Bundestagswahl: Wer tut was für die Umwelt?

Das Klima wandelt sich, immer mehr Tierarten sind bedroht. Was planen die Parteien in Deutschland zum Schutz des Planeten? Ein Überblick zur Wahl im September.

Von Benedikt Herber
Veröffentlicht am 10. Sept. 2021, 12:55 MESZ, Aktualisiert am 15. Sept. 2021, 10:34 MESZ
Mitglieder der Bewegung Fridays for Future protestieren für mehr Maßnahmen gegen den Klimaschutz.

Mitglieder der Bewegung Fridays for Future, einer weltweiten Jugendbewegung, protestieren für mehr Maßnahmen gegen den Klimaschutz.

Foto von AdobeStock

Erstmals bei einer Bundestagswahl ist Umwelt kein Nischenthema. Die Frage, wie sich die Parteien zum Schutz der Umwelt positionieren, könnte 2021 wahlentscheidend sein. Vor allem geht es ums Klima: Seit drei Jahren demonstrieren Schülerinnen und Schüler bei Fridays for Future für mehr Klimaschutz. Naturkatastrophen wie die Hochwasser diesen Sommer verdeutlichen die Dringlichkeit, zu handeln. Was aber genau planen die Parteien? National Geographic hat sich die Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2021 angeschaut.

CDU/CSU

CDU und CSU wollen beim Klimaschutz vor allem vermeiden, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands aufs Spiel zu setzen. Sie schreiben: „Nur wenn Technologien, Investitionen und Projekte in die Dekarbonisierung sich als wirtschaftlich erweisen, wird die Jahrhundert-Transformation gelingen.“

Als aktuelle Regierungspartei hält die Union an dem fest, was sie mit der SPD beschlossen hat: Das Klimaschutzgesetz. Da heißt es: Ausstieg aus der Kohlekraft bis 2038, Klimaneutralität bis 2045 – ab diesem Zeitpunkt darf nicht mehr CO2 ausgestoßen werden, als sich wieder aus der Atmosphäre holen lässt.

Das Ziel will sie durch eine Kombination von marktwirtschaftlichen Anreizen und Infrastrukturprojekten erreichen. Verbote meidet die Union dagegen. Als Anreizsystem baut sie vor allem auf den Emissionshandel: Er soll gestärkt und auf zusätzliche Sektoren erweitert werden (Mobilität, Wärme und Schifffahrt). Hintergrund: Zertifikate erhöhen den Preis für CO2-intensive Tätigkeiten, damit sich diese langfristig nicht mehr lohnen. Einnahmen durch den Zertifikatehandel will die Union „in vollem Umfang“ an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben, indem sie den Strompreis senkt. Die EEG-Umlage, die die Einspeisung von grünem Strom subventioniert, soll dagegen sofort abgeschafft werden.

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Im Bereich Infrastruktur wollen CDU und CSU erneuerbare Energien weiter vorantreiben: Das betrifft Wind, Biomasse, Wasserkraft, Geothermie und Wasserstoff. Besonderes Potenzial sieht die Union in letzterem: Deutschland soll „Wasserstoff-Land Nr. 1“ werden. Das Schienennetz will die Partei ausbauen und den Güterverkehr bevorzugt dorthin verlegen. Viele LKWs würden dann von den Autobahnen verschwinden. Tempolimit und Dieselverbot lehnt die Union ab.

Und welche Umweltmaßnahmen plant die Union abgesehen vom Klima? Müll soll durch Anreize vermieden werden – welche Anreize genau bleibt unklar – und das Leid der Nutztiere mit dem Tierwohlstall-Förderungsgesetz gemindert. Konkret wird sie auch hier nicht.

SPD

Die SPD steht vor der Aufgabe, die Energiewende möglichst sozialverträglich zu gestalten, um das eigene Wählerklientel nicht zu verärgern. Schließlich drohen Arbeitsplatzverluste und steigende Strompreise. Die Klimaziele der SPD sind deshalb nicht überambitioniert: Wie die Koalitionspartner CDU und CSU will auch die SPD, dass Deutschland 2038 aus der Kohlekraft aussteigt und 2045 klimaneutral wird.

Auf dem Weg dorthin setzt die SPD im Gegensatz zur Union aber auf klare Deadlines: Schon 2030 soll Deutschland der Leitmarkt für Wasserstofftechnologie sein, zehn Jahre später soll der Strom ausschließlich aus Erneuerbaren kommen. So konkret werden ansonsten nur Grüne und Linke.

Auch die Sozialdemokraten wollen die EEG-Umlage abschaffen – allerdings langsamer als die Union, bis 2025. Wo kommt der grüne Strom stattdessen her? Unter anderem von Solaranlagen auf Dächern, sagt die SPD – vor allem bei öffentlichen und gewerblichen Neubauten soll eine Photovoltaikanlage Standard sein. Die konkreten Ausbauziele will die SPD aber erst dann vorstellen, wenn sie regiert. Die steigenden Kosten für die Energiewende sollen nicht die Ärmsten tragen. Sie plant einen Ausgleichsmechanismus für den steigenden CO2-Preis.

Beim Thema Verkehr ist die SPD recht nahe bei den Grünen. E-Auto-Ladestationen sollen wie das öffentliche Verkehrsnetz ausgebaut, Bahnfahren innereuropäisch günstiger als Fliegen werden. Außerdem fordert die SPD ein Tempolimit von 130 km/h.

Abseits vom Klima setzt die SPD sich unter anderem für ein verpflichtendes Tierwohllabel in der Nutztierhaltung ein. Außerdem will sie „raus aus der Wegwerfgesellschaft“ (ohne konkret zu werden) und fordert eine Reduktion von Düngern und Pestiziden in der Landwirtschaft.

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BELIEBT

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    FPD

    Als liberale Partei meidet die FDP grundsätzlich strenge Vorgaben und Verbote – setzt dagegen auf Marktkräfte und Innovationen. Klimaneutralität strebt sie erst bis 2050 an – fünf Jahre später als im Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vorgesehen. Der Hintergrund: Das entspricht der Zielvorgabe der EU für alle Mitgliedsstaaten. Für den Kohleausstieg hat die FDP kein konkretes Datum vorgesehen.

    Das wichtigste Mittel der FDP, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, ist der Preis. Wie die Union will die FDP in den Zertifikatehandel intensivieren, die Forderungen der Liberalen gehen jedoch noch weiter: Sie plant einen einheitlichen CO2-Preis für alles. Die Emissionszertifikate im Umlauf sollen jährlich reduziert werden – dadurch würde der Ausstoß immer teurer, Alternativen lukrativer. Für die steigenden Energiekosten plant die FDP einen Ausgleichsmechanismus: In Form der Klimadividende wird den Bürgerinnen und Bürgern ein jährlicher Pauschalbetrag erstattet.

    Auch sonst setzt die FDP bei Energie- und Verkehrswende auf Innovationsoffenheit. Erneuerbare Energien will sie „vollständig in den Wettbewerb“ überführen, Subventionen wie die EEG-Umlage schrittweise abschaffen. Ebenso stellt sich die Partei gegen eine einseitige Bevorzugung von E-Autos und lehnt ein Verbot von Verbrennern ab. Auch hier soll der Ausstieg über den Preis erfolgen. Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen lehnt die FDP ab.

    Hoffnungsvoll sind die Liberalen beim Wasserstoff als Energieträger. Eine „Europäische Wasserstoffunion“ soll die Entwicklung fördern.

    Zur Müllvermeidung will die FDP die „rechtliche Diskriminierung“ von chemischem Recycling beenden. Darin läge großes Innovationspotenzial: „Ressourcenschonung bedeutet nicht nur Verzicht, sondern kann auch durch innovative Wiederverwertungstechnologien erreicht werden“, schreibt sie.

    Die Linke

    Die zeitlich am ambitioniertesten Klimaziele für Deutschland hat die Linkspartei. Schon 2035 will sie Klimaneutralität – zehn Jahre früher als im Klimaschutzgesetz vorgesehen. Der Kohleausstieg soll acht Jahre früher erfolgen – im Jahr 2030. Im selben Jahr will sie keine Verbrenner mehr zulassen.

    Auf dem Weg dorthin wählt die Linke eine konträre Strategie zur FDP: Staatliches Durchgreifen statt marktwirtschaftlicher Lösungen. „Emissionshandel bietet keinen wirksamen Klimaschutz“ schreibt sie. Unternehmen sollen klare Vorgaben gemacht, Energiekonzerne „entmachtet“ werden. Die Linke strebt einen „gezielten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“ für den Klimaschutz an, der aber nicht auf Kosten der Ärmsten gehen dürfe. Dafür müsse der Staat im Rahmen einer „sozialökologischen Investitionsoffensive“ viel Geld in die Hand nehmen. Außerdem sollen Umwelt- und Klimaschutz als Grundrechte in die Verfassung aufgenommen werden.

    Beim Verkehr setzt die Linkspartei vor allem auf öffentliche Verkehrsmittel. Kaufprämien will sie selbst beim E-Auto abschaffen. Stattdessen: Bürgerbusse auf dem Land, günstigere Preise für Bus und Bahn. Schon 2030 soll kein Deutscher mehr auf das Auto angewiesen sein. Außerdem spricht sie sich für ein Tempolimit von 120 km/h auf deutschen Autobahnen aus.

    Auch in der Landwirtschaft will die Linke durchgreifen: Der Ökolandbau soll 2030 ein Viertel aller Flächen ausmachen, das Tierschutzgesetz reformiert werden. Diverse Maßnahmen plant sie, um Müll zu reduzieren: Etwa eine Senkung der Mehrwertsteuer für Reparaturen.

    Grüne

    Klima- und Umweltschutz ist eigentlich das Top-Thema der Grünen. Verglichen mit den Linken fallen die geplanten Maßnahmen der Partei aber weniger rigide aus. So fordert sie nicht explizit Klimaneutralität vor 2045. Sie schreibt lediglich, es sei möglich, dass Deutschland „bis in 20 Jahren klimaneutral“ werde – also in 2041 (zur Erinnerung: bei der Linken ist es das Jahr 2035). Auf zwei Daten legt sich die Partei dagegen fest: Aus der Kohle soll Deutschland 2030 aussteigen, acht Jahre bevor es das Klimaschutzgesetz vorsieht. Fünf Jahre später soll der gesamte Energiebedarf durch Erneuerbare gedeckt sein.

    Das Alleinstellungsmerkmal des Grünen-Programms: Die Einführung eines „Klimaschutzministeriums“. Dieses würde ein Vetorecht erhalten, das alle Gesetze blockiert, die nicht konform sind mit den Beschlüssen von Paris. Die Pariser Vorgaben sollen – neben dem Atomausstieg – im Grundgesetz verankert werden. Außerdem planen die Grünen in den nächsten vier Jahren 1,5 Millionen Dächer mit Solaranlagen auszustatten.

    Viel Geld wollen die Grünen in die Verkehrswende stecken: Bis 2035 sollen 100 Milliarden Euro in Schienen und Bahnhöfe investiert werden. Zugleich will die Partei schon 2030 nur noch emissionsfreie Autos zulassen. Um Mobilität auf dem Land auch ohne Auto zu ermöglichen, setzt die Partei auf den Ausbau des öffentlichen Netzes. Es soll eine „Mobilitätsgarantie“ für jeden geben. Durch die Aufwertung der Bahn-Angebote will sie Kurzstreckenflüge schon 2030 überflüssig machen. Außerdem unterstützen die Grünen ein Tempolimit von 130.

    Abgesehen vom Klima plant die Partei ein „Sofortprogramm Artenschutz“: Durch weniger Pestizideinsatz in der Landwirtschaft soll das Insektensterben gestoppt werden. Beim Müll will sie Hersteller und Verursacher „stärker in die Verantwortung nehmen“ – das Ziel ist „Zero Waste“.

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    AfD

    Die AfD stellt infrage, ob der Klimawandel menschengemacht ist – was in der Konsequenz heißt: Die Menschen können auch nichts gegen ihn tun. CO2-Einsparung ist also sinnlos. Sie weisen auf angebliche positive Folgen der Erderwärmung hin. „Statt einen aussichtslosen Kampf gegen den Wandel des Klimas zu führen, sollten wir uns an die veränderten Bedingungen anpassen“ heißt es.

    Die im Klimaschutzgesetz anvisierte Klimaneutralität lehnt die AfD ab: Die Maßnahmen seien eine „Bedrohung für die Freiheit.“ Deshalb will die Partei die CO2-Steuer abschaffen und aus dem Pariser Abkommen aussteigen. Sie kritisiert Bemühungen, das Land auf erneuerbare Energieträger umzustellen als „unrealistisch und unökologisch“. Stattdessen setzt sie auf einen „breiten Energiemix“, inklusive Braun- und Steinkohle. Flächen für Windenergieanlagen sollen nur dann ausgewiesen werden, wenn die betroffenen Bürger zustimmen.

    Neben der Energie- stellt sich die AfD auch gegen die Verkehrswende: „Eine ideologisch geleitete Verbotspolitik, die bestimmte Verkehrsmittel bevorzugt oder diskriminiert, lehnt die AfD ab“, schreibt sie. Fördern will sie den „motorisierten Individualverkehr“, die Subventionierung von E-Autos wegen der „globalen Umweltbelastung bei der Batterieproduktion“ dagegen einstellen. Außerdem lehnt die AfD ein Dieselverbot oder Tempolimit ab. Fliegen soll durch die Abschaffung der Luftverkehrssteuer günstiger werden.

    Strengere Düngungsvorschriften will die AfD außerdem Rückgängig machen. Tierschutzgesetze in der Landwirtschaft dagegen schärfen.

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