Alpine Gletscher: 6000 Jahre altes Eis wird bald verschwunden sein
Eine aktuelle Studie aus Österreich zeigt, dass die Eiskappe des Gletschers auf der Tiroler Weißseespitze in zehn Jahren geschmolzen sein dürfte. Die Wissenschaftler wollen nun wichtige Daten retten.
Immer weniger Weiß: In den Alpen, wie hier an der Weißseespitze in den Ötztaler Alpen in Österreich, schmelzen die Gletscher so schnell wie in den vergangenen 6000 Jahren nicht.
Der Klimawandel lässt die Gletscher immer schneller schmelzen. So viel ist bekannt. Eine Studie von Wissenschaftlern des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zeigt nun auf, wie beispiellos schnell dieses Abschmelzen geschieht.
Die Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Scientific Reports erschien, kommt auf der Basis von historischen Aufzeichnungen, instrumentellen Messdaten der letzten Jahrzehnte und Bohrkernanalysen zu dem Ergebnis, dass der aktuelle jährliche Masseverlust des Gletschers auf der Tiroler Weißseespitze um einiges höher ist, als er im Schnitt der vergangenen 6000 Jahre war.
Meterdicker Eisverlust
Die Eiskappe des Gletschers liegt auf 3499 Metern Höhe. „Insgesamt gibt es hier noch zehn Meter Eis, dessen unterste Schicht etwa 6000 Jahre alt ist”, sagt Andrea Fischer, Erstautorin der Studie und stellvertretende Direktorin der ÖAW. Diese werde schon in zehn Jahren verschwunden sein: Aktuell verliert die Eiskappe durchschnittlich ungefähr 0,6 Meter Eis pro Jahr, teilweise sogar fast einen Meter. „Aus anderen Studien wissen wir, dass die Endphase des Eisverlustes wesentlich schneller geht als im Mittel der Vorjahre”, so Fischer. Das lässt dem Gletscher nicht mehr viel Zeit.
Die Studie zeigt auch: Während laut Aufzeichnungen zwischen 1893 und 1914 kaum Eisverlust festzustellen war, verlor die Tiroler Weißseespitze zwischen 1914 und 2018 ungefähr 40 Meter Eis.
Erstmals an der Weißseespitze durchgeführte meteorologische Untersuchungen des ÖAW über die Jahre 2018, 2019 und 2020 zeigten auf, dass der Masseverlust in dieser Zeit hauptsächlich zwischen Juni und August stattfand. Dabei trat der tatsächliche Verlust von Gletschereis – bis zu 0,6 Meter im Jahr – im August auf. Die Ablagerung von neuem Schnee konnte hauptsächlich in den Zeiträumen zwischen Oktober und Dezember und April und Juni beobachtet werden. In den Monaten zwischen Januar und März verhinderte Winderosion die Ablagerung von neuem Schnee.
Laut Studie ist der enorme Masseverlust in den Sommermonaten mit den hohen Lufttemperaturen verbunden: Der Eisverlust der Sommermonate kann im Winter nicht mehr aufgeholt werden.
Wissenschaftler der ÖAW beim Entnehmen von Eisbohrkernen am Gletscher auf der Weißseespitze. Sie wollen retten, was noch zu retten ist: Informationen.
Eis als Klimadaten-Archiv
Die österreichischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nun bemüht, wichtige Daten aus dem verbleibenden Eis zu retten, bevor es zu spät ist. Dafür sollen möglichst viele Bohrkerne aus dem Eis entnommen werden, da Gletschereis Schmelzereignisse sowie Schwankungen oder Ausreißer der Niederschläge besonders deutlich anzeigt.
Erkennen könne man dies an den Schichten innerhalb des Eises – „ähnlich wie bei Jahresringen von Bäumen“, so Fischer. So verweisen die hellen Schichten auf lufthaltiges Wintereis, dunklere Schichten, die Staub, Ruß oder organische Ablagerungen einschließen, auf Schmelze im Sommer.
Die Klimadaten aus den Eisbohrkernen können wichtige Informationen über die Vergangenheit liefern – und auch Daten für Modelle zu zukünftigen Klimaereignissen.