Wenn Einäscherung zum Umweltproblem wird

Jedes Jahr sind Millionen Bäume und tonnenweise Brennstoff nötig, um Verstorbene einzuäschern. Dabei gibt es zunehmend umweltfreundliche Alternativen.

Von Becky Little
Veröffentlicht am 6. Nov. 2019, 14:05 MEZ
Bei einer traditionellen Hindu-Einäscherung brennen mehrere Scheiterhaufen gleichzeitig. 18. August 2013, Bali, Indonesien.
Bei einer traditionellen Hindu-Einäscherung brennen mehrere Scheiterhaufen gleichzeitig. 18. August 2013, Bali, Indonesien.
Foto von Putu Sayoga, Getty Images

Im Laufe der letzten vier Jahre haben Einäscherungen die traditionellen Beerdigungen in den USA als beliebteste Bestattungsform überholt, wie die National Funeral Directors Association berichtet. Gleichzeitig bieten Unternehmen immer kreativere Möglichkeiten an, die Asche der Verstorbenen im Anschluss zu verwenden: Hinterbliebene können daraus eine Schallplatte fertigen lassen, ein neues Riff anlegen oder einen Diamanten pressen.

Oft wird die Einäscherung – inklusive solcher eigenwilligen Möglichkeiten, den Toten zu gedenken – als umweltfreundlichere Alternative zur Einbalsamierung und Beerdigung vermarktet. Ein stärkeres Umweltbewusstsein mag neben finanziellen Beweggründen tatsächlich einer der treibenden Faktoren hinter ihrer zunehmenden Beliebtheit sein.

„[Für] manche Leute spielt das garantiert eine Rolle“, sagt Nora Menkin, die Direktorin der People’s Memorial Association mit Sitz in Seattle, die Menschen dabei hilft, sich für eine Bestattungsform zu entscheiden.

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Es stimmt zwar, dass eine Einäscherung weniger umweltschädlich ist, als einen Leichnam mit Formaldehyd vollzupumpen und unter einer Betonplatte zu begraben, aber es gibt andere bedenkliche Faktoren.

Für eine Einäscherung ist eine Menge Brennstoff nötig, die pro Jahr in Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen resultiert – genug, damit einige Umweltschützer den gesamten Prozess zu überdenken versuchen.

Eine durchschnittliche Einäscherung in den USA „verbraucht genauso viel Energie und produziert genauso viele Emissionen wie zwei volle Tanks in einem durchschnittlichen Auto“, sagt Menkin. „Das ist also nicht gerade vernachlässigbar.“

„Grünere“ Scheiterhaufen

Wie genau sich eine Einäscherung auf die Umwelt auswirkt, hängt im Einzelfall davon ab, wo und wie sie stattfindet. In Indien ist es unter den Hindus seit Langem Tradition, verstorbene Verwandte unter dem freien Himmel auf Scheiterhaufen zu verbrennen. Dafür müssen jedes Jahr Millionen von Bäumen gefällt werden. Außerdem trägt diese Praxis zur Verschmutzung der Luft und Gewässer bei, da die meisten Scheiterhaufen in der Nähe von Flüssen oder Seen errichtet werden.

Seit 1992 versucht die gemeinnützige Organisation Mokshda Green Cremation System, diese Verschmutzung einzudämmen, indem sie Gemeinden effizientere Aufbauten für die Einäscherung zur Verfügung stellt.

Bei diesen Aufbauten ist der „Scheiterhaufen“ ein großes Metalltablett, das mit Brennholz erhitzt wird. Sie benötigen weniger Brennholz als traditionelle Scheiterhaufen und können einen Leichnam schneller einäschern. Außerdem kann das Tablett mit der Asche relativ einfach entnommen und ein neuer Leichnam auf dem nächsten Tablett hinterhergeschoben werden.

BELIEBT

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    Derzeit gibt es um die 50 solcher Anlagen in insgesamt neun indischen Bundesstaaten. Laut Anshul Garg, dem Direktor von Mokshda Green Cremation System, kann man mit einer einzigen Anlage pro Tag 45 Einäscherungen vornehmen. Dank dem System wird der Holzverbrauch zudem von den 400 bis 500 Kilogramm einer traditionellen Einäscherung auf 100 bis 150 Kilogramm reduziert.

    „Das ist also fast noch weniger als ein Viertel des Holzverbrauchs“, sagt Garg.

    Obwohl sich nicht jeder mit dieser weniger traditionellen Bestattungsform anfreunden kann, seien die Menschen laut Garg dem Mokshda-System gegenüber heutzutage aufgeschlossener als noch in den Neunzigern. In Indien wurden bisher mehr als 150.000 Menschen in Mokshda-Anlagen bestattet. So konnten mehr als 480.000 Bäume gerettet werden, Flüssen wurden etwa 60.000 Tonnen Asche erspart und 60.000 Tonnen weniger Treibhausgase gelangten in die Atmosphäre, sagt der Programmbeauftragte Chitra Kesarwani.

    Mittlerweile hat die Organisation Garg zufolge auch Anfragen aus anderen Ländern in Asien und Afrika bekommen, die ihre Scheiterhaufen ebenfalls umweltfreundlicher gestalten wollen.

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    In den USA und Europa finden Einäscherungen hingegen in Krematorien statt. Dort liegt das Augenmerk eher auf dem Energieverbrauch und der dadurch entstehenden Menge an CO2.

    Je nach den regionalen Umweltrichtlinien haben die meisten Krematorien in den USA Filteranlagen, die beispielsweise Schadstoffe wie Quecksilber aus Zahnfüllungen herausfiltern.

    „Die meisten Filteranlagen sind auf Schwermetalle, Feinstaub und Distickstoffoxid ausgelegt“, sagt Paul Syler, der Marketingmanager für Matthews Environmental Solutions. Das Unternehmen stellt Technologie für Krematorien her.

    Solche Filter neutralisieren allerdings das CO2 nicht, das durch die Verbrennung entsteht. Matthews schätzt, dass pro Einäscherung im Schnitt 242 Kilogramm Kohlendioxid entstehen. Pro Jahr kommen in den USA damit durch diese Bestattungspraxis 360.000 Tonnen CO2 zusammen.

    Naturbestattungen: Zurück zur Erde

    Für Amerikaner, die nach ihrem Tod nicht so viel Treibstoff verbrauchen und kein CO2 freisetzen wollen, könnte die alkalische Hydrolyse eine attraktive Alternative darstellen. Dabei wird der Leichnam durch eine starke Lauge verflüssigt.

    Diese Methode „hat nur etwa ein Zehntel des CO2-Fußabdrucks einer konventionellen Einäscherung“, sagt Menkin. „Der Prozess dauert ungefähr genauso lange, aber dafür ist nicht so viel Hitze nötig und die meiste Arbeit erledigt das Wasser.“ Außerdem werden dabei keinerlei Emissionen aus dem Leichnam freigesetzt.

    Genau wie nach einer Einäscherung bleiben auch nach einer alkalische Hydrolyse Bestandteile übrig, die Hinterbliebene in Urnen aufbewahren oder an einem besonderen Ort verteilen können. Außerdem entsteht bei dem Vorgang eine organische Flüssigkeit, die auch noch einen praktischen Nutzen hat.

    „Manche Anlagen sammeln die Flüssigkeit. Die wird dann abgeholt und auf Äckern verwendet. Sie ist ein ausgezeichneter Dünger“, sagt Menkin. „Aber die meisten Anlagen leiten sie einfach in das städtische Abwassersystem. Für viele Kanalisationssysteme ist das sogar von Vorteil, weil es die Qualität des Abwassers verbessert.“

    Die Zukunft hält zweifelsfrei noch mehr grüne Bestattungsalternativen bereit. Washington State wurde 2019 der erste US-Bundesstaat, der die Kompostierung von Leichnamen legalisierte. Ab 2020 können Verstorbene auf diese Weise in fruchtbaren Erdboden umgewandelt werden, den die Hinterbliebenen entweder selbst benutzen oder dem Staat für Projekte spenden können. Auch Naturbestattungen sind in vielen Ländern erlaubt. Dabei können Leichname auf natürliche Weise im Boden verrotten, ohne zugesetzte Chemikalien, Beton oder synthetische Materialien.

    Letztendlich spielen bei der Auswahl der Bestattungsmethode immer mehrere Faktoren eine Rolle, von den persönlichen Vorlieben über religiöse Vorschriften bis zur regionalen Verfügbarkeit. Aber je vielfältiger das Angebot wird, desto leichter wird es auch, sich für eine grüne Bestattung zu entscheiden.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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