Vito klingt ja wie ein Mafioso“, sagt Hendriks. Offiziell ist Vito nun Lorenzo, eine Hommage an den Verhaltensbiologen Von Fersen in Nürnberg. 

    Hendriks erinnert sich noch gut, wie der Neuling aus Deutschland erstmal seine neue Voliere betrat: zurückhaltend, aber nicht ängstlich. Olafa hingegen sei ganz aus dem Häuschen gewesen. „Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie sich sofort gepaart,“ glaubt Hendriks. „Sie hat Vito gesehen und gebettelt.“ „Da! Sie macht es wieder!“, ruft Hendriks und deutet auf die Voliere. Olafa wankt mit ausgebreiteten Flügeln auf Vito zu und stößt hohe, kurze Rufe aus, wie eine Möwe, die in Staccato schreit. 

    Die stärksten Greifvögel der Welt

    Im Gegensatz zu Vito ist Olafa eher schwierig im Umgang und gegenüber Menschen häufig aggressiv. Das sei auch der Grund, warum sie erst gründlich überlegt hätten, bevor sie Vito bei ihr einzuquartieren, erzählt Hendriks. Harpyien-Weibchen sind, wie es oft bei Greifvögeln der Fall ist, deutlich größer und schwerer als die Männchen. Sie wiegen bis zu neun Kilogramm, Vito brachte beim letzten Wiegen in Deutschland um die fünf Kilo auf die Waage. 

    Die Krallen der Weibchen sind größer als eine Bärenklaue und können mühelos Beute von mehreren Dutzend Kilogramm packen und wegschleppen. Das brachte der Art den Titel als stärkste Greifvögel der Welt ein. Es sei schon vorgekommen, dass Harpyien-Weibchen in Gefangenschaft das Männchen getötet hätten, weil sie sich nicht verstanden, sagt Hendriks. 

    Wollte Olafa wirklich einmal ihre schlechte Laune an Vito auslassen, könnte er ihr aber leicht entkommen, denn Olafa kann nicht fliegen. Als Küken ist sie aus dem Nest gefallen. Bis heute zieht sie den rechten Flügel hinter sich her wie eine Braut ihren Schleier. Der Schnabel war damals ausgerenkt und muss noch immer regelmäßig gefeilt werden, damit sie ihn schließen kann. Im Alltag dürfte ihr beides wenig zu schaffen machen. Selbst in freier Wildbahn fliegen Harpyien laut Joep Hendriks nur selten. „Den Großteil des Tages sitzen sie im Baum und bewegen sich nur für zwei Dinge. Erstens: zum Fressen. Zweitens: für Sex.“ 

    Beides wird den Vögeln in ihrer Voliere buchstäblich serviert. Sie ist für Olafa barrierefrei gestaltet, Treppen führen auf die Podeste. Nur manchmal sieht es aus, als würde Olafa losfliegen wollen – dann springt sie mit ausgebreiteten Flügeln nach vorne, kommt aber sofort wieder schwankend auf die Füße.

    Ihrer Fruchtbarkeit hat der Unfall nicht geschadet. Olafa kam aus einem Zuchtprogramm in Panama nach Ecuador und gilt als erfolgreichstes Zuchtweibchen weltweit. 16 Jungvögel hat sie in der Vergangenheit ausgebrütet. Alle wurden in Panama ausgewildert, jedoch schon kurz darauf von Menschen getötet. Mit Viro könnten Olafa jetzt also einen neuen Start wagen, denn mit 33 Jahren ist sie noch jung genug für die Paarung. Nur leider gibt es da ein Problem: Vito will nicht. Als Olafa an diesem Tag baggernd auf ihn zugeht, schaut er ungerührt zurück. So gehe das schon die ganze Zeit, berichtet Hendriks. „Olafa hat Lust, Vito hat Kopfschmerzen.“

    Die Harpyie

    Das seltsame Verhalten geschlechtsreifer Harpyien

    Vitos Paarungsträgheit ist nicht neu. Schon in Deutschland hatte Vito einem Harpyien-Weibchen die kalte Schulter gezeigt. Damals war er aus Nürnberg für einige Zeit in den Vogelpark Walsrode umgezogen. Sie hätten natürlich gehofft, dass es mit dem erfahrenen Weibchen Olafa etwas besser laufe, sagt Lorenzo von Fersen aus dem Tiergarten in Nürnberg. „Aber man muss auch ehrlich sagen, Harpyien sind bei der Paarung ein bisschen sonderbar.“ Bei der Partnerwahl seien sie anspruchsvoll. Im Grunde verständlich, denn sie leben zwar die meiste Zeit allein, bilden aber Partnerschaften fürs Leben – treffen sich immer mit dem gleichen Tier zur Paarung. Es sei also Glückssache, zwei Harpyien zusammenzubringen, sagt Von Fersen. „Es kann einfach sein, dass sie nicht harmonisieren.”

    Ob das bei Vito und Olafa der Fall ist, lässt sich noch nicht genau sagen. Alles, was die Paarung und Fortpflanzung angeht, scheint bei Harpyien gemächlich zu funktionieren. Erst nach etwa vier Jahren sind Harpyien geschlechtsreif. Haben sie in Freiheit einen Partner gefunden, dauert es nicht selten zwei Jahre, bis der Nachwuchs kommt. Auch wenn einmal zwei Eier gelegt werden, wird immer nur eines ausgebrütet. Das Jungtier bleibt jahrelang in der Obhut der Mutter, sucht sich mitunter erst nach sechs Jahren ein eigenes Territorium. 

    Es gibt noch mehr Herausforderungen dabei, die Fortpflanzung der Tiere anzukurbeln: „Wir wissen unglaublich wenig über Harpyien“, sagt Von Fersen. Weil die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum weit oben in den Bäumen leben, sei es schwer, sie zu beobachten. Nur wenige Projekte tun dies bisher. Gerade über das Paarungsverhalten und die Fortpflanzung der Harpyien sei wenig bekannt und die Forschung komme nur langsam voran. „Bis vor Kurzem dachten wir zum Beispiel noch, Harpyien hätten gar kein Balzverhalten.“ Dann sahen sie bei einem Harpyie-Paar in Nürnberg, dass sie schnäbelten – ein Zeichen der Zuneigung. 

    Im Grunde müsse man die Tiere rund um die Uhr beobachten, sagt von Fersen. Ziel müsse es sein, dass sich die Tiere so wohl wie möglich fühlen. Momentan fördern die Tierparks die Fortpflanzung ihre Harpyien-Paare in einer Art Try-and-Error-Verfahren. Im Tiergarten Nürnberg probierte man mit höheren Ästen und beheizten Stangen herum. Evita, Vitos Schwester, und ihr Männchen Jorge setzte man nicht direkt zusammen, sondern trennte sie durch eine Plexiglasscheibe. Sie konnten sich also sehen, hören und aneinander gewöhnen. „Als wir beobachteten, dass sie sich gegenseitig Ästchen anboten – auch Balzverhalten – haben wir die Scheibe entfernt“, sagt Von Fersen. Tatsächlich hat Evita bald darauf ein befruchtetes Ei gelegt, brütete über 50 Tage. Das Embryo starb jedoch im Dezember, wenige Tage vor dem Schlupf.

    Fruchtbar, aber träge

    Nicht nur die natürliche Fortpflanzung wird unterstützt, sondern auch die künstliche, Fachterminus „Assistierte Reproduktion”. Dafür arbeitet der Tiergarten Nürnberg mit Dominik Fischer zusammen, der auf künstliche Besamung und Sperma-Gewinnung bei Vögeln spezialisert ist. Fischer war Tier- und Oberarzt an der Klinik für Vögel, Amphibien und Fische der Justus-Liebig-Universität in Gießen, wo er noch immer die Arbeitsgruppe Reproduktion leitet, und war einer der Ärzte, die Vito vor seinem Abflug durchcheckten. Im Jahr vor der Abreise untersuchte er außerdem Vitos Geschlechtstrakt und seine Spermienqualität, um seine Fruchtbarkeit zu prüfen.

    Dafür musste er zunächst an das Sperma kommen. „Bei Falken oder Steinadlern funktioniert es recht zuverlässig mit einer Massage des unteren Bauchbereichs“, erklärt Fischer. Als die Methode aber bei Vito und anderen Harpyien-Männchen angewandt wurde, passierte nichts. Also versuchte Fischer es mit elektrostimulierter Spermagewinnung. Dieses Verfahren, bei dem über eine kleine Sonde mit geringer Spannung eine Kontraktion des Samenleiters auslöst wird, ist seit einigen Jahre erprobt und war bereits bei über 160 Vogelarten erfolgreich. „Wir waren also optimistisch, dass es auch bei Harpyien klappt“, erzählt Fischer.

    „Olafa hat Lust, Vito hat Kopfschmerzen", sagt Joep Hendriks. Bislang haben die beiden noch keinen Nachwuchs gezeugt. 

    Foto von Sasan Amir

    Und es klappte. 2019 gelangen Fischer mehrere Entnahmen. „Wir konnten jedes Mal Flüssigkeit gewinnen“, so Fischer. „Allerdings haben wir festgestellt, dass sich darin keine beweglichen Spermien befinden.“ Ist Vito krank oder unfruchtbar? Nein. Fischer und seine Kollegen beobachteten das Phänomen auch bei anderen Junggesellen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Spermienqualität verbessert, wenn sie mit einem Harpyien-Weibchen zusammengesetzt werden“, sagt Fischer.

    Doch auch bei den verpaarten Harpyien, die Fischer untersuchte, war die Spermaqualität häufig schlecht. Seine These: Das Sperma von biologisch monogam lebende Männchen, zu denen Harpyien, aber auch beispielsweise Großpapageien gehören, hat eine schlechtere Qualität und kürzere Verfügbarkeit, weil die Tiere es sich leisten können. Sie können sich mehrfach mit dem Weibchen paaren und müssen nicht fürchten, dass zwischenzeitlich ein anderes Männchen ihre Eier befruchtet. Bei Schwarmvögeln hingegen, deren Weibchen von mehreren Männchen begattet werden, ist die Spermaqualität besser.

    Hoffnung für Vito und Olafa

    Für den Erhalt der Harpyien sind all diese Erkenntnisse wertvoll. Noch stehen die Verfahren am Anfang, aber in Zukunft könnte mit dem Sperma eine Art Harpyien-Gendatenbank anlegen. Wenn es um die Spezies bald noch schlechter stehen sollte, könnte so bei Pärchen, bei denen es auf natürlichem Weg nicht klappen will, mit künstlicher Befruchtung nachgeholfen werden.

    Bei Vito und Olafa will man die Dinge erstmal laufen lassen wie bisher. Falls es doch noch mit einem Küken klappen sollte, könnte man den Nachwuchs in einigen Jahren nach Nürnberg überführen, damit er dort wieder verpaart wird. Sollte Vito Olafa weiterhin ignorieren, sei vorstellbar, ein anderes Weibchen in Lateinamerika für ihn zu suchen. Aber noch seien ja nicht mal zwei Jahre um, sagt Joep Hendriks. Und kürzlich habe Vito angefangen, Olafa zu verteidigen, als der Tierarzt sie für eine Untersuchung mitnehmen wollte. Es gibt also noch Hoffnung.

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