Forscher wollen klimafreundliche Kühe züchten

Eine Studie mit mehr als 1.000 europäischen Kühen zeigte, dass sich der Methanausstoß über Mikroben regeln lässt.

Von Sarah Gibbens
Veröffentlicht am 8. Juli 2019, 14:28 MESZ
In Fermoy im irischen County Cork wird das Methan gemessen, das Kühe auf einer Weide ausstoßen.
In Fermoy im irischen County Cork wird das Methan gemessen, das Kühe auf einer Weide ausstoßen.
Foto von Mark Thiessen, Nat Geo Image Collection

Unter dem gelassenen Äußeren einer Kuh verbirgt sich ein komplexes Verdauungssystem, welches Gräser in komplexe Kohlenstoffe umwandelt, die die Kuh zum Überleben braucht. Ein Nebenprodukt dieser Verdauungsprozesse ist Methan – eines der wirksamsten Treibhausgase der Welt.

Obwohl sich Methan in der Atmosphäre schneller verflüchtigt als Kohlendioxid, kann es Hitze viel effektiver zurückhalten. Die US-Umweltschutzbehörde (EPA) schätzt, dass 25 Prozent des Methans in den USA von Kühen stammt.

Die Reduzierung dieser Methanemissionen ist eines der großen Ziele von Umweltschützern, die bestrebt sind, den Klimawandel zu bremsen. Neue Forschungen deuten darauf hin, dass sie dieses Ziel womöglich erreichen könnten, indem sie die genetischen Eigenheiten von Kühen zu ihren Gunsten nutzen.

Galerie: Kein CO2 im Land von Shangri-la

Einige Mikroben im Verdauungstrakt von Kühen tragen aktiver zur Methanproduktion bei als andere. Eine neue Studie, die in „Science Advances“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass viele methanproduzierende Mikroben genetisch vererbt werden. Würde man gezielt nur noch solche Kühe miteinander verpaaren, denen diese Mikroben fehlen, wäre man Wissenschaftlern zufolge womöglich auf bestem Wege, eine umweltfreundlichere Kuh zu züchten.

Für viele Forscher ist das ein Hoffnungsschimmer. Der Verbrauch von Fleisch- und Milchprodukten steigt seit einem Jahrzehnt immer weiter. Viele Länder ringen damit, ihre wachsende Bevölkerung zu ernähren und gleichzeitig ihre Emissionen zu reduzieren.

(Hoher Fleischkonsum gefährdet die Ernährungssicherheit)

Was wir von 1.000 europäischen Kühen lernen können

Im Jahr 2012 beauftragte die EU ein Team aus mehr als 30 Wissenschaftlern damit, den Zusammenhang zwischen Nutzvieh und Methanemissionen zu erforschen.

Ihr Forschungsprojekt nannten sie Ruminomics – nach der lateinischen Bezeichnung für Wiederkäuer, „Ruminantia“. Der Pansen oder Rumen ist der erste der drei Vormägen im Verdauungstrakt von Wiederkäuern. Dort wird das gefressene Gras fermentiert, bevor es durch die restlichen Mägen wandert.

Im Pansen beginnt auch die Methanproduktion. Während Bakterien die Kohlenhydrate zersetzen, entsteht Wasserstoff. Einzellige Organismen namens Archaeen kombinieren diesen Wasserstoff dann mit Kohlendioxid und produzieren Methan. 95 Prozent des Gases entweichen durch Aufstoßen aus dem Maul der Tiere.

BELIEBT

    mehr anzeigen
    Kühe stoppen Kriminelle
    Eine Verfolgungsjagd in Florida endete auf einer Kuhweide.

    Wissenschaftler vermuteten, dass diese Methanproduktion durch einen bestimmten Satz an Genen gesteuert wird. Allerdings war unklar, wie genau diese Gene miteinander interagieren.

    Man könne sich das „wie ein Dreieck“ vorstellen, sagte der Studienautor John Wallace von der University of Aberdeen. „An den Ecken des Dreiecks hatte man drei Dinge: die Emissionen, das Mikrobiom des Rumen und das Genom des Wirtstieres. Das Ziel unserer Studie bestand darin herauszufinden, inwieweit die drei zusammenhängen.“

    Dafür nahmen sie Holstein-Rinder aus Großbritannien und Italien sowie Milchkühe der Rasse Nordic Red aus Schweden und Finnland unter die Lupe. Die Forscher entwickelten spezielle Werkzeuge zur Probeentnahme: Messingzylinder wurden in den Schlund der Tiere eingeführt und entnahmen Flüssigkeit aus dem Pansen. Anhand dieser Proben konnten die Wissenschaftler Protozoen, Pilze, Bakterien, Archaeen und DNA analysieren, die für das Experiment ausschlaggebend waren. Darüber hinaus nahmen sie Atemproben, um zu messen, wie viel Methan die Kühe ausstießen.

    (Das Essen der Zukunft: Insekten, Unkraut, blutende Burger)

    Laut Wallace wurden im Pansenmikrobiom der einzelnen Kühe die jeweiligen Mikroben identifiziert, die von einer Generation zur nächsten vererbt werden. Bestimmte Mikroben wie Succinovibrionaceae waren beispielsweise häufig in Kühen zu finden, die weniger Methan produzierten.

    Grünere Weiden für „grünere“ Kühe

    „Da wir nun wissen, dass diese Organismen vererbt werden und wie die Zusammenhänge aussehen, können sie gezielt genutzt werden, um Tiere mit einer besseren Milchleistung, einem verringerten Emissionsausstoß oder anderen wünschenswerten Eigenschaften zu züchten“, sagt Wallace. „Wenn wir Jungtiere mit einem methanarmen Mikrobiom impfen könnten, spricht eigentlich alles dafür, dass es ein Leben lang bestehen bleibt. So erhalten wir dann Tiere, die weniger Methan produzieren.“

    In Regionen wie Kalifornien, wo der Methanausstoß um 40 Prozent reduziert werden soll, können methanarme Kühe „Teil der Lösung sein“, sagt Ermias Kebreab von der University of California Davis.

    Kebreab zeigte sich erfreut über die Ergebnisse der Studie und hält sie für einen guten ersten Schritt. Allerdings merkt er auch an, dass es noch Jahre dauern wird, bis diese Theorie in die Praxis umgesetzt werden kann. Bei seinen eigenen Forschungen befasste er sich mit der Frage, wie die Ernährung der Kühe ihren Methanausstoß beeinflusst. Letztes Jahr fand er heraus, dass die Emissionen signifikant verringert werden können, wenn dem Futter bereits Methan beigefügt wird.

    Sowohl Kebreab als auch Wallace zufolge wird eine große Hürde vor allem darin bestehen, die Bauern davon zu überzeugen, ihre Kühe selektiv so zu züchten, dass sie weniger Methan ausstoßen. Im Normalfall zielen die Bauern bei der Zucht auf profitable Eigenschaften wie Größe und Milchertrag ab. Ein geringerer Methanausstoß hätte für sie keine direkten finanziellen Vorteile. Gerade in Regionen ohne Zielwerte für die Emissionsreduzierung bräuchten Bauern deshalb zusätzliche wirtschaftliche Anreize.

    Laut Wallace hat die gezielte Zucht von methanarmen Kühen bereits begonnen – und bisher konnte man noch keine unerwünschten Nebenwirkungen feststellen.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

    Klima

    Pflanzen absorbieren unser CO2 – aber wie lange noch?

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved