Hoffnung für Korallenriffe: Überraschend schnelle Erholung nach Korallenbleiche

Die Meereserwärmung führt zu einem rasanten Absterben von Korallen. Eine neue Studie zeigt jetzt, dass sich die einzigartigen Ökosysteme schneller regenerieren können als bisher gedacht – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 29. Apr. 2022, 12:43 MESZ
Unterwasseraufnahme eines Fischschwarms inmitten von Korallen.

Ein gesundes Korallenriff wie dieses in Indonesien dient unzähligen Meeresbewohnern als Lebensraum und Nahrungsquelle.

Foto von Tom Fisk / Pixels

Korallenriffe sind die größten von Lebewesen geschaffenen Strukturen der Erde und Heimat einer großen Zahl von Tier- und Pflanzenarten. Für Meeresbewohner sind diese einzigartigen Ökosysteme eine unverzichtbare Nahrungsquelle – und in der Folge auch für uns Menschen von großer Bedeutung. Doch die Riffe sind in Gefahr. Seit den Achtzigerjahren konnte beobachtet werden, wie ihnen die sogenannte Korallenbleiche in immer größer werdenden Teilen und mit zunehmender Intensität die Farbe nimmt. Der Grund: Korallen leben in enger Symbiose mit bestimmten Algenarten, die durch steigende Wassertemperaturen aus dem Korallengewebe ausgestoßen werden. Durch den Rückgang der Algen kommt schließlich das weiße Kalkgehäuse der Korallen zum Vorschein. Dauert die Bleiche nur kurze Zeit an, kann die Koralle neue Algenzellen – und damit die symbiotische Beziehung – wiederaufnehmen. Hält der Zustand jedoch zu lange an, führt er schließlich zum Absterben der Korallen und zum Zusammenbruch des Ökosystems.

Das australische Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt, ist in dieser Hinsicht besonders schwer und wiederholt betroffen: Seit dem Jahr 1998 wurden laut einer Studie aus dem Jahr 2021 98 Prozent des gesamten Riffs von der Korallenbleiche heimgesucht. Im März 2022 wurde der Beginn einer erneuten Korallenbleiche gemeldet – der vierten in nur sechs Jahren. Laut dem Umweltbundesministerium dauert es bei schnell wachsenden Korallen mindestens zehn Jahre, bei langlebigen Korallen sogar mehrere Jahrzehnte, bis sie sich wieder erholen. Zeit, die in Anbetracht des ungebrochenen Trends mariner Hitzewellen nicht bleibt.

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Wie misst man die Riffgesundheit?

Eine Studie von Forschenden der Universität Exeter, England, und dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen gibt nun ein wenig Anlass zur Hoffnung. Sie wurde von der Association for the Sciences of Limnology and Oceanography (ASLO) veröffentlicht und zeigt, dass eine schnellere Erholung unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.

Im Mittelpunkt der Forschung standen zwölf Riffe in drei Atollen des Chagos-Archipels, einer abgelegenen Inselgruppe im Indischen Ozean, die etwa 500 Kilometer südlich der Malediven liegt. Für ihre Studie ermittelten die Wissenschaftler das sogenannte Riffkarbonatbudget der Jahre 2015, 2018 und 2021. Dieses beschreibt das Gleichgewicht zwischen Produktion und Erosion von Kalziumkarbonat – dem Stoff, aus dem Korallenskelette bestehen. Das Karbonatbudget lässt Rückschlüsse auf die Gesundheit der Riffe zu – und damit auf ihre Fähigkeit, Küsten vor Wellenenergie zu schützen, Meeresbewohnern einen Lebensraum zu bieten und mit dem Anstieg des Meeresspiegels Schritt zu halten.

Wie zu erwarten hinterließ die besonders schwere globale Korallenbleiche der Jahre 2015 und 2016 auch am Chagos-Archipel ihre Spuren: Durch das Absterben von Korallen gingen der Korallenbewuchs und die Karbonatproduktion in den Riffen um über 70 Prozent zurück. Im Jahr 2018 waren die ehemals gesunden Riffe deutlich geschrumpft.

Taucht ab in eines der unberührtesten Korallenriffe der Welt
Das Tubbataha-Riff der Philippinen ist eines der ursprünglichsten Korallenriffe der Welt – und eines der artenreichsten.

Schlüssel zur Regeneration: viel Ruhe

Als die Wissenschaftler jedoch im Jahr 2021 – sechs Jahre nach der Bleiche – den Archipel erneut untersuchten, stellten sie fest, dass sich alle zwölf Riffe sichtbar regeneriert hatten. In den Riffen des Salomon-Atolls war das Karbonatbudget wieder deutlich im Plus und die wichtigsten Korallenarten waren in großer Zahl zurückgekehrt. Auch die anderen beiden Atolle erholten sich, wenn auch etwas langsamer.

Ines Lange, Korallenriffökologin an der Universität Exeter und Hauptautorin der Studie, zeigt sich deswegen in Hinblick auf die Zukunft der Riffe des Chagos-Archipels optimistisch. „Aufgrund der überraschend schnellen Rückkehr vieler verschiedener Korallenarten gehen wir davon aus, dass sich die Riffe im Chagos-Archipel in den nächsten Jahren wahrscheinlich vollständig erholen werden“, sagt sie.

Ein Hauptgrund für die unerwartet schnelle Regeneration der Riffe ist ihre abgeschiedene Lage: Die nördlichen Atolle der Inselgruppe sind seit Jahrzehnten unbewohnt und liegen in einem der größten marinen Schutzgebiete der Welt. Sie sind deshalb kaum menschlichen Einflüssen wie der Fischerei ausgesetzt. Ein weiterer glücklicher Umstand, den die Forschenden feststellten, war der weitgehende Erhalt der großen Artenvielfalt der Riffgemeinschaft nach der Korallenbleiche. Außerdem siedelten sich in den sechs Jahren des Beobachtungszeitraums vor allem Tischkorallen in den Riffen an. Diese wachsen  besonders schnell.

Schutzmaßnahmen weiterhin notwendig

Die Studie zeigt, dass sich Korallenriffe nach großflächigen Störungen relativ zügig erholen können – wenn die Voraussetzungen stimmen und sie in geschützten Gebieten ohne lokale Einflüsse wie Fischerei, Abwässer oder Veränderungen der Küstenlinie liegen. „Solche Regionen können als Modell dienen, um den natürlichen Verlauf der Rifferholung zu beobachten“, sagt Dr. Marleen Stuhr, Biochemikerin und Geologin am ZMT und Autorin der Studie. Zu verstehen, welche Prozesse die Regeneration von Riffgemeinschaften vorantreiben, ist ihr zufolge besonders wichtig, um diese Ökosysteme vor den zunehmenden globalen Bedrohungen zu schützen.

Auf Maßnahmen, die die Erwärmung der Meere aufhalten und Korallenriffe schützen, darf trotz dieser positiven Ergebnisse jedoch keinesfalls verzichtet werden. Dass sich Korallen schneller als gedacht von der Korallenbleiche erholen können, ist eine gute Nachricht. Doch eine erneute marine Hitzewelle kann den Regenerationsprozess schnell wieder unterbrechen oder ganz zunichtemachen. Auch Langes Prognose für den Chagos-Archipel ist nicht ohne Wenn und Aber. Eine komplette Erholung innerhalb weniger Jahre sei möglich, aber nur, „wenn die Region von einer weiteren Korallenbleiche verschont bleibt.“ Schreitet die Erderwärmung voran wie bisher, ist dies jedoch ein unwahrscheinliches Szenario.

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