Kampf um Lebensraum: Wie diese 3 Maßnahmen den Konflikt zwischen Mensch und Elefant beenden

Einer im Garten, einer auf dem Schulweg, einer auf dem Feld – Elefanten grasen in Indien dort, wo Menschen leben. Das führt zu verheerenden Konflikten. Doch es gibt vieles, was wir für ein friedliches Miteinander tun können.

Von Viktoria Schütze
Veröffentlicht am 5. Mai 2023, 15:29 MESZ
Indischer Elefant mit Hand auf dem Rüssel

Wie können Mensch und Elefant friedlich koexistieren? 

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Der asiatische Elefant ist das zweitgrößte Säugetier der Erde, gleich nach seinem afrikanischen Verwandten. Dass sein Lebensraum viel Platz einnimmt, ist selbstverständlich. Doch es gibt ein Problem: den Menschen. Häuser, Straßen, Gärten und Felder, die essenziell für den Menschen sind, nehmen ebenfalls enorme Flächen ein. In Indien kommt es deshalb immer wieder zu tragischen Zusammenstößen, die teils sogar tödlich für Mensch oder Elefant enden.

Laut der European Space Agency leben etwa 20 Prozent der gesamten Weltbevölkerung in der Nähe des natürlichen Lebensraums des asiatischen Elefanten. Während der afrikanische Elefant meist in den Weiten der menschenleeren Savannen beheimatet ist, leben in Indien die Menschen dicht gedrängt an dem Habitat der Dickhäuter. Asiatische Elefanten erreichen ein Gewicht von fünf Tonnen und eine Größe von bis zu drei Metern, was sie zu gefährlichen Nachbarn für den Menschen macht. 

Wie heftig ein Zusammentreffen ablaufen kann, zeigte eine Tragödie aus dem indischen Bundesstaat Westbengalen im Jahr 2017. Mit Feuerwerkskörpern und brennenden Teerklumpen hatten die Dorfbewohner versucht, eine Elefantenkuh und ihr Junges aus dem Dorf zu vertreiben, wie die Stuttgarter Nachrichten berichten. Die massigen Tiere zerstörten die Ernteflächen und damit die Lebensgrundlage der dort lebenden Menschen. Die gigantischen Elefanten sind auch an sich gefährlich: Laut den Angaben der Regierung sterben jährlich 300 Menschen dort an einem Angriff durch einen Elefanten. 

Es liegt nahe, dass diese gewaltvollen Begegnungen aber nicht nur für den Menschen tragische Folgen haben. Laut dem IUCN (International Union for Conservation of Nature) wird der Bestand des asiatischen Elefanten als „stark gefährdet“ eingestuft. Die Tiere zu verletzen oder gar zu töten, könnte letztendlich das Ende einer ganzen Spezies bedeuten. Für beide Seiten ist es dringend notwendig, dass ein Weg für eine harmonische Koexistenz gefunden wird. Und dafür gibt es bereits viele Ansätze.

Mensch und Elefant kommen sich oft gefährlich nah.

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Elefanten und Menschen haben eine lange Vorgeschichte

Die Konflikte zwischen Elefanten und Menschen sind nicht neu, sondern bestehen schon seit vielen Jahrhunderten. Der Elefant wurde im Laufe der Geschichte vielfach als Sklave des Menschen missbraucht. Bis ins 18. Jahrhundert wurden beispielsweise Kriegselefanten in Indien in den Kampf geschickt. Die dressierten, meist in freier Wildbahn gefangenen Tiere, sollten mit ihrer Masse den Feind einschüchtern und als effektive Waffe dienen.

Nicht nur im Kampf, sondern auch im Alltag will der Mensch auch heute noch von der Kraft der Tiere profitieren. Aktuell werden laut der Plattform umweltnetz-schweiz.ch noch immer asiatische Elefanten in ihrer Heimat als Last- und Arbeitstier eingesetzt. Vor allem Holz müssen sie schleppen – und werden damit indirekt für die Abholzung ihres eigenen Lebensraums genutzt. Schon seit 4.000 Jahren sei es in Indien gängig, dass der Elefant als Reit- und Lasttier gebraucht wird. Das belegten uralte Malereien und Skulpturen. 

Der Elefant gilt im Hinduismus, der größten Religionsgemeinschaft Indiens, als heilig. Ganesha, ein Gott mit einem Elefantenkopf, spielt in dieser Religion eine ganz zentrale Rolle. „Es gibt kein hinduistisches Ritual, in dem Ganesha nicht zuerst um Beistand gebeten wird. Bei Einschulungen, Geschäftsabschlüssen, vor Abschlussexamen oder Eheschließungen ruft man ihn an“, berichtet der Deutschlandfunk. Doch gerade deshalb werden etwa 14.000 Elefanten auch heute noch in Indien in Gefangenschaft (meist unter miserablen Bedingungen) gehalten und auch in religiösen Riten eingebunden. 

Wildlebende Elefanten dagegen werden oft von den Menschen vertrieben. Und das hat verschiedene Gründe.

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    Elefanten werden auch heute noch in Gefangenschaft gehalten.

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    Elefant und Mensch: Erste Schritte zum Frieden

    Wie drastisch die Konflikte zwischen Elefanten und Menschen sind, wissen Forscher wie Prithiviraj Fernando, der in der Ausgabe 5/23 von National Geographic über die facettenreichen Geheimnisse der Elefanten berichtet. Er forscht seit über 30 Jahren zu den asiatischen Elefanten, vorrangig auf Sri Lanka. Dort leben Schätzungen zufolge 6.000 dieser Tiere, die zu 70 Prozent ihren Lebensraum mit den Menschen teilen.

    Gemeinsam mit seiner Frau leitet Fernando das gemeinnützige Centre for Conservation and Research in Sri Lanka. Sie halten fest, welche Verletzungen die Elefanten bei einer Begegnung mit einem Menschen davontragen und erforschen die Beziehungen der Tiere untereinander. Wie der Wissenschaftler in der Ausgabe 5/23 von National Geographic angibt, nimmt ein asiatischer Elefant mehr als 100 Kilo Nahrung am Tag zu sich. Die Tiere durchstreifen deshalb oft ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern. Dabei kommt es zwangsläufig zu Zusammenstößen mit Menschen. Gerade Elefantenbullen zerstören die Ackerländer der Menschen, um schnell an wertvolle Nahrung zu gelangen. Die gehaltvolle Ernte der Bauern stärkt die Tiere immens, was ihnen einen Vorteil im Gegensatz zu anderen Männchen verschafft. Allerdings kann ein solcher Raubzug für die Elefantenbullen mit schweren Verletzungen – im Ernstfall sogar mit dem Tod – enden. Denn mit allen Mitteln, vor allem Feuerwerkskörpern und Gewehren, wehren sich die Menschen gegen die unerwünschten Besucher, die ihre Lebensgrundlage bedrohen. 

    Doch Prithiviraj Fernando weiß, dass all das nichts gegen Elefanten ausrichten kann. In der Ausgabe 5/23 von National Geographic berichtet er davon, dass diese Waffen die Tiere unnötig verletzen und sie noch aggressiver machen. Damit Elefanten von den Dörfern ferngehalten werden können, helfe laut dem Experten nur eines: ein Elektrozaun. Wenn Mensch und Elefant miteinander koexistieren sollen, sei es laut Fernando nicht möglich, einen Elefanten im Garten zu haben. Man müsse Maßnahmen zur „feinen Abgrenzung“ der Tiere ergreifen. Das Centre for Conservation and Research empfiehlt solarbetriebene Elektrozäune, die nur kurze Stromimpulse abgeben. Der Zaun würde die Elefanten so abschrecken, ohne ihnen zu schaden. 

    Damit Elefanten und Menschen friedlich miteinander leben können, sollte eine Begegnung im besten Fall vermieden werden. Im indischen Bundesstaat Tamil Nadu hat sich das ein spezielles Frühwarnsystem beispielsweise bereits bewährt: Die etwa 120 dort lebenden Elefanten werden von der Gemeinde überwacht. Mit Anrufen, Textnachrichten und ferngesteuerten Warnleuchten werden die Menschen gewarnt, wenn sich die Dickhäuter nähern. Zwar zerstören die gigantischen Tiere weiterhin Gärten und Felder, aber die Zahl der tödlichen Zusammenstöße ist stark gesunken – kein einziger wurde in den letzten beiden Jahren dokumentiert.

    Auch internationale Tierschutzprogramme versuchen, die Konflikte zwischen Menschen und Elefanten zu entschärfen. Der WWF plant beispielsweise Wanderkorridore für die asiatischen Dickhäuter zu schaffen und bereits bestehende Wege der Elefanten zu schützen. So soll ihre Route  gezielt gesteuert und von den Menschen weggelenkt werden. Der WWF schreibt dazu: „Das soll – auf lange Sicht gesehen – den Erhalt der Elefanten dort garantieren.“

    Elefanten und Menschen müssen sanft abgegrenzt werden.

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    Elefanten sind wichtige Akteure 

    Elefanten gelten als wichtige Akteure in ihren Habitaten. Da sie täglich Unmengen an Früchten verzehren, verteilen sie durch ihre Ausscheidungen zahlreiche Samen auf dem Boden. Weil sie so groß und schwer sind, zertreten sie auf ihrem Weg Gestrüpp und sorgen so dafür, dass mehr Sonnenlicht den Waldboden erreicht. Junge Bäume können so besser wachsen.

    Doch der asiatische Elefant gilt als stark gefährdet. Da er unersetzbar in seinem Ökosystem ist, ist sein Schutz sehr wichtig. Damit auch die Menschen, die in der Nähe der asiatischen Elefanten wohnen, keine Angst vor den Dickhäutern haben müssen, sind spezielle Maßnahmen wie Elektrozäune, Frühwarnsysteme oder der Ausbau bestehender Wanderkorridore der Elefanten dringend notwendig.

    Das National Geographic Magazin 5/23 ist seit dem 20. April im Handel erhältlich.

    Foto von National Geographic

    Weitere spannende Fakten rund um die gefährdeten Dickhäuter Sri Lankas lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von National Geographic. Verpassen Sie keine Ausgabe mehr: Sichern Sie sich die nächsten 2 Ausgaben zum Sonderpreis!

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