Ein Wolf sowie viele Vögel an einem Tierkadaver

Wie Wölfe das Ökosystem des Yellowstone-Nationalparks retten

Wölfe regulieren nicht nur Beutetiere, sondern formen dadurch ganze Landschaften. Eine neue Studie zeigt, wie stark dieser Einfluss in Yellowstone ist.

Lange Zeit gab es im Yellowstone keine Wölfe mehr. Büßen mussten das die Pflanzen: Eine Überpopulation von Hirschen grenzte ihr Wachstum ein.

Foto von NPS/Jim Peaco
Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 14. Feb. 2025, 16:27 MEZ

Wie in anderen Teilen der Welt war im Yellowstone-Nationalpark die Wiederansiedlung von Wölfen (Canis lupus) lange Zeit umstritten. 1995 war es schließlich soweit: Die ersten Tiere wurden wieder in das Gebiet entlassen. Seitdem wurde durch ihre Anwesenheit nicht nur die Überpopulation der Wapiti-Hirsche (Cervus canadensis) eingedämmt – auch die Flora des Nationalparks profitiert von ihnen. 

Wie stark Wölfe das Ökosystem im Yellowstone-Nationalpark verändert haben, wurde nun erstmals von Forschende nun erstmals anhand des Wachstums von Uferweiden quantifiziert und mit anderen Studien weltweit verglichen. Die Ergebnisse des Teams der Oregon State University und des Conservation Biology Institute in Corvallis, Oregon, erschienen im Fachmagazin Global Ecology and Conservation.

Vom Feind zum Held: Wölfe haben direkten Einfluss auf Ökosysteme

Als der Yellowstone Nationalpark im Jahr 1872 als weltweit erster seiner Art gegründet wurde, standen die darin lebenden Raubtiere unter keinem besonderen Schutz. Jagdrecht hatten alle, denen ein Wolf oder Grizzly über den Weg lief. So wurden bereits 1926 die letzten Wölfe im Naturschutzgebiet getötet. Zudem wurden Pumas aus dem Gebiet vertrieben. Mit fehlenden Fressfeinden konnten sich zwar die Kojoten umso mehr ausbreiten, dennoch führte vor allem die Abwesenheit der Wölfe zu einem dramatischen Anstieg der Wapiti-Hirsche. Ihre Vermehrung steigerte die Belastung der Pflanzenwelt erheblich – insbesondere von Weidenarten und anderen Laubbäumen wie Erlen und Baumwollpappeln. Zudem machten die Schäden an der Vegetation das Land zunehmend anfällig für Erosion.

Ein Wolf sowie viele Vögel an einem Tierkadaver

Begleitet von Elstern und anderen Rabenvögeln macht sich ein Wolf im Yellowstone National Park über einen Kadaver her.

Foto von NPS/Jim Peaco

Mit der Wiedereinführung der Wölfe in den Nationalpark im Jahr 1995 begannen sie die Jagd auf ihr bevorzugtes Beutetier. Die Bestände der Hirsche verringerten sich allmählich – was wiederum das Wachstum von bodennahen Pflanzen wie den Uferweiden ankurbelte. Dieser ökologische Prozess, bei dem Raubtiere die Population und das Verhalten ihrer Beutetiere regulieren und damit indirekt das Pflanzenwachstum beeinflussen, hat sogar einen Namen: trophische Kaskaden.

Trophische Kaskaden: Wölfe lassen Weiden wachsen

Das Phänomen ist im Yellowstone schon länger bekannt. Die Studie unter der Leitung von William J. Ripple, Professor für Ökologie an der Oregon State University, verglich die Stärke des Effekts jedoch erstmals mit anderen trophischen Kaskaden weltweit. Dafür werteten die Forschenden bereits veröffentlichte Daten von 25 Standorten entlang von Gewässern aus, die von 2001 bis 2020 gesammelt wurden. Mit dem Ergebnis: Das Volumen der Weidenkronen nahm in den letzten 20 Jahren um 1.500 Prozent zu.

BELIEBT

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    Grafik zur zeitlichen Entwicklung eines Flusslaufes

    Der Flusslauf des Blacktail Deer Creek im Norden des Yellowstone Nationalparks 2004/2005 und im September 2021. Der im Bild von 2004 sichtbare Zaun ist 2,4 Meter hoch. 2002 betrug die Höhe der Weiden außerhalb des Zauns durchschnittlich 68 cm – bis 2020 waren die Weiden außerhalb des Zauns um rund einen Meter gewachsen. Die Weiden innerhalb des Zauns, die vollständig vor Huftieren geschützt waren, erreichten eine durchschnittliche Höhe von rund zwei Metern.

    Foto von R.L. Beschta

    Obwohl diese positiven Effekte nicht überall im Park zu verzeichnen sind, übertrifft der Yellowstone-Nationalpark dennoch 82 Prozent der wenigen weltweit quantifizierten Fälle von trophischen Kaskaden. Laut Ripple hätten sich nicht nur Weiden, sondern auch andere Gehölzarten wie Espen, Erlen und beerentragende Sträucher erholt. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Macht der Raubtiere als Architekten von Ökosystemen“, sagt der Ökologe.

    „Die verbesserten Bedingungen haben wichtige Lebensräume für Vögel und andere Arten geschaffen und gleichzeitig auch andere Dinge verbessert“, sagt Co-Autor Robert Beschta. So beschatten die größeren Gewächse laut der Studie die Fließgewässer deutlich mehr, wodurch sich auch Wasserlebewesen erholen. Neben der Wiederansiedlung von Raubtieren bleibt jedoch Zeit ein entscheidender Faktor: „In den ersten Jahren dieser trophischen Kaskade begannen die Pflanzen nach Jahrzehnten der Unterdrückung durch Waitipis erst langsam wieder höher zu wachsen. In den darauffolgenden Jahren erholten sie sich dann immer stärker“, sagt Beschta.

    Der Vergleich von Strauchkronen an Flussufern erwies sich in der Studie als gutes Maß für die Stärke einer trophischen Kaskade. Er könnte künftig auch an anderen Standorten eingesetzt werden und bewerten, wie die Anwesenheit von Räubern das Ökosystem verändert.

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