Kopfloser Mann von Pompeji doch nicht von Stein erschlagen

Der überraschende Fund des Schädels offenbart, woran der Mann im Jahr 79 tatsächlich starb.

Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 2. Juli 2018, 13:12 MESZ
Als der Leichnam des Opfers in Pompeji entdeckt wurde, vermuteten Archäologen zunächst, dass er während des ...
Als der Leichnam des Opfers in Pompeji entdeckt wurde, vermuteten Archäologen zunächst, dass er während des Ausbruchs des Vesuvs von einem Steinquader erschlagen wurde.
Foto von Ciro Fusco, Ansa, via Ap

Er war zur falschen Zeit am falschen Ort: ein Mann, dessen Kopf scheinbar von einem großen Steinquader zerquetscht wurde, als er im Jahr 79 beim Ausbruch des Vesuvs aus Pompeji zu fliehen versuchte. Nun wurde sein Kopf gefunden und das Rätsel um seinen Tod konnte aufgeklärt werden, wie Vertreter des Pompeii Archaeological Park in Italien berichteten.

Archäologen fanden den Schädel des Unglücksraben in der Nähe seines Körpers, der im Mai ausgegraben wurde. Die Erkenntnisse aus dem Fund widersprechen der ursprünglichen Theorie. Der zufolge wurde der Mann von einem Steinblock (vermutlich Teil einer Türzarge) erschlagen, als er während der zweiten Phase des Vulkanausbruchs zu fliehen versuchte, die einen Großteil der altrömischen Stadt unter einer Schicht aus Asche und Gestein begrub.

„Jetzt wissen wir, dass sein Tod nicht durch den Einschlag des Steinblocks eintrat, sondern vermutlich durch Erstickung aufgrund des pyroklastischen Stroms“, schrieb der Pompeii Archaeological Park auf seiner Facebook-Seite.

Nicht alle Vulkane produzieren Lava. Als der Vesuv vor fast 2.000 ausbrach, schleuderte er gewaltige Mengen Gestein und Asche in die Luft. Am folgenden Tag rauschten pyroklastische Ströme den Berg hinab und zerstörten große Teile der umliegenden Landschaft samt Tieren und Vegetation.

Man kann sich einen pyroklastischen Strom wie „einen überhitzten Wind von der Stärke eines Hurrikans“ vorstellen, „der Asche und Gestein mit sich trägt und fast alles in seinem Weg zerstört“, sagt Benjamin Andrews, der Leiter des Global Volcanism Program der Smithsonian Institution. Solche Ströme entstehen, wenn ein Vulkan kollabiert oder „überkocht“. Dann rast ein tödlicher Fluss aus Gasen, Asche und Gestein den Vulkan hinab. Andrews vergleicht das mit einem überhitzten Sandstrahler, inklusive einiger umherfliegender Steine von der Größe eines Baseballs oder einer Bowlingkugel.

„Wenn man in einen pyroklastischen Strom gerät, wird man höchstwahrscheinlich sterben“, so Andrews. Der Mann aus Pompeji hatte aufgrund einer Knocheninfektion wahrscheinlich ein lahmes Bein und damit keine Chance gegen die rasante Wolke aus Schutt und Feuer. Seine Lungen hätten der Luft, die den Berg hinunter und durch die Stadt rauschte, nichts entgegenzusetzen gehabt – die toxischen Gase im Strom erreichten vermutlichen Temperaturen von über 530 °C. 

Archäologen fanden den Schädel in einer tieferen Ebene der Grabung als den dazugehörigen Körper. Vermutlich war während der ersten Ausgrabung in den 1740ern ein Tunnel eingestürzt und hatte den Schädel mit sich gerissen.

Die heutigen Grabungen sind ein bisschen fortschrittlicher als die ersten Versuche, der alten Stadt ihre Geheimnisse zu entlocken. Vor Kurzem begannen Archäologen mit der Ausgrabung der Regio V. Dieser nördliche Abschnitt der Stadt wurde bisher noch nicht vollständig erkundet. Bei den Ausgrabungen kommen Laser, Drohnen und VR-Visualisierungen zum Einsatz, wie der Generaldirektor der Grabungsstätte einer italienischen Presseagentur berichtete.

Alle Technologie der Welt kann nicht genau rekonstruieren, was geschah, als der Vesuv ausbrach. Aber dank der Wissenschaft wissen wir ungefähr, was der unglückselige Mann gesehen hätte, wenn er zum Berg hinaufgeblickt hätte: Man stelle sich eine „furchterregende Wolke vor, die sich vom Berg her auf einen zubewegt“, sagt Andrews. Das war es wohl, was der Mann in seinen letzten Augenblicken sah.

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