Mikroplastik: Wie gefährlich ist Reifenabrieb?

Rund 150.000 Tonnen Mikroplastik entstehen jährlich durch Reifenabrieb auf deutschen Straßen. Die winzigen Plastikpartikel schaden Mensch und Umwelt.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 20. Jan. 2025, 09:17 MEZ
Reifenabrieb auf der Straße

Reifenabrieb auf der Straße 

Foto von Mario Hösel / stock.adobe.com

Bei Plastikmüll denken die meisten wahrscheinlich an verdreckte Ozeane. An Teppiche aus Tüten und PET-Flaschen, die an der Wasseroberfläche treiben. An Strände, die Müllkippen gleichen. Doch das ist nur die Spitze des Müllbergs. Ein Großteil des Plastikmülls ist so winzig, dass man ihn gar nicht sieht.

Jahr für Jahr landen bis zu 13 Millionen Tonnen Plastik im Meer. Das entspricht dem Gewicht von 185 Millionen erwachsenen Menschen. Es kann Tausende von Jahren dauern, bis sich dieser Müll zersetzt. Bis dahin wird er lediglich in immer kleinere Partikel zerrieben. Sind sie kleiner als fünf Millimeter, spricht man von Mikroplastik.

Fische, Muscheln und andere Tiere nehmen diese Partikel mit der Nahrung auf. So gelangt das Mikroplastik in die Nahrungskette – und am Ende auf den Teller. Welche Auswirkungen all das auf die Umwelt und menschliche Gesundheit hat, ist Gegenstand aktueller Forschung und noch nicht hinreichend geklärt.

Nach Ansicht des Umweltbundesamts besteht aber aufgrund „der vorliegenden Studienlage ein hinreichender Grund zur Annahme einer Gesundheitsschädigung durch Mikroplastik beim Menschen“.

Wissen kompakt: Plastik
Schon früh in der Menschheitsgeschichte kamen Biopolymere zum Einsatz. Heutzutage wird Kunststoff fast ausschließlich aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Erfahrt, wie genau Plastik produziert wird und was wir tun können, um die schädlichen Auswirkungen von Kunststoffen auf unseren Planeten und unser Leben zu verringern.

Mikroplastik: Reifenabrieb ist die größte Quelle

Was wenige wissen: Mikroplastik entsteht nicht nur durch achtlos weggeworfene Kunststoffverpackungen. Die größte Menge stammt hierzulande von Reifenabrieb. Der bildet sich, wenn Gummi und Straßenbelag aneinander schubbern. Besonders gut sichtbar ist das an Bremspuren auf dem Asphalt. 

Reifenabrieb ist ein chemischer Cocktail aus vielen Stoffen. Ein moderner Pneu besteht nicht nur aus natürlichem Kautschuk, sondern auch aus synthetischem Gummi, Metallen, Weichmachern und vielen anderen, meist künstlichen Bestandteilen. 

Die freigesetzten Partikel verbinden sich mit Straßenasphalt und Staub zu kleinen Teilchen – sogenannten TRWP (Tyre and Road Wear Particles). Durch Wind und Regen gerät das Mikroplastik in die Luft, in den Boden, in Seen, Bäche und Flüsse und ins Meer. 

Laut Umweltbundesamt landen allein in Deutschland jährlich etwa 150.000 Tonnen in der Umwelt. Damit ist Reifenabrieb die größte Quelle für Umweltverschmutzung durch Plastikmüll.

BELIEBT

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    Reifenabrieb-Probe im Reagenzglas

    Reifenabrieb gelangt von der Straße in Luft, Wasser und Boden.

     

    Foto von Fraunhofer UMSICHT

    Gefahr für Mensch und Umwelt

    Von der Straße in den Körper? Auch wenn die genauen Effekte auf Mensch und Umwelt noch nicht hinreichend erforscht sind: Untersuchungen zeigen unter anderem, dass Reifenabrieb zu einem beträchtlichen Teil an der Feinstaubbelastung in Städten beteiligt ist. Und klar ist, dass Feinstaub die Gesundheit gefährdet. Andere Studien warnen davor, dass die Plastikpartikel die Zellmembranen von Menschen und Tieren schädigen und die Metastasierung von Tumoren fördern könnten.

    Dass sich Reifenabrieb bereits negativ auf die Entwicklung winziger Organismen auswirkt, zeigt eine Insektenstudie. Die Forschenden beobachteten Fortpflanzungsstörungen bei wasserlebenden Mückenlarven. „Wir müssen die Belastung unserer Umwelt durch den toxischen Reifenabrieb reduzieren“, sagt Molekularbiologe und Studienleiter Markus Pfenninger.

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    Weniger Reifenabrieb: Wie geht das?

    Doch wie funktioniert das? Versuche haben gezeigt: Bereits Kehrmaschinen können viele Partikel schlucken. Reifenhersteller tüfteln an umweltfreundlicheren Reifen, andere Unternehmen an Filtern am Straßenrand oder an Absauggeräten, die direkt am Reifen angebracht werden könnten. 

    Besonders viel Reifenabrieb gibt es beim Bremsen, zum Beispiel an Ampeln oder in Kurven. Schon eine „vorausschauende Fahrweise mit moderater Geschwindigkeit, sanfter Beschleunigung und Bremsung kann Reifenabrieb deutlich reduzieren“, empfiehlt das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht). Auch die regelmäßige Kontrolle des Reifendrucks und der rechtzeitige Wechsel von Sommer- und Winterreifen helfe. 

    Der ADAC rät: Vielfahrer sollten darauf achten, Reifen mit geringem Verschleiß zu kaufen. Das sei nicht nur günstiger, sondern schone auch die Umwelt. Sportliche Reifen dagegen produzierten sehr viel Abrieb. Am besten also, man hakt beim Händler nach.

    Umweltverbände wie der BUND wollen das Problem bei der Wurzel packen: weniger Autos auf den Straßen. Auch die Politik sieht Handlungsbedarf. Ab Juli 2028 gelten im Rahmen der neuen Euro-7-Abgasnorm erstmals Grenzwerte für Reifenabrieb.

     

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