Lebensmittelverschwendung privater Haushalte: Wer besonders viel wegwirft – und warum

In Deutschland enden jedes Jahr 78 Kilo Lebensmittel pro Kopf im Abfall. Warum werfen Menschen regelmäßig Dinge weg, die sie teuer bezahlt haben? Forschende in Bayern haben sich diesem Phänomen angenommen.

Von Nina Piatscheck
Veröffentlicht am 20. Apr. 2023, 12:19 MESZ
Zwei bereits braune Avocados liegen aufgeschnitten auf einem Brett.

Gerade war die Avocado noch zu unreif zum Essen und plötzlich ist sie schlecht – dieses Szenario ist keine Seltenheit. Vor allem gesunde Lebensmittel werden in Deutschland tonnenweise verschwendet. 

Foto von ganusik1304 / Adobe Stock

Wer kennt es nicht: Schon wieder ist der Salat Matsch – und landet im Mülleimer. Die 1,20 Euro hätte man auch direkt verbrennen können. Und trotzdem wird es wieder passieren: 78 Kilo Lebensmittel werfen die Deutschen pro Kopf laut Statistischem Bundesamt weg, Jahr für Jahr. Wie kommt es, dass Menschen Dinge, die sie teuer bezahlt haben, regelmäßig vergammeln lassen?

Dieser Frage sind Forschende der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage nachgegangen. Die knapp 1.300 Studienteilnehmenden wurden dabei von der Planung des Einkaufs bis zum Verzehr und der Entsorgung befragt. Nach Angaben der Uni ist die Studie in Deutschland die erste so umfassende Untersuchung von Lebensmittelverschwendung. Sie erschien am selben Tag, an dem sich auch der Bundestag mit Lebensmittelverschwendung befasste.

Wir werfen ein Drittel aller weltweiten Lebensmittel weg

Wer viel Essen wegwirft, weicht im Leben oft von Plänen ab

Durchgeführt wurde die Studie von Verhaltensökonomin Helen Zeidler, die bei den Antworten ein Muster erkannte: Nämlich, „dass insbesondere solche Personen zum Wegwerfen von Lebensmitteln neigen, die sich zwar Pläne für die Zukunft machen, dann jedoch davon abweichen – etwa im Hinblick auf die Absicht, mehr Sport zu treiben oder Geld zu sparen“, so Zeidler. Solche Vorhaben brächten zwar Vorteile in der Zukunft, seien jedoch in der Gegenwart mit Aufwand verbunden.

Für Essen bedeutet das: Es werden zwar gesunde Produkte eingekauft, deren Zubereitung ist jedoch im Vergleich zu Fertigprodukten oder Snacks aufwendiger. Aus den Plänen beim Einkauf werden in der Küche dann also regelmäßig: Spaghetti mit Pesto. Und aus dem Gemüse: Müll. Nicht nur Schimmel ist dabei ein Treiber: 24 Prozent der befragten Personen werfen Lebensmittel weg, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. 

Je jünger der Mensch, desto größer die Verschwendung

Wer sich angesprochen fühlt, ist nicht alleine: Rund 50 Prozent der Menschen bleiben nicht bei ihren Plänen. „Insgesamt neigt knapp die Hälfte der Befragten dazu, von Präferenzen abzuweichen, die sie für die Zukunft getroffen haben“, sagt Helen Zeidler. Dabei mache weder Geschlecht noch Bildungsgrad einen Unterschied. Auch nicht, ob die Menschen auf dem Land oder in der Stadt wohnten.

Sehr wohl einen Unterschied machte jedoch das Alter: Je älter der oder die Befragte, desto weniger wurde weggeworfen. Und: Menschen, die öfter – und vielleicht weniger gezielt – einkaufen, warfen mehr Lebensmittel weg.

Je gesünder das Essen, desto öfter landet es im Müll

Die Studie zeigt auch: Ein Großteil der Lebensmittelverschwendung entsteht durch die Entsorgung gesunder Lebensmittel. Die Zubereitung von Gemüse werde oft aufgeschoben – so lange, bis der Schimmel sich ihm annimmt. 

BELIEBT

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    Immerhin: „Das Verhalten des Personenkreises, der zur Lebensmittelverschwendung neigt, ist eine Konsequenz, die nicht beabsichtigt ist“, so Zeidler. Dass die noch beim Einkauf so verlockende Zucchini dann doch im Kühlschrank in Vergessenheit gerät, weil man sie erst zubereiten muss, führt sie auf eine tendenzielle Ungeduld zurück: „Früher waren es gerade die ungesunden Speisen, die in der Zubereitung den größten Aufwand machten. Doch die heutige Verfügbarkeit von vorproduzierten Lebensmitteln hat zu einer grundlegenden Veränderung im Verhalten beigetragen.“

    Nicht nur für den Geldbeutel ist diese Entwicklung schlecht. Zuletzt zeigte eine Studie, die im Fachmagazin Nature Food publiziert wurde, wie sehr sich Lebensmittelverschwendung auf das Klima auswirkt: Nach Angaben der Forschenden ist die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen aus der Lebensmittelproduktion allein auf Abfälle und Verluste zurückzuführen. Besonders schwer ins Gewicht fällt dabei die Verschwendung von Fleisch.

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