Korallenriffe und Seevögel retten – durch Rattenbekämpfung

Die Artenvielfalt auf Inseln ist bedroht. Vor allem dort brütende Seevogelpopulationen sind durch Lebensraumverlust und invasive Arten gefährdet. Eine Studie zeigt, was passiert, wenn eingeschleppte Ratten entfernt werden.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 26. Juni 2024, 09:49 MESZ
Illustration einer grünen Insel, über der Vögel kreisen.

Rußseeschwalben und andere Seevögel fliegen über ein abgelegenes Atoll, auf dem es keine Ratten gibt.

Foto von Nathan Peacock

Ozeanische Inseln sind anders als kontinentale Inseln nicht an die Landmassen des Festlands angebunden. Sie ragen frei aus dem Meer und liegen geografisch isoliert. Das führt dazu, dass diese Vulkaninseln und Atolle oft Heimat von Tier- und Pflanzenarten sind, die nur dort zu finden und auf ihren kleinen Lebensraum und die dortigen Bedingungen extrem angepasst sind. Inseln sind darum Epizentren des Artensterbens: 80 Prozent der verlorenen Spezies waren einst auf einer von ihnen zu Hause, bevor der Verlust ihres Lebensraums durch menschliche Aktivitäten und die Bedrohung durch invasive Arten ihre Existenz beendet haben.

Wo viel auf dem Spiel steht, kann auch viel gewonnen werden. Deshalb hat sich ein  internationales Forschungsteam unter der Leitung der Meeresökologin Ruth Dunn von der Lancaster University, England, mit Maßnahmen zur Wiederherstellung der ursprünglichen Inselvegetation und der Entfernung invasiver Arten aus den Ökosystemen beschäftigt. Im Fokus der Studie, die in der Zeitschrift Conservation Biology erschienen ist, stehen Seevögel und die Frage: Gibt es, wenn sich die Populationen im Zuge der Rettungsmaßnahmen erholen, genug Fisch, um alle satt zu machen?  

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Hunderttausende Brutpaare mehr

Seevögel gehören zu den am stärksten bedrohten Tierarten. Zwar verbringen sie die meiste Zeit im Flug über dem offenen Meer, doch spätestens zur Brutzeit finden sie sich in Kolonien zusammen, die meist auf Inseln liegen. Dort treffen sie auf einen eingeschleppten Feind: Ratten. Die invasive Tierart ist inzwischen auf 90 Prozent aller Inselgruppen weltweit zu finden – und eine große Gefahr für die Vögel.

„Wir wissen, dass invasive Arten wie Ratten verheerende Auswirkungen auf einheimische Seevogelpopulationen haben“, sagt Dunn. „Sie fressen die Eier, die Küken und manchmal sogar die erwachsenen Vögel.“

Im Rahmen der Studie erstellte das Forschungsteam drei Szenarien, in denen invasive Ratten auf 25 Inseln – unter anderem dem sieben Inseln umfassenden Chagos-Archipel im Indischen Ozean – ausgerottet und natürliche Lebensräume wiederhergestellt werden.

Die Modellrechnungen zeigen, dass allein die Entfernung der Ratten die Populationen von drei Seevogelarten – Zwergseeschwalben, Rußseeschwalben und Rotfußtölpeln – um das 18-fache auf 24.000 Brutpaare wachsen lassen würde.

Die Wiederherstellung der natürlichen Vegetation auf der Hälfte der Inselfläche würde die Zahl der Brutpaare auf 83.000 steigern. Würden die Maßnahmen auf drei Vierteln der Fläche angewandt, gäbe es sogar 280.000 Brutpaare der drei Vogelarten.

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    Nährstoffkreislauf: Das Ökosystem hilft sich selbst

    Zu ähnlichen Erfolgsaussichten kamen bereits frühere Studien. Diese ließen aber die Frage außer Acht, ob das Nahrungsangebot für die wachsenden Populationen ausreichen würde – insbesondere, weil Überfischung und Klimawandel Fischpopulationen dezimieren. „Unsere Studie ist die erste, die diese wichtige Überlegung berücksichtigt hat“, sagt Dunn.

    Erfreulicherweise kommen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass die wachsenden Seevogelpopulationen genug Beutefische finden werden. Grund ist der Nährstoffkreislauf und die entscheidende Rolle, die die Vögel, genauer gesagt ihr Guano genannter Kot, darin spielen.

    Guano enthält Stickstoff und Phosphor. Im Flug lassen die Vögel ihn in das Meer nahe der Insel fallen und düngen auf diese Weise die dort befindlichen Korallenriffe. Die errechnete Zunahme der Brutpaare würde auch die Menge an Stickstoff steigern, der durch den Vogelkot ins Meer gelangt – mehr Vögel produzieren schließlich mehr Guano. Statt wie derzeit 78 Tonnen pro Jahr würden jährlich 170 Tonnen Stickstoff für Korallenriffe zur Verfügung stehen. Und in gesunden Riffen leben mehr Fische: Laut den Modellrechnungen im günstigsten Szenario 52 Prozent mehr als derzeit.

    Gesunde Riffe dank Guano

    In Tonnen ausgedrückt sind das 50.000 zusätzliche Tonnen Rifffische, die um die Inseln schwimmen – darunter auch Weidefische wie der Papageienfisch, die Algen und abgestorbene Korallen fressen. Dies würde wiederum die Gesundheit der Korallenriffe und ihre Widerstandsfähigkeit gegen Sturmschäden und Bleichereignisse eklatant verbessern. Je mehr Seevögel, desto besser geht es also dem Riff.

    „Das unterstreicht die wichtige Rolle, die Maßnahmen zur Wiederherstellung von Inseln nicht nur für die Stärkung gefährdeter Seevogelpopulationen, sondern auch angrenzender Korallenriffe spielen“, sagt Studienautor Nick Graham, Meeresökologe an der Lancaster University.

    Die Studie habe gezeigt, dass, so Dunn, die Verfügbarkeit von Beutefischen ein essenzieller Faktor sei. Das unterstreiche, wie wichtig die Einführung von Meeresschutzgebieten ist, in denen die Fischerei Einschränkungen unterliegt. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse eine wichtige Fallstudie darstellen, die als Leitfaden für Projekte zur Wiederherstellung von Inseln in anderen Ländern dienen kann“, sagt sie.

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