Überraschende Vegetarier: Diese Tierarten tanzen aus der Reihe
Die meisten Haifisch-, Spinnen- und Bärenarten sind Prädatoren und fressen regelmäßig Beutetiere. Doch es gibt auch Ausnahmen mit einem pflanzlichen Speiseplan.
Der Pandabär ist für seine vegetarische Ernährung bekannt – unterscheidet sich dadurch aber extrem von anderen Bärarten.
Jährlich entdecken Forschende mehr als 10.000 neue Tierarten. Jede einzelne davon ist angesichts des aktuellen Massensterbens eine kleine Sensation für sich. Trotzdem faszinieren einige davon etwas mehr als andere – beispielsweise aufgrund ihrer überraschenden Lebensweise oder einem Essverhalten, das so gar nicht zu dem gängigen Bild ihrer Spezies passt. So gibt es einige Arten, die auf den ersten Blick eigentlich den Anschein von Prädatoren erwecken – obwohl ihr Speiseplan zu großen Teilen oder gar vollständig aus Pflanzen besteht.
Menschen-Zähne und Hunger auf Obst: Ein Piranha namens Sauron
Ein männlicher Sauron-Piranha. Sein runder Körperbau und der senkrechte, schwarze Streifen erinnerten die Forschenden an einen namensgebenden Fantasy-Charakter.
Fleischfressende kleine Fische, die in großen Schwärmen selbst größere Tiere in Windeseile Stück für Stück verschlingen: Die Legenden und Vorurteile um Piranhas könnten blutrünstiger nicht sein. Tatsächlich erfolgen Angriffe der südamerikanischen Süßwasserfische nur äußerst selten. Und wenn, dann griffen bisher eher einzelne Tiere an, die ihre Brut verteidigten. Trotzdem schürten Reiseberichte von Naturforscher Alexander von Humboldt und dem US-amerikanischen Politiker Theodore Roosevelt das negative Bild der Fische bis heute.
Forschende der Universität Federal do Amazonas haben in einer aktuellen Studie einen neu entdeckten Piranha beschrieben, der noch weniger mit diesen Schauermärchen gemein hat als seine fleischfressenden Verwandten: Myloplus sauron. Mit seinem Aussehen erinnert der Fisch zwar tatsächlich an das Auge der gleichnamigen, bösen Figur aus Herr der Ringe, bewegt sich jedoch äußerst friedfertig durch die Flüsse Südamerikas. Die Wissenschaftler*innen ordnen ihn einer Gruppe der streng vegetarischen Pacus zu. Pflanzliche Kost – wie etwa reife Baumfrüchte oder Nüsse, die ins Wasser fallen – zerkauen sie mit Hilfe ihrer Zähne, die stark an die von uns Menschen erinnern.
Unterwasser grasende Meerechsen: Die Veganer unter den Leguanen
Eine Meerechse klettert nach ihrem Tauchgang im Meer wohlgenährt über Basaltsteine an der Küste der Galapagosinseln.
Im Gegensatz zu ihren Leguan-Verwandten leben die ausschließlich auf den Galapagosinseln heimischen Meerechsen (Amblyrhynchus cristatus) streng vegetarisch. Auf ihrer Nahrungssuche entlang der Küsten begeben sich die Tiere regelmäßig ins kühle Nass des Pazifiks. Während ihrer bis zu 30 minütigen Tauchgänge suchen sie in bis zu 30 Metern Tiefe nach Nahrung. Ihre Leibspeise: Algen.
Im Laufe der Evolution haben die Körper der Echsen Wege gefunden, mit ihrer außergewöhnlichen Lebensweise umzugehen. Überschüssiges, während dem Fressen aufgenommenes Salz wird über Drüsen an ihren Nasenlöchern ausgeschieden. Zudem schützt sie ihre dunkle Haut. Dank dieser können die Sonnenanbeter ihre Körpertemperatur zügig wieder regulieren – und die aufgenommene Nahrung verdauen. Bis sie sich selbst in die Nähe der Küste wagen, fressen Jungtiere in den ersten Monaten ihres Lebens den Kot von ausgewachsenen Leguanen. Dadurch nehmen sie auch die Bakterien auf, die sie schließlich zur eigenen Verdauung von Algen benötigen. Oft trauen sich die Tiere erst im Alter von bis zu 2 Jahren selbst ins Meer – bis dahin nutzen sie die Ebbe, um mit halbwegs trockenen Füßen nach Algen zu suchen.
Großer Hunger, kleines Gehirn und viel Gemütlichkeit: Der nimmersatte Pandabär
Der Pandabär ist für seine vegetarische Ernährung bekannt – unterscheidet sich dadurch aber extrem von anderen Bärarten.
Obwohl sich auch einige andere Bärenarten zu großen Teilen vegetarisch ernähren, treibt es der Große Pandabär (Ailuropoda melanoleuca) auf die Spitze: Rund 99 Prozent seiner Nahrung machen Bambussprossen oder -blätter aus. Die etwa 60 verschiedenen Bambusarten auf seinem Speiseplan enthalten jedoch recht wenige Nährstoffe. Um Hunger und Nährstoffbedarf zu stillen, müssen sie deshalb bis zu 40 Kilogramm Bambus pro Tag zu sich nehmen.
Um diese Menge an pflanzlicher Kost zu verdauen, haben die Pandas ihren Stoffwechsel im Laufe der Evolution angepasst und heruntergefahren. Die großen Bären verbrauchen rund 40 Prozent weniger Energie als vergleichbare Säugetiere. Die Verdauung der Pflanzenkost hat allerdings auch ihren Preis: Gemütlichkeit ist für Pandas keine Option, sondern ein Muss – in jeglicher Form. Im direkten Vergleich zu anderen Bären bewegen sie sich nicht nur deutlich weniger, auch Leber, Niere, Schilddrüse und Gehirn sind eher unterentwickelt oder laufen auf Sparflamme.
Lebensraum als Hauptnahrungsquelle: Der flexitarische Schaufelnasen-Hammerhai
Zuhause in den Seegraswiesen Nord-, Mittel- und Südamerikas hat der Schaufelnasen-Hammerhai hier auch seine Hauptnahrungsquelle gefunden.
Wenn hungrige Haie sich auf Nahrungssuche begeben, geht es oftmals blutig zu. Die meisten der über 500 Haiarten ernähren sich von anderen Fischen oder Wirbeltieren. Entlang der Küsten von Mexiko, Kalifornien, Brasilien und Miami tummeln sich jedoch auch Exemplare einer Art, deren Nahrungssuche sich deutlich von anderen Haien unterscheidet: Der bis zu einem Meter lange Schaufelnasen-Hammerhai (Sphyrna tiburo). Der lebt nicht nur in Seegraswiesen – er hat sie sogar zum Fressen gern.
Zwar stehen zu einem gewissen Anteil auch andere Meeresbewohner auf dem Speiseplan des Hais, dennoch machen Pflanzen meist mehr als 60 Prozent seiner Nahrung aus. Früher wurde vermutet, dass die Haie diese auf der Suche nach Beute eher als Beifang aufnehmen. Forschende aus Kalifornien und Florida konnten in einer Studie jedoch das Gegenteil nachweisen. Sie boten Haien sowohl tierische Nahrung als auch Seegras an, das mit einem Kohlenstoffisotop als chemischer Marker versehen wurde. Bluttest ergaben schließlich, dass sie deutlich mehr pflanzliche Nährstoffe zu sich nahmen.
Veggie-Spinne auf Spießrutenlauf: Bagheera kiplingi lebt für ihre Leibspeise
Eine ausgewachsene Bagheera kiplingi mit ihrer Leibspeise auf einer Akazie. Charakteristisch für die der Salticidae zugehörigen Tiere sind ihre großen, nach vorne gerichteten Augen.
Von kleinsten Fliegen, die sich in ihren Netzen verfangen, bis hin zur Jagd auf Wirbeltiere — die meisten der weltweit über 40.000 Spinnenarten zählen aus gutem Grund zu den Raubtieren. Sie erlegen ihre Beute entweder aktiv selbst oder fressen als Aasfresser bereits verendete Tiere. In den letzten Jahren wird der Wissenschaft allerdings immer mehr bewusst, dass die Ernährung von Spinnen deutlich diverser ist als lange Zeit angenommen. So setzen manche von ihnen regelmäßig auf pflanzliche Kost – in gut 60 Prozent der Fälle konnte dies der Gruppe der tagaktiven Salticidae zugeschrieben werden.
Zu ihnen gehört auch die 4 bis 6 Millimeter kleine Bagheera kiplingi: Als einzige bislang bekannte Spinnenart ernährt sie sich bis zu 90 Prozent rein pflanzlich. Ihr Hauptnahrungsmittel sind sogenannte Belt’sche Körperchen. Dabei handelt es sich um von Akazien gebildete, eiweiß- und fetthaltige Futterkörper. Um an diese zu gelangen, wird die in Mittelamerika heimische Springspinne regelmäßig selbst zur Gejagten – und muss sich gegen die auf den Akazien lebenden Ameisen behaupten. Diese teilen nur ungern und verteidigen ihre Leibspeise gekonnt. Gegen die mit Säure bewaffneten Feinde in Überzahl kommt Bagheera nur schwer an. Um ihren Hunger zu stillen, begibt sich die kleine Spinne deshalb regelmäßig auf einen regelrechten Spießrutenlauf.