Nager statt Nüsse: Erdhörnchen fressen Fleisch
Kalifornische Erdhörnchen wurden erstmals dabei beobachtet, wie sie Wühlmäuse jagen und fressen. Das Verhalten überrascht Forschende und zeigt, dass die Tiere eine weitaus flexiblere Ernährung haben, als bisher angenommen.
Mittagessen: Dieses Kalifornische Ziesel verschleppt nach der Jagd eine tote Wühlmaus, um sie zu verspeisen.
Bisher dachte man, Hörnchen seien hauptsächlich Vegetarier. Das Bild vom Nüsse und Samen sammelnden Eichhörnchen hat vermutlich jede*r im Kopf. Erdhörnchen wurden auch schon mal beim Verspeisen von Insekten oder Vogeleiern beobachtet. Aber dass die Tiere blutrünstige Jäger sind, dachte niemand – bis jetzt.
Im Sommer 2024 haben Forschende erstmals mitbekommen, wie Kalifornische Ziesel (Otospermophilus beecheyi), eine Erdhörnchen-Art an der Westküste der USA, Wühlmäuse jagten, töteten und fraßen. Bilder, Videos und eine Studie, die in der Zeitschrift Journal of Ethology erschien, liefern erste Beweise für das neue carnivore Fressverhalten.
Aufnahmen zeigen neues Fressverhalten
Die bahnbrechende Entdeckung gelang im Rahmen eines Langzeitprojekts zu Erdhörnchen im Briones Regional Park in Kalifornien. Seit 2012 leiten Sonja Wild, Verhaltensbiologin an der UC Davis, und Jennifer E. Smith, Biologie-Professorin an der UW-Eau Claire in Wisconsin, die Beobachtungen. Im Sommer 2024 kamen Studierende mit einer Aufnahme auf Wild zu, die ein merkwürdiges Verhalten der Kalifornischen Ziesel zeigte.
„Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich die Videoaufnahmen sah“, sagt Wild. Nach zwölf Jahren der Erdhörnchen-Beobachtung zeigten diese, wie ein Kalifornisches Ziesel einer Wühlmaus hinterherlief, sie angriff, verschleppte und an einem ruhigen Ort verspeiste.
„Das war schockierend“, sagt Smith, Hauptautorin der Studie. „Wir hatten dieses Verhalten noch nie zuvor gesehen.“ Ein Einzelfall blieb es allerdings nicht: Zwischen dem 10. Juni und dem 30. Juli 2024 verfolgte das Forschungsteam fast täglich mindestens eine Hörnchenjagd. „Sobald wir darauf achteten, entdeckten wir das Verhalten überall“, sagt Wild.
Im Beobachtungszeitraum kam es zu 74 Interaktionen zwischen Erdhörnchen und Wühlmäusen, in 42 Prozent dieser Fälle war eine aktive Jagd involviert. Mithilfe von Fotos, Videos und direkten Beobachtungen dokumentierte das Team Erdhörnchen jeden Alters und Geschlechts, die Wühlmäuse jagten, fraßen und um Beute konkurrierten.
Ein Erdhörnchen frisst eine Wühlmaus. Eigentlich ernähren sich die Tiere hauptsächlich herbivor, also pflanzlich.
Warum fressen Hörnchen Säugetiere?
Eigentlich ernähren sich die etwa 30 bis 50 Zentimeter langen Kalifornischen Ziesel hauptsächlich von Nüssen, Samen, Früchten, Pilzen oder Wurzeln. Was bewegte die Tiere dazu, plötzlich Säugetiere zu fressen? Die Forschenden machen einen explosionsartigen Anstieg der Wühlmäuse-Population im Briones Regional Park im Sommer 2024 dafür verantwortlich. Da sich die Jagd der Erdhörnchen ausschließlich auf diese Säugetiere beschränkte, folgern die Forschenden, dass sie ihr Fressverhalten flexibel anpassen – je nachdem, welche Nahrung gerade am besten verfügbar sei.
„Die Fähigkeit der Kalifornischen Ziesel, ihr Verhalten an veränderte Nahrungsverfügbarkeit anzupassen, könnte ihnen helfen, in stark von Menschen geprägten Umgebungen zu überleben“, erklärt Wild. Smith ergänzt, dass viele Arten Nahrungsopportunisten seien, darunter auch Waschbären und Kojoten.
Forschende wollen das Verhalten genauer untersuchen
Im nächsten Sommer wollen die Forschenden zurückkehren und untersuchen, wie verbreitet das Jagdverhalten unter Hörnchen ist. Sie wollen schauen, ob Eltern es an ihre Jungen weitergeben, und welche Auswirkungen die Jagd auf den Reproduktionserfolg der Hörnchen hat.
Es gebe noch viel zu lernen und zu entdecken, sagt Smith. „Die Tierwelt überrascht uns immer wieder.“