Artenschutz am Amazonas: Beginn einer neuen, gigantischen Nat Geo-Expedition

National Geographic startet in Zusammenarbeit mit Rolex das Perpetual Planet Projekt und setzt damit die Vision von Tom Lovejoy um – einem der großen Natur- und Artenschützer unserer Zeit.

An der Amazonas-Mündung in den brasilianischen Bundesstaaten Pará und Amapá fließen 20 Prozent des Flusswassers unseres Planeten in den Ozean.

Foto von Victor Moriyama
Von David Quammen
Veröffentlicht am 19. Apr. 2022, 11:18 MESZ

Dieser Artikel wurde von Rolex gesponsert. Das Unternehmen unterstützt die National Geographic Society bei der Umsetzung wissenschaftlicher Expeditionen zur Erforschung, Untersuchung und Dokumentation der einzigartigsten Regionen unseres Planeten.

Im April 2022 teilte die National Geographic Society (NGS) mit, dass sie dem Ökologen Thomas E. Lovejoy posthum ihre höchste Auszeichnung, die Hubbard Medal, verleihen wird. Der Naturschützer, der viele Jahre für die Rettung des Amazonas-Regenwalds gekämpft hat, verstarb am 25. Dezember 2021 im Alter von 80 Jahren. Er war nicht nur National Geographic Explorer sondern auch langjähriger Berater der NGS. Zu seinem Vermächtnis zählen mehrere Bücher, die er über den Regenwald und seine Rettung verfasste, und ein Projekt mit dem Namen Perpetual Planet Amazon Expedition, dass die NGS nun in Zusammenarbeit mit Rolex auf den Weg gebracht hat.

Thomas E. Lovejoy hält im Jahr 2014 das riesige Blatt eines Ameisenbaums in der Hand, der in der Nähe des Camp 41, seiner Forschungsstation im Amazonas-Regenwald, gewachsen ist.

Foto von WWF

Mit einer Fläche von 6,7 Millionen Quadratmeter ist der Amazonas-Regenwald der größte Regenwald der Welt. Schätzungsweise zehn Prozent der Tier- und Pflanzenarten unseres Planeten sind hier beheimatet. Im Rahmen des Perpetual Planet Projekts sollen verschiedene wissenschaftlichen Studien eine Vielzahl von Aspekten des gigantischen Ökosystems untersuchen. Dafür sind mehrere National Geographic Explorer aus der Region mit ihren Teams im Einsatz, deren Arbeit über die Dauer von zwei Jahren durch das Förderprogramm finanziert wird.

Die Idee zu dem Programm entwickelte sich aus einem Vorschlag des National Geographic Explorers und Fotografen Thomas Peschak. Dieser hatte den Plan, den Amazonas fotografisch auf seinem Weg von den Anden in den Ozean zu begleiten. Den Schwerpunkt seiner Arbeit wollte er auf die Unterwasserwelt des Flusses legen. Die NGS unterstütze das Vorhaben des Fotografen und beschloss, dessen Bilder durch wissenschaftliche Studien zu ergänzen. Thomas Peschak half dabei, die geeigneten Wissenschaftler und Projekte dafür auszuwählen.

Thomas Lovejoy, der erstmals im Jahr 1971 eine Förderung der NGS erhalten hatte, brachte sich mit viel Zeit, Energie und wertvollen Ratschlägen in die Planung des Projekts ein. Den Amazonas auf eine Weise zu zeigen, die die Menschen von der Notwendigkeit seines Schutzes überzeugte, war für ihn Zeit seines Lebens eine Herzensangelegenheit. Zu wissen, dass das Projekt nun tatsächlich in die Tat umgesetzt wird, hätte ihm ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert.

Auf die Größe kommt es an

Er lächelte oft, dieser weise, alte Herr mit der obligatorischen Fliege um den Hals. Er war unermüdlich und strahlte doch eine große Ruhe aus. Er war großzügig, geistreich, liebte Witze und glaubte an die Kraft der Hoffnung. Als Mitglied unzähliger Vorstände und Komitees, die sich alle für den Arten- und Naturschutz einsetzen, beriet er Politik und Finanzwelt und führte den Begriff der biologischen Vielfalt in die wissenschaftliche Debatte ein. Wie kaum ein anderer trieb er eine grundlegende Idee voran: Damit die Natur vielfältig und gesund bleibt und von Bestand ist, muss sie groß sein.

BELIEBT

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    Die indigene Peruanerin Ruthmery Pillco Huarcava, Biologin und National Geographic Explorer, erkundet mit ihrem Hund die Umgebung der Wayqecha Biological Station in der Nähe von Cusco, Peru, in den Anden.

    Rechts: Unten:

    Pillco Huarcaya beim Sammeln wilder Blaubeeren. Sie sind eine wichtige Nahrungsquelle des Brillenbärs, der in den Anden lebt und Forschungsschwerpunkt der Biologin im Rahmen der Perpetual Planet Amazon Expedition ist.

    bilder von Florence Goupil
    Links: Oben:

    National Geographic Explorer Fernando Trujillo wird den Amazonasdelfin und die Quecksilberbelastung seiner Nahrung untersuchen.

    Rechts: Unten:

    Der Schädel eines Amazonasdelfins. In Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung plant Trujillo, Maßnahmen zum Schutz der Tiere und ihres Lebensraums zu erarbeiten.

    bilder von Jorge Panchoaga

    In den Fragmenten des altgriechischen Dichters Archilochos gibt es ein Sprichwort: „Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache.“ Der Fuchs ist ein schlaues Raubtier, das hundert unterschiedliche Arten kennt, zu jagen, sich zu verstecken und zu überleben. Der Igel ist nur auf eine Sache spezialisiert: Abwehr. Er weiß, dass er sich gegen seine Feinde – gegen Eulen, Dachse und Füchse – am besten verteidigen kann, indem er sich zu einem Ball zusammenrollt und dadurch seine spitzen Stacheln nach außen richtet. Auch Lovejoy war ein Spezialist: Er wusste, wie wichtig Größe ist – für den Amazonasregenwald und andere Ökosysteme. Deshalb verlieh ich ihm vor 25 Jahren in einem Buch den Namen „Igel des Amazonas“.

    Zwei Jahre nachdem er im Jahr 1973 seine Doktorarbeit über die Diversität und den Artenreichtum der Vögel im Amazonas-Regenwald fertiggestellt hatte, wurde Lovejoy Projektleiter bei der US-amerikanischen Division des World Wildlife Fund (WWF). Wissenschaft und Naturschutz befanden sich damals in einer Zeit des Umbruchs: Naturschutzbiologie existierte als akademische Disziplin noch nicht. Doch die Saat, aus der dieser wissenschaftliche Zweig wachsen würde, war in Form eines kleinen Buchs, das zwei junge Ökologen im Jahr 1967 veröffentlicht hatten, bereits gestreut worden. Ihre Namen: Ed Wilson und Robert H. MacArthur, ein brillanter mathematischer Ökologe, der im Jahr 1972 verstarb. Das Buch mit dem Titel The Theory of Island Biogeography befasst sich mit dem auf Inseln deutlich schneller voranschreitenden Verlust der Artenvielfalt und kommt zu dem Ergebnis, dass der durch den Menschen herbeigeführte Zerfall der großen Ökosysteme in kleine inselähnliche Fragmente einen ebenso rapiden Verlust der Artenvielfalt nach sich ziehen wird.

    „Diesem Zerfall war zuvor von Wissenschaft und Umweltschutz nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt worden, weil der Verlust der Arten in den Fragmenten nur schleichend vor sich ging“, schrieb Lovejoy in seinem letzten Buch Ever Green: Saving Big Forests to Save the Planet. „Der Insel-Vergleich sorgte dafür, dass das Problem als solches wahrgenommen wurde.“

    Die Arbeit von MacArthur und Wilson entfachte eine, wie Lovejoy es nannte, „leidenschaftliche Auseinandersetzung“ über Artenschutzmaßnahmen. Die Frage war, ob in Anbetracht der bei weitem nicht ausreichenden finanziellen und politischen Ressourcen lieber wenige große oder viele kleine Gebiete gefördert werden sollten. In seinen frühen Jahren beim WWF wurde Lovejoy schnell klar, dass die Organisation darauf eine Antwort brauchte: Man musste ihr verdeutlichen, welche Konsequenzen die Fragmentierung von Lebensräumen hat.

    In der Nähe von Altamira wurde in dem brasilianischen Bundesstaat Pará ein großes Waldstück (schwarze Fläche auf der linken Seite) für Viehweiden gerodet. Bei dem angrenzenden weißen Areal handelt es sich um eine stillgelegte Goldmine, rechts davon befindet sich die Viehzucht. Bergbau und Viehhaltung sind zwei Hauptverursacher für die Entwaldung und Zerstörung des Amazonas-Regenwalds.

    Foto von Victor Moriyama

    Mit dem Wissen, das er für seine Doktorarbeit über den Amazonas-Regenwald gesammelt hatte, diplomatischem Geschick, ökologischer Expertise und portugiesischen Sprachkenntnissen setzte Lovejoy ein bahnbrechendes Naturexperiment in die Tat um. Wenn Besitzer Teile ihres Landes roden wollten, um Weiden und Felder anzulegen, waren sie zur damaligen Zeit gesetzlich dazu verpflichtet, mindestens auf der Hälfte ihres Grundstücks den Regenwald unangetastet zu lassen. Einige von ihnen, die nördlich der brasilianischen Stadt Manaus ansässig waren, konnte Lovejoy davon überzeugen, diese natürlichen Flächen in Form von Rechtecken verschiedener Größe anzulegen: Regenwald-Insel in einem Meer aus überhitzen Agrarflächen. Lovejoy arbeitete mit weiteren Wissenschaftlern zusammen, die diese ökologischen Inseln untersuchen sollten, um herauszufinden, wie inwiefern die Isolation und Größe der unterschiedlichen Flächen einen Effekt auf den Verlust der dortigen Artenvielfalt hatten.

    Das Projekt startete im Jahr 1979. Schon bald konnten erste Beweise für MacArthurs und Wilsons Theorie erbracht werden: In den Waldinseln wurde nicht nur einen genereller Artenschwund bemerkt, sondern stellten auch festgestellt, dass dieser schneller voranschritt je kleiner die Insel war. War eine Fläche zum Beispiel so klein, dass der Weißbartpekari – eine Art Nabelschwein – keine Nahrung mehr fand, führte dies ebenso zum Verlust von mindestens vier Froscharten, die in den Suhlen der Pekaris leben. Das Verschwinden einer Spezies zog erdrutschartig das anderer nach sich. Ein derartig unaufhaltsamer Verlust der Biodiversität wird als Ökosystemzerfall bezeichnet.

    Ein seltsamer Käfer

    Als ich Lovejoy Mitte der Achtzigerjahre kennenlernte, war sein Experiment inzwischen weltberühmt – zumindest in naturschutzwissenschaftlichen Kreisen. Ich wollte an die Arbeit von MacArthur, Wilson und Lovejoy anknüpfen und ein Buch darüber schreiben. Während einer Konferenz im Yellowstone-Nationalpark (der, wie einige Leute anmerkten, selbst Teil eines Inselökosystems im modernen Westen der USA ist), löcherte ich Lovejoy mit Fragen. Bei dem gemeinsamen Besuch einer Bar – der Lake Lodge, wenn ich mich recht erinnere – versuchte ich, so viel wie möglich über das Amazonas-Experiment herauszufinden, zeichnete aufgeregt verschieden große Inseln auf Cocktailservietten und bat ihn, meine Annahmen zu bestätigen oder zu korrigieren. Auf seinem Gesicht machte sich das für ihn typische Grinsen breit, als er sagte: „Lassen Sie uns gemeinsam in den Amazonas reisen.“

    In den Siebzigerjahren konnte Lovejoy Landeigentümer im Norden von Manaus davon überzeugen, Waldstücke verschiedener Größen zu Forschungszwecken bestehen zu lassen. In den Jahrzehnten, die seitdem vergangen sind, wurden die Areale von Wissenschaftlern beobachtet, die so dokumentieren konnten, welche Folgen die Fragmentierung des Regenwalds für die hier heimischen Lebewesen hat.

    Foto von Mark Moffett, Minden Pictures

    Einige Monate später trafen wir uns am Flughafen in Miami und bestiegen ein Flugzeug nach Manaus. Lovejoy war direkt von einem WWF-Termin in Washington gekommen und trug noch seinen Anzug. Am nächsten Morgen wurden wir in Manaus von sturzbachartigen Regenfällen empfangen. Als er aus dem Flugzeug stieg, öffnete Lovejoy seinen Faltregenschirm. Er kannte das schon.

    An einem späten Nachmittag, nachdem wir bereits einige Tage in der Forschungsstation Camp 41 nördlich von Manaus verbracht hatten, saßen wir zur Abkühlung in einem kleinen Wasserbecken, das von einem Fluss gespeist wurde. Wie in den Tropen üblich wurde es schnell dunkel. Plötzlich nahm ich zu meinem großen Erstaunen eine Erscheinung wahr: Eine große orangene Lichtkugel, die im Zickzack-Kurs durch die untere Baumschicht des Regenwalds auf uns zuflog. Sie verschwand kurz, nur um sich dann wieder auf uns zuzubewegen – zehnmal größer und schneller als eine Libelle. Verwirrt verfolgten wir mit offenen Mündern den Flug des unbekannten Objekts, bis es plötzlich mitten in der Luft anhielt und zu schweben schien. Ich kletterte aus dem Wasser und ging argwöhnisch darauf zu. Als ich nah genug war, erkannte ich, womit wir es zu tun hatten: Ein etwa fünf Zentimeter langer Käfer mit einem Leuchtorgan, der sich in dem Netz einer Fledermausfalle verfangen hatte. Als ich ihn berührte, wurde das Leuchten intensiver – als wäre er empört über diese Frechheit.

    Wir fingen den Käfer ein und verstauten ihn vorsichtig in einem Ziplock-Beutel, in dem er saß und uns Gesellschaft leistete, während wir am Campingtisch einen Fischeintopf zum Abendbrot aßen. Wir unterhielten uns über Naturschutzpolitik, Wissenschaftsförderung und viele andere Sachen, bevor wir uns schließlich wieder dem Käfer zuwandten. Ich erkannte, dass es sich um ein Exemplar aus der Familie der Schnellkäfer handelte, die unterhalb des Brustkorbs über einen Sprungapparat verfügen. Unser Käfer trug auf dem Brustkorb zwei große ovale Augenflecken, die grün leuchteten und sehr schön zu dem Orange passten, in dem sein Leuchtorgan erstrahlte. Er war eine beeindruckende Kreatur. Ich fragte Lovejoy, um welche Spezies es sich handelte, denn ich ging davon aus, dass diese auffällige Art eine der bekanntesten der lokalen Tierwelt sein musste. Ich erwartete, dass Lovejoy mir ohne mit der Wimper zu zucken eine Antwort geben würde.

    Stattdessen aber sagte er: „So einen haben ich noch nie zuvor gesehen.“

    Handelte es sich also um eine neue, bisher unbekannte Spezies? Soweit ich wusste, hatte es im Camp 41 bisher keine etymologischen Untersuchungen gegeben. Ich dachte also, dass wir den Käfer sammeln, ihn also sachgemäß töten, mit einer Nadel aufspießen oder in Alkohol einlegen und ihn für die weitere Untersuchung, Beschreibung und Benennung nach Manaus oder Washington bringen würden. Tausende namenlose, bisher unbekannte Käferarten warteten zu diesem Zeitpunkt schon in den Archiven der Museen und Institute der Welt darauf, von überarbeiteten Taxonomen begutachtet zu werden. Dieses Schicksal wollte Lovejoy dem Käfer ersparen. Nach dem Essen, ließen wir ihn wieder frei.

    Mit dieser Aktion zeigte Lovejoy ohne Worte, dass kleine Dinge genauso wichtig sind, wie große. Jedes einzelne Leben ist wertvoll, sogar das eines Käfers, insbesondere dann, wenn es Teil eines größeren lebenden Organismus ist.  

    Der Amazonas-Regenwald und sein Wasserkreislauf

    Die Jahrzehnte verstrichen. Lovejoy wechselte vom WWF zum Smithsonian, wurde leitender Artenvielfaltsberater der Weltbank, und nahm danach weitere Rollen bei anderen Institutionen an. Seine Mission blieb über die Jahre jedoch immer dieselbe: Die Menschen dieser Welt für das Artensterben und das Verhalten, das dieses begünstigt, zu sensibilisieren. Doch die Zerstörung von Lebensräumen und deren Fragmentierung hörte nicht auf und verschlimmerte sich sogar. Hinzu kamen die schädlichen Folgen des Klimawandels, den Lovejoy als einer der Ersten der Liste der Gefahren für die Biodiversität hinzufügte.

    Im Jahr 1992 war Lovejoy Mitherausgeber des Buchs Global Warming and Biodiversity. Es enthielt wissenschaftliche Arbeiten eines Symposiums, das er während seiner Zeit beim amerikanischen Nationalzoo Smithsonian in Washington, D.C., mit ins Leben gerufen hatte. Zwei weitere Bücher zu demselben Thema, die er gemeinsam mit dem Naturschutzökologen und Klimaforscher Lee Hannah herausgab, folgten. Alle drei Publikationen beinhalteten Fallstudien und zeigten einen beängstigenden Trend auf – aber sie empfohlen auch Maßnahmen zu dessen Bekämpfung. Verzweiflung und Resignation standen für Lovejoy immer außer Frage. Er liebte die Natur zu sehr, um aufzugeben oder wegzusehen.

    Die wichtige Rolle der schieren Größe eines Ökosystems verlor er dabei nie aus den Augen. Im Jahr 2019 war er Co-Autor eines vielbeachteten Fachartikels mit dem Titel „Amazon Tipping Point: Last Chance for Action.”, den er gemeinsam mit dem brasilianischen Meteorologen Carlos Nobre verfasste. Der Text befasste sich mit dem Wasserkreislauf des Amazonas-Regenwald, der bis zu einem gewissen Grad das Wetter in dem Ökosystem lenkt. Billionen Liter Regenwasser werden hier mittels Evapotranspiration – also durch die Gesamtverdunstung der bewachsenen Bodenoberfläche – wieder an die Luft abgegeben. Der Wind trägt die feuchten Luftmassen nach Westen in die Anden, von dort aus kehren sie als Regenwasser in den Amazonas zurück.

    Die ständige Verkleinerung des Regenwalds durch Kahlschlag und Rodungen wird diesen Lovejoy und Nobre zufolge an einen Kipppunkt bringen, an dem der Wasserkreislauf zusammenbrechen wird. Die harte Realität sei, dass „der kostbare Amazonas-Regenwald sich an der Grenze zum Totalausfall befindet.“ Die Autoren warnen, dass das Verschwinden des Regenwalds düstere Konsequenzen haben werde – für Frösche, Pekaris, Käfer und Menschen.

    Noch könnten diese katastrophalen Folgen abgewendet und das Gleichgewicht wieder hergestellt werden, doch dafür seien „ein starker Wille und viel Fantasie nötig“. Über beides verfügte Lovejoy in großem Maße. Nach seinem Tod fällt nun uns die Aufgabe zu, seine Mission weiterzuführen. Das Perpetual Planet Projekt soll alle Aspekte dieses großen und großartigen Ökosystems beleuchten und ihr Zusammenspiel herausarbeiten.

    Riesiges Forschungsgebiet

    Der Biologe Thiago Silva und seine Kollegen werden im Rahmen des Projekts untersuchen, wie sich der Einfluss des Menschen – insbesondere der Klimawandel und die Entwicklung der Wasserkraft – auf die Funktion und Vielfalt der saisonalen Flutgebieten niederschlägt. Diese sind wichtige  Paarungs- und Brutgebiete für viele Wasserlebewesen. Der Schwerpunkt der Arbeit des Ökologen und Rolex-Preisträgers João Campos-Silva und der Biologin Andressa Scabin liegt auf den größeren Organismen in den Gewässern des Amazonas – darunter Riesenotter, Schwarze Kaimane, Amazonasdelfine und die Arrau-Schildkröte –, die durch die Ausbeutung und veränderten Lebensbedingungen im Amazonasbecken unter Druck geraten sind. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung wollen sie außerdem vielversprechende Wege finden, wie der Artenerhalt mithilfe der hier lebenden Gemeinschaften umgesetzt werden kann.

    Ruthmery Pillco Huarcaya und ihr Team nehmen sich dem Brillenbär an, dem einzigen Säugetier, das sowohl im Wolken- und Nebelwald als auch im Grasland am Fuße der Berge zu Hause ist. Auf der anderen Seite des Kontinents überwachen der Meeresbiologe Angelo Bernardino und seine Kollegen den Zustand der Amazonasmangrovenwälder an der Küste – dem größten Mangrovengebiet der Welt – und analysieren, wie diese Kohlenstoff binden und zur Stabilisierung der Küstenregionen beitragen.

    Diese und andere Studien, die sich unter anderem mit dem Wetter in den Höhenlagen der Anden, den Folgen des Goldabbaus sowie der Zusammensetzung des Bodens in den Mangrovengebieten befassen, werden in Bezug auf die Funktionalität des Amazonas-Regenwalds wichtige Erkenntnisse liefern. Jede von ihnen trägt einen kleinen Teil zu diesem großen Projekt von äußerster Dringlichkeit bei – ganz im Geiste von Thomas E. Lovejoy, der wusste: Auch die kleinen Dinge sind wichtig.

    Das Amazonasdelta ist ein Hotspot der biologischen Vielfalt – ein Ziel für Zugvögel aus Nordamerika und die Heimat des größten Mangrovengürtels der Welt.

    Foto von VICTOR MORIYAMA
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