Ungewöhnliche CO2-Speicher: Mit Algenschleim gegen den Klimawandel

Auf Suche nach Lösungen für den Umweltschutz ist eine neue Pflanze in den Fokus gerückt: die Braunalge.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 6. Jan. 2023, 08:46 MEZ
Nahaufnahme von Braunalgen unter Wasser.

Wie andere Pflanzen benötigt Blasentang, eine Braunalgen-Art, Kohlenstoff um zu wachsen. Dabei sondert sie einen Schleim ab. Dass dieser erhebliche Mengen Kohlendioxid einlagert, wurde bislang kaum beachtet.

Foto von Zoologische Station Tvärminne, Finnland / Camilla Gustafsson

Die natürlichen CO2-Speicher: Meist denkt man dabei wohl an Bäume, vor allem an heimische und tropische Wälder. Die wahren grünen Lungen unserer Erde verstecken sich jedoch beinahe unscheinbar im Erdgestein, in den Mooren oder in Form von Wasserpflanzen in den Ozeanen und Meeren.

Insbesondere Braunalgen tragen einen großen Teil zur Speicherung des Kohlenstoffs bei – genauer gesagt ihr Schleim. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie in Bremen, die in der Zeitschrift PNAS erschien, verdeutlicht, dass dessen große Rolle als CO2-Speicher für die Umwelt bislang kaum berücksichtigt wurde. Die Forschenden betonen, wie wichtig dieser Prozess für die zukünftige Kohlendioxidentfernung aus der Atmosphäre sein könnte.

Studie nimmt Schleim von Braunalgen unter die Lupe

Um zu wachsen, nutzen Pflanzen den Vorgang der Photosynthese. So auch der Blasentang Fucus vesiculosus. Dass sowohl er als auch andere Algenarten wie etwa Seetang dadurch als massive Kohlenstoffspeicher agieren, ist bekannt. Die Forschenden vom Max-Planck-Institut um Hagen Buck-Wiese gingen jedoch einen Schritt weiter und legten den Fokus auf die Absonderungen, die von den Algen ausgehen.

Ein Biologe bringt die Unterwasserwelt zum Leuchten

Um herauszufinden, inwiefern diese Kohlendioxid speichern, untersuchten sie die verschiedenen darin enthaltenen Substanzen. „Die Ausscheidungen der Braunalgen sind sehr komplex und daher unglaublich kompliziert zu messen“, sagt Buck-Wiese. „Es ist uns aber gelungen, eine Methode zu entwickeln, um sie detailliert zu analysieren.“

Fucoidan – ein bislang unbeachteter Kohlenstoffsenker 

Der sogenannte Fucoidan war dabei von besonderem Interesse. Die schleimigen Ausscheidungen des untersuchten Blasentangs bestehen bis zu 50 Prozent aus dieser natürlichen Verbindung. Messungen der Studie zeigten, dass die untersuchten Pflanzen in der Ostsee südwestlich von Finnland täglich rund 0,3 Prozent ihrer eigenen Masse als Schleim an ihre direkte Umgebung abgeben. 

„Die Fucoidan-Sekretion besteht nur aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Schwefel und verbraucht keine Nährstoffe, die eine Kohlenstoffbindung unabhängig vom Algenwachstum ermöglichen“, heißt es in der Studie. Die Menge an Schleim hemmt also nicht etwa das eigene Wachstum der Pflanze. Auf ein Jahr gerechnet übersteigt die Menge an Kohlenstoff, die sie in Form von Absonderungen produziert, sogar ihre eigene Biomasse. 

Braunalgen und ihr Schleim – die Klimaretter von morgen?

Des Weiteren hat Fucoidan auch die Eigenschaft, nur sehr langsam abgebaut zu werden. „Das Fucoidan ist so komplex, dass es nur schwer für andere Organismen nutzbar ist. Keiner scheint es zu mögen“, sagt Buck-Wiese. Die Tierwelt kann der zuckerhaltigen Biomasse also schlichtweg nichts abgewinnen. Sinken die Absonderungen einmal auf den Meeresgrund und werden von Sedimenten überlagert, bleibt also auch das in ihnen enthaltene CO2 gespeichert. Auf diese Weise werde das Kohlendioxid langfristig aus der Atmosphäre entfernt – für hunderte bis tausende von Jahren.

Was die Forschenden in Bezug auf die positive Klimabilanz der Unterwasserpflanzen zusätzlich hoffnungsvoll stimmt: Braunalgen wie Blasentang legen als Kohlenstoffspeicher eine ausgesprochen hohe Produktivität an den Tag. Schätzungsweise rund eine Milliarde Tonnen Kohlenstoff können sie der Atmosphäre jährlich entziehen. Dies entspricht einer langfristigen Einlagerung von 550 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, der ungefähren Menge der Treibhausgas-Emissionen Deutschlands. 

Nach der erfolgreichen Untersuchung nahe Finnlands will Hagen Buck-Wiese zukünftig auch andere Standorte in den Blick nehmen: „Das große Potenzial der Braunalgen für den Klimaschutz gilt es unbedingt weiter zu erforschen und zu nutzen.“ 

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