Einzigartige Sichtung: Warum dieser Anglerfisch für weltweite Begeisterung sorgt
Vor den Kanarischen Inseln hat ein Forschungsteam einen Buckligen Anglerfisch knapp unter der Wasseroberfläche gefilmt. Auf Social Media gingen die Bilder viral. Für die Wissenschaft sind sie eine Rarität.

Der Bucklige Anglerfisch (Melanocetus johnsonii) lebt in der Tiefsee. Sichtungen in freier Wildbahn sind extrem selten.
Am 26. Januar 2025 hat ein Forschungsteam im Meer vor den Kanarischen Inseln etwas beobachtet, das noch nie zuvor dokumentiert wurde: Einen Anglerfisch, der langsam an die Wasseroberfläche schwimmt.
„Es war, als würde ein Traum wahrwerden“, sagt David Jara Bogunvà, der als Fotograf für die Non-Profit-Organisation Condrik Tenerife arbeitet. „Als Kind hatte ich dieses Buch über Kreaturen der Tiefsee und ich habe die Illustrationen darin geliebt. Mir erschienen sie völlig verrückt, die Tiere sahen nicht echt aus.“
Nun aber sind Jara und seine Kolleg*innen an Bord der Glaucus so einer Kreatur ganz nah gekommen. Etwa eine Stunde lang beobachteten sie den Anglerfisch – eine Spezies, die eigentlich in rund 200 bis 2.000 Metern Tiefe lebt – und machten dabei extrem seltene Aufnahmen.
Bucklige Anglerfische (Melanocetus johnsonii) sehen monströs aus: mit einem weit geöffneten Maul, das den Blick auf scharfe Zähne freigibt, und einem Leuchtorgan am Kopf, mit dem sie ihre Beute anlocken. Gefährlich sind die Tiefseeungeheuer aber nur für kleine Fische. Die Weibchen erreichen im Schnitt eine Länge von 18 Zentimetern, die Männchen werden sogar nur etwa drei Zentimeter groß.
Galerie: Ein verborgenes Tiefseeparadies

Das sensationelle Video des Meeresmonsters hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und Expert*innen überschlagen sich in ihrer Begeisterung über die ungewöhnliche Sichtung.
„Als ich die Aufnahmen zum ersten Mal sah, habe ich ehrlich gesagt nicht geglaubt, dass sie echt sind“, sagt Kory Evans, Meeresbiologe an der Rice University in Houston, Texas. „Ich dachte, sie wären KI-generiert.”
„Solche Tiefseebewohner sieht man extrem selten so nah an der Oberfläche“, sagt Bruce Robison, leitender Wissenschaftler am Monterey Bay Aquarium Research Institute in Moss Landing, Kalifornien.
Er weiß, wovon er spricht, denn von ihm stammt das einzige andere existierende Video eines lebenden Buckligen Anglerfisches. Aufgenommen wurde es im Jahr 2014 mit dem ROV Doc Ricketts in fast 580 Metern Tiefe in der Monterey Bay.
Warum schwamm der Anglerfisch an die Oberfläche?
Evans beeindruckt vor allem die Tatsache, dass der nun gefilmte Anglerfisch nicht nur unversehrt, sondern auch in der Lage war, zu schwimmen. Ihm zufolge ist das von einem Lebewesen, das eigentlich an die extremen Druckverhältnisse der Tiefsee angepasst ist, nicht zu erwarten.
„Anglerfische bewegen sich so gut wie gar nicht“, sagt er. „Sie sind Lauerjäger, die die meiste Zeit an Ort und Stelle verharren. Darum ist es fast ein bisschen schockierend, einen von ihnen so aktiv zu sehen.“ Vertreter der Spezies mögen gefährlich und unheimlich aussehen, seien aber, so Evans, „in erster Linie weich und matschig.“
Es ist unmöglich zu sagen, wie oder warum der Anglerfisch sich auf den Weg in die oberflächennahe Meeresregion gemacht hat – aber es gibt mögliche Erklärungen. „Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wie das passiert sein könnte, und mir sind ein paar Szenarien eingefallen“, sagt Robison.
Zum einen könnte der Anglerfisch einen anderen Fisch mit Schwimmblase oder Gasdrüse verspeist haben. Das sich in ihm ausbreitende Gas könnte dem Anglerfisch dann Auftrieb verliehen und ihn die Wassersäule hochgedrückt haben. „Wenn das erst einmal seinen Anfang genommen hat, ist das, was danach passiert, schwer zu kontrollieren“, so Robison.
Doch auch der Sichtungsort könnte eine Rolle spielen. Die Kanarischen Inseln sind für ihre vulkanischen Aktivitäten bekannt. Möglicherweise ist der Anglerfisch in eine Warmwassersäule geraten, die sich über einem Schlot am Meeresboden gebildet hat.
Robisons drittes Szenario: Ein größeres Raubtier, vielleicht ein Grindwal, Seelöwe oder sogar eine Qualle könnte den Anglerfisch verschluckt und nahe der Oberfläche wieder ausgespuckt haben – oder aber der Tiefseefisch konnte sich selbst aus den Fängen befreien.
Die Tiefsee: ein kaum erforschter Lebensraum
Leider ist der Anglerfisch kurz nachdem er gefilmt wurde gestorben. Doch die Sichtung dieses lebenden Exemplars ist trotzdem wissenschaftlich wertvoll. „Diese Tiere sind schon lange bekannt und wurden bereits im 19. Jahrhundert in Fischernetzen gefunden“, sagt Robison. „Leider waren sie aber alle schon tot.“
Die Erforschung der verendeten Exemplare zeigte, dass das Leuchten Buckliger Anglerfische auf eine Symbiose mit biolumineszenten Bakterien zurückzuführen ist. Zudem pflanzen sich viele Anglerfischspezies – wenn auch nicht unbedingt die Buckligen Anglerfische – auf sehr besondere Weise fort: Die Körper der sehr viel kleineren Männchen verschmelzen mit denen der Weibchen, die aus diesen Anhängseln das nötige genetische Material ziehen.
Laut Java wird das Vermächtnis des nun weltberühmten Exemplars weiterleben. Sein Kadaver wurde aus dem Wasser gefischt und dem Museum für Natur und Archäologie auf Teneriffa übergeben.
Obwohl sich nicht alle Anglerfische in den Tiefen der Ozeane verstecken, wird über sie Evans zufolge doch ständig Neues herausgefunden. In einer aktuellen Studie, die als Preprint bei bioRxiv erschienen ist, wird berichtet, dass die Familie der Anglerfische durch ihre Verbreitung in verschiedenen Tiefseehabitats an Vielfalt zugenommen hat. Eine Erkenntnis, die viele überrascht hat.
„Die Tiefsee ist kein lebensfreundlicher Ort“, so Evans. „Die Druckverhältnisse sind hoch und es gibt kaum Nahrungsquellen.“ Die sensationelle Sichtung sei eine Erinnerung daran, dass in den Tiefen des Ozeans eine verborgene Welt existiert, über die wir kaum nachdenken und die wir noch seltener im Blick haben.
„Der Lebensraum in der Tiefsee ist der größte der Erde – in keinem anderen auf dem Planeten leben so viele verschiedene Tierarten“, sagt Robison. „Wir wissen so wenig über das, was dort unten ist.“
Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
