Meerestiere verschwinden schneller als Tiere an Land

Der Klimawandel macht wechselwarmen Meeresarten deutlich schlimmer zu schaffen als Landtieren.

Von Christina Nunez
Veröffentlicht am 26. Apr. 2019, 12:09 MESZ
Riffbarschen – hier abgebildet sind Exemplare in einem Korallenriff in Baja California Sur, Mexiko – machen ...
Riffbarschen – hier abgebildet sind Exemplare in einem Korallenriff in Baja California Sur, Mexiko – machen die steigenden Meerestemperaturen besonders zu schaffen.
Foto von Mauritius Images Gmbh, Alamy

Die globale Durchschnittstemperatur steigt langsam, aber stetig an – und Meerestiere sind dadurch viel stärker vom Aussterben bedroht als die Fauna an Land, wie eine neue Analyse von 400 kaltblütigen Arten nun ergeben hat.

Im Meer lebende Arten haben weniger Rückzugsmöglichkeiten, um der Erwärmung ihres Lebensraumes zu entgehen. Deshalb verschwinden sie doppelt so schnell wie Tiere an Land, wie in einer Studie nachzulesen ist, die im Fachmagazin „Nature“ erschien.

Die Forschung, die von Wissenschaftlern der Rutgers University in New Jersey geleitet wurde, vergleicht erstmals die Auswirkungen, die steigende Temperaturen für wechselwarme Tiere wie Fische, Weichtiere, Eidechsen und Libellen im Meer und an Land haben.

Zwar hatten vorherige Untersuchungen bereits darauf hingedeutet, dass warmblütige Tiere sich besser an den Klimawandel anpassen können als wechselwarme, aber die aktuelle Studie legt den Fokus insbesondere auf das Risiko für Meerestiere. Die Meere absorbieren die Wärme, die durch den steigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre zurückgehalten wird. Dadurch ist das Wasser mittlerweile so warm wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen. Jene Tiere, die in den Weiten des Meeres zu Hause sind, haben zudem nicht den Luxus, sich zur Abkühlung in den Schatten oder einen Bau zurückziehen zu können.

„Meerestiere leben in einer Umgebung, deren Temperatur sich historisch gesehen nicht besonders stark verändert hat“, sagt Malin Pinsky, ein Ökologe und Evolutionsbiologe der Rutgers University und der Leiter der Studie. „Es ist ein bisschen, als würden die Meerestiere auf einer schmalen Bergstraße mit Temperaturschluchten zu beiden Seiten fahren.“

Die Wissenschaftler errechneten die „thermalen Sicherheitsspielräume“ für 88 Meerestiere und 318 Landtiere. So stellten sie fest, welchen Temperaturanstieg die Tiere noch tolerieren können und inwieweit sie diesen Hitzeschwellen schon ausgesetzt waren oder sind. Am kleinsten war der Spielraum für die Meeresbewohner in der Nähe des Äquators und für die Landtiere nahe der mittleren Breitengrade.

Für viele ist die Hitze schon jetzt zu groß. In den wärmeren Bereichen der Verbreitungsgebiete der Meerestiere waren schon mehr als die Hälfte der Arten aus ihrem ursprünglichen Gebiet verschwunden, wie die Forscher herausfanden. Damit sterben die Meeresarten doppelt so schnell auf lokaler Ebene aus wie Landtiere.

„Diese Auswirkungen zeigen sich bereits. Das ist kein abstraktes Problem der Zukunft“, warnt Pinsky.

Der geringe Spielraum für tropische Meerestiere – darunter bunte Riffbarsche und Kardinalbarsche – beträgt im Schnitt nur 10 °C. „Das klingt nach viel“, sagt Pinsky, „aber das Problem daran ist, dass ganze Populationen schon lange vor dem Erreichen dieser 10-Grad-Grenze aussterben.“

Schon ein oder ein halbes Grad kann den Tieren Probleme bei der Nahrungssuche oder der Paarung bereiten oder andere verheerende Folgen nach sich ziehen, wie er erklärt. Einige Arten können sich neue Gebiete erschließen, während andere wie beispielsweise Korallen und Seeanemonen aussterben werden, weil sie nicht mobil sind.

Folgenreich

„Die Studie ist wirklich schonungslos, weil sie handfeste Daten für die lang gehegte Vermutung liefert, dass marine Ökosysteme von der Klimaerwärmung mit am schlimmsten getroffen werden“, sagt Sarah Diamond. Die Ökologin und Professorin an der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio, war an der Studie nicht beteiligt. „Das ist wichtig, weil Meeressysteme mitunter übersehen werden.“

Pinsky verweist auf Arten wie den Heilbutt, die Winterflunder und die Islandmuschel, die als wichtige Fischereiressourcen gelten, aber allesamt bereits aus ihrem historischen Verbreitungsgebiet verschwunden sind.

Um den Verlust solcher Arten zu bremsen, müssen ihm zufolge nicht nur die Treibhausgasemissionen reduziert werden. Es wird auch nötig sein, die Überfischung zu beenden, überfischte Bestände wieder aufzustocken und die Zerstörung mariner Lebensräume einzuschränken.

„Wenn man Netzwerke von Meeresschutzgebieten anlegt, die als Trittsteine für Tierarten fungieren können, um in höher gelegene Breitengrade abzuwandern, könnte ihnen das dabei helfen, mit den Auswirkungen des Klimawandels fertig zu werden“, sagt er.

Meer und mehr

Die Rutgers-Studie verdeutlicht, wie wichtig es ist, nicht einfach nur Temperaturveränderungen zu messen, sondern auch deren Auswirkungen auf Tiere, findet Alex Gunderson. Der Professor für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Tulane University in New Orleans hat an der Studie nicht mitgearbeitet.

Das gilt natürlich ebenso für Tiere an Land.

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    „Das Risiko ist für Landtiere nur dann geringer als für Meerestiere, wenn sie kühle, schattige Plätze finden, an denen sie das direkte Sonnenlicht meiden und die Hitze aussitzen können“, sagt Gunderson.

    „Die Ergebnisse der Studie sind ein weiterer Weckruf für uns, Wälder und andere natürliche Umgebungen zu schützen, die in einer wärmer werdenden Welt als Temperaturpuffer für die Wildtiere fungieren.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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