Umstrittenes Schiefergas: Sollte Fracking erlaubt werden?

Es gibt große Gasvorkommen in Deutschland. Mit Fracking könnte man sie nutzen. Doch die Fördertechnik ist hierzulande verboten. Im Zuge der Energiekrise ist die Diskussion neu entflammt. Die wichtigsten Argumente von Gegnern und Befürwortern.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 16. Feb. 2023, 15:58 MEZ
Eine blau-brennende Gasflamme auf einem Gasherd vor schwarzem Hintergrund

Aktuell gibt es keinen Gasmangel. Deutschland bezieht zunehmend Flüssiggas aus Übersee.

Foto von Adobe Stock

Es bleiben noch zwölf Jahre. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Dazu muss der Ausbau der erneuerbaren Energien verdoppelt werden. Eine riesige Herausforderung. Zumal Solar- und Windkraft nicht grundlastfähig sind: Ohne Wind und Sonne kein Strom. Als Schlüssel für eine klimaneutrale Zukunft gilt daher Wasserstoff. Er kann grundsätzlich jederzeit Energie liefern. Es gibt aber weitere Probleme: Noch ist Wasserstoff teuer. Außerdem gibt aktuell viel zu wenig davon. 

Deshalb sollen Gaskraftwerke die Elektrizitätsversorgung in Deutschland sicherzustellen, bis sich die Wasserstoff-Technologie etabliert hat. Doch die Quelle für billiges Pipeline-Gas ist seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine versiegt. Seitdem wurde im Eiltempo mit dem Bau von Flüssiggas-Terminals (LNG) in deutschen Seehäfen begonnen. Im Dezember ging der erste Anleger in Wilhelmshaven in Betrieb. Damit kommt eine beachtliche Menge des Energieträgers nicht mehr gasförmig über Pipelines nach Deutschland, sondern verflüssigt in riesigen Tanks. Zum großen Teil handelt es sich um Fracking-Gas, zum Beispiel aus den USA.

Hyraulic Fracturing: So funktioniert Fracking

Fracking, genauer gesagt Hydraulic Fracturing: Kaum eine Technologie ist hierzulande so umstritten. Sollte auch Deutschland Fracking-Gas produzieren? Gegner warnen vor unkalkulierbaren Umweltrisiken. Befürworter versprechen sich eine größere Unabhängigkeit von ausländischen Energielieferungen. Das Grundprinzip: In großer Tiefe von bis zu 5.000 Metern wird ein Wasser-Sand-Chemikalien-Gemisch in gashaltige Gesteinsschichten wie Schiefer gepresst. Die Chemikalien dienen unter anderem als Lösungsmittel. Außerdem sollen sie Keime abtöten. Durch den hohen Druck entstehen Risse im Gestein. Nach diesem Aufsprengen ist das eigentliche Fracken vorbei. Jetzt strömt das Gas zum Bohrloch.

Fracking: In großer Tiefe wird eine Flüssigkeit in gashaltige Gesteinsschichten wie Schiefer gepresst. Durch den hohen Druck entstehen Risse im Gestein, aus denen das Gas entströmt.

Foto von Adobe Stock

Die USA setzen seit über 70 Jahren Fracking ein, um ihre Erdöl- und Erdgaslagerstätten effektiver ausbeuten zu können. Seit rund 20 Jahren wird es dort massiv genutzt, um Schiefergas zu fördern. In Deutschland ist Fracking seit 2017 verboten. Erlaubt sind nur Probebohrungen zu Forschungszwecken. 

Auch die Ampelregierung hält im Koalitionsvertrag am Verbot fest. Doch ausgerechnet ein Vorschlag aus den eigenen Reihen sorgt für Diskussionen: FDP-Chef Christian Lindner fordert ein Ende des Verbots und einen schnellen Einstieg ins Fracking. Auf diese Weise will er in wenigen Jahren einen erheblichen Teil des Gasbedarfs aus heimischen Quellen decken. 

Laut Gasverband BVEG deckt Deutschland aktuell nur fünf Prozent seines Gasbedarfs selbst. Das meiste stammt aus Lagerstätten in Niedersachsen. Dabei ließe sich noch viel mehr Gas fördern. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzt die heimischen Schiefergas-Vorkommen auf bis zu 2.300 Milliarden Kubikmeter. Nimmt man den derzeitigen Verbrauch zum Maßstab, könnte sich Deutschland damit mehr als 25 Jahre lang komplett mit eigenem Gas versorgen. Kann Fracking-Gas aus heimischen Förderstätten also zumindest mittelfristig einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung in Deutschland leisten? 

Galerie: Amerikanische Ureinwohner verklagen Fracking-Unternehmen wegen Erdbeben

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Fracking-Gegner schließen dies aus. Sie befürchten unter anderem Methanlecks und Grundwasserverschmutzungen sowie Erdbeben, die durch die Bohrungen ausgelöst werden könnten. Außerdem würde es mehrere Jahre dauern, bis deutsches Fracking-Gas verfügbar wäre. „Damit ist Fracking keine Lösung für die derzeitige Energiekrise“, sagt Viviane Raddatz, Fachbereichsleiterin für Energiepolitik beim WWF Deutschland.

    Auch der Bund bleibt bei seiner Haltung. „In öffentlichen Diskussionen wird häufig der Eindruck erweckt, moderne Fracking-Techniken machten eine ökologisch vertretbare Förderung in Deutschland möglich“, erklärt das Bundesumweltministerium. „Eine solche Einschätzung ist voreilig und umweltpolitisch nicht zu vertreten, denn es fehlen belastbare Erkenntnisse über die tatsächlichen Auswirkungen dieser Technologie in Deutschland.“

    Fracking: Weniger gefährlich als gedacht? 

    Neue Erkenntnisse liefern – dazu hat die Bundesregierung die unabhängige Expertenkommission Fracking eingesetzt. Das Gremium zieht ein für viele überraschendes Fazit. Denn es hält Fracking für weniger gefährlich als früher.  Im Abschlussbericht des Gremiums heißt es, die technologischen Verfahren hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt. „Die Studien zeigen, dass sich die Umweltrisiken aufgrund von Fracking unkonventioneller Lagerstätten durch eine angepasste Steuerung und Überwachung der Maßnahmen minimieren lassen.“

    Fracking: Eine Anlage zur Förderung von Schiefergas.

    Foto von Adobe Stock

    Fürsprecher der umstrittenen Fördertechnik berufen sich auf diese Einschätzung. Fracking sei „nach dem gegenwärtigen Stand der Technik und bei konsequenter Anwendung der hohen deutschen Umweltstandards technisch beherrschbar“, erklärt etwa die Deutsche Geologische Gesellschaft – Geologische Vereinigung (DGGV), eine Vereinigung deutscher Geologen und anderer Geowissenschaftler. Fracking in Deutschland: Das sei wegen des geringeren CO2-Fußabdrucks außerdem umweltverträglicher als der Import von flüssigem Fracking-Gas.

    Gasförderung: Nur eine Brückentechnologie

    Fracking-Befürworter führen ein weiteres Argument ins Feld: In Deutschland gelten vergleichsweise strenge Umweltstandards. Ist es da zu verantworten, schmutziges Fracking-Gas aus Ländern mit laschen Öko-Richtlinien zu importieren? Die Geologenvereinigung unterstreicht: „In der Zulassung der heimischen Erdgasförderung liegt eine große Chance, die immer noch existierenden Abhängigkeiten von ausländischen Energielieferungen zu reduzieren und Erdgas nach höchsten Umweltstandards zu gewinnen.“ Gleichwohl stehe außer Frage, dass fossile Energiequellen so schnell wie möglich durch erneuerbare, klimaneutrale Energien ersetzt werden müssten. 

    In einem sind sich die meisten Gegner und Befürworter von Fracking also einig: Gas soll nur eine Brückentechnologie in eine saubere Zukunft sein. 

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved