Umarmen und knutschen: Viele Menschen gehen falsch mit ihren Hunden um

Menschen lieben Hundvideos auf Instagram & Co. In der Realität sind die Szenen jedoch oft weniger niedlich, als es aussieht – denn was die Tiere fühlen, deuten viele falsch. Das hat schwerwiegende Folgen.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 19. März 2024, 09:41 MEZ
Ein Mann hält einen Hund fest im Arm.

Kuscheln und herumtollen mit dem eigenen Hund gehört für viele Hundehalter*innen dazu – doch können sie auch immer die Reaktion ihres Tieres richtig abschätzen?

Foto von vitaliymateha / Adobe Stock

Haustiere wie Hunde sind für viele Menschen schon lange nicht mehr nur Privatvergnügen. Viele Tierhalter*innen laden Videos ihrer Vierbeiner in den sozialen Medien hoch und versuchen, mit besonders süßen Interaktionen Klicks zu generieren. Dabei wird umarmt, geküsst und geneckt – die Tiere reagieren wiederum mit dem Ablecken des Gesichts, blinzeln oder lächeln.

Hinter diesen vermeintlich positiven Reaktionen versteckt sich häufig allerdings ein gestresster Hund, sagt ein Forschungsteam um die irische Tierverhaltens-Expertin Elizabeth Ann Walsh. In ihrer neuen Studie, die im Fachmagazin Applied Animal Behaviour Science erschienen ist, zeigen die Forschenden: Sowohl von den Zuschauenden, die die Videos liken, als auch von den Halter*innen selbst wird das Verhalten der Hunde oft missverstanden.

Unwissen der Menschen führt zu Stress bei Hunden

Zu seinem Ergebnis kam das Forschungsteam durch die Sichtung und Auswertung von 190 Videos aus den sozialen Medien, in denen Hundehalter*innen mit ihren Haustieren interagieren. Dabei legten die Forschenden den Fokus auf besonders beliebte Videos, in denen Menschen mit ihren Hunden schmusen oder spielen, und die von Nutzer*innen besonders positiv wahrgenommen werden.

19 Gesten, über die Hunde mit uns sprechen
Genau wie menschliche Babys nutzen auch Hunde nonverbale Kommunikation, um zu bekommen, was sie wollen.

Darin legen Hunde laut der Studie erschreckend oft Verhaltensweisen an den Tag, die Furcht oder Unbehagen ausdrücken, von den Halter*innen aber falsch gedeutet werden. Dazu gehören Verhaltensweisen wie das Wegdrehen des Kopfes, Blinzeln, Lippen-/Nasenlecken, Gähnen und das Ablecken des Menschen. Sie wirken süß, fallen aber unter die sogenannten Beschwichtigungssignale und drücken Unbehagen, Stress und Angst aus.

Die Menschen in den Videos, so die Forschenden, nehmen diese Stressindikatoren oft nicht als solche wahr – sondern werten sie als süße Reaktion auf ihre Liebkosungen. „Menschen neigen dazu, ihre Zuneigung durch Berührungen, Umarmungen, Reiben, Küssen, Anlehnen, Gesten und Blickkontakt zu zeigen“, heißt es in der Studie. Hunde nehmen genau diese Verhaltensweisen aber oft ganz anders wahr. Beispielsweise sei das Auflegen der Pfoten auf ein anderes Tier unter Hunden ein Zeichen von Dominanz – Menschen fassen ihr Tier so aber oft aus Zuneigung an. Reaktionen wie das Ablecken des Gesichts oder Gähnen seitens der Hunde seien wiederum Zeichen der Unterwürfigkeit und Hinweise auf ihr Unbehagen.

Missverstandene Hunde: Tierheime werden voller

Dass so viele Menschen nicht bemerken, wenn Hunde sich unwohl fühlen, ist laut den Forschenden besorgniserregend. Denn wenn Menschen die Signale der Hunde falsch deuten und ihr Verhalten nicht anpassen, können die Hunde in Ausnahmefällen auch aggressiv werden, weil sie das Verhalten der Menschen nicht einordnen können. Die Autor*innen wünschen sich mehr Aufklärung für Tierhalter*innen: Menschen müssten lernen, wie Hunde kommunizieren – gerade in Familien mit Kindern.

BELIEBT

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    Die Folgen des falschen Tierverständnisses sind aktuell deutschlandweit bemerkbar: Tierheime werden überflutet von nicht mehr gewollten Haustieren. Darunter auch viele Hunde, die von Menschen angeschafft wurden, die sich zu wenig mit ihnen auseinandergesetzt haben – und mit den Tieren letztendlich nicht zurechtkamen. 

    Der Tierschutzverein Berlin schlägt Alarm: Tierheime seien überfüllt mit verhaltensgestörten Tieren, die von den Menschen falsch behandelt wurden. Kathrin Herrmann, Berlins Landestierschutzbeauftragte, erklärt, dass „Tierliebe ohne Sachkunde zu schwerwiegenden Haltungsfehlern und unnötigem Tierleid führt.“ Auch sie wünscht sich: Mehr Aufklärung der Menschen und mehr Bedacht beim Zulegen eines Hundes.

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