Warum summt der Mars?

Die jüngsten Daten vom Mars-Lander InSight offenbarten eine Handvoll neuer Mysterien, die es zu lüften gilt – von einem steten Summen bis zu mysteriösen magnetischen Schwankungen.

Von Maya Wei-Haas
Veröffentlicht am 25. Feb. 2020, 17:19 MEZ
InSight soll den inneren Aufbau des Mars analysieren. Dafür nutzt der Lander unter anderem einen empfindlichen ...
InSight soll den inneren Aufbau des Mars analysieren. Dafür nutzt der Lander unter anderem einen empfindlichen Seismografen, hier abgebildet, der jede Erschütterung auf dem Planeten aufzeichnet.
Foto von NASA, JPL Cal-tech

Unter seiner kalten, staubigen Oberfläche summt der Mars. Das leise, konstante Dröhnen pulsiert periodisch im Takt der Erdbeben, die den Planeten erschüttern. Aber die Quelle dieser außerirdischen Musik ist unbekannt.

Das Summen des Mars ist nur eines von einer Handvoll neuer Mysterien und Entdeckungen, die der NASA-Lander InSight aufgetan hat. „Nature Communications“ veröffentlichte die neuen Erkenntnisse ins insgesamt fünf Studien, die einen Einblick in die überraschenden Aktivitäten auf und unter der Oberfläche des Roten Planeten liefern.

InSight landete im November 2018 auf unserem Nachbarplaneten, genauer gesagt auf einer flachen Ebene in der Nähe des Marsäquators. Seither nimmt er mit Hilfe eines enorm empfindlichen Seismometers und anderen Instrumenten Messungen vor, die Wissenschaftlern dabei helfen, die geologische Aktivität und den inneren Aufbau des Mars zu erforschen.

Diese Illustration zeigt den Mars-Lander InSight mit seinem Seismometer und seiner Temperatursonde.
Foto von Illustration by NASA/JPL-Caltech

„Es ist einfach wirklich erleichternd, dass wir endlich aufstehen und sagen können: Seht euch mal all dieses coole Zeug an, das wir gefunden haben“, sagt Bruce Banerdt, der Projektleiter der InSight-Mission.

Neben dem seltsamen Summen beschreibt der aktuellste Datensatz auch die erste aktive Verwerfungszone, die auf dem Mars gefunden wurde, Muster in den heutigen Magnetfeldern sowie Spuren der magnetischen Vergangenheit des Planeten. Insgesamt sind die neuen Informationen über den Mars essentiell, um mehr darüber zu lernen, wie Gesteinsplaneten im Allgemeinen entstehen und sich im Laufe der Zeit verändern.

„Man kann kein [allgemeingültiges] Modell nur auf Basis der Erde erstellen. Man braucht mehr Datenpunkte“, erklärt Suzanne Smrekar, die stellvertretende Projektleiterin der InSight-Mission. „Es ist sehr aufregend, dass wir einige dieser Dinge jetzt sehen und versuchen, den Mars zu verstehen.“

Woher kommen die Marsbeben?

Eines von InSights Primärzielen ist die Messung der seismischen Aktivität auf dem Mars. Die ersten paar Monate, in denen der Lander nach Beben suchte, waren beunruhigend still. Aber am 6. April 2019 erschütterte das erste je aufgezeichnete Marsbeben den Planeten – ganz zur Freude irdischer Seismologen.

Seit dieser Entdeckung hatten die Messinstrumente genug zu tun: Bisher wurden laut Banerdt mehr als 450 Marsbeben aufgezeichnet. Dieses Maß an Aktivität überrascht nicht, aber dafür scheinen sich die kleinen Beben immer mehr zu häufen. Dabei könnte es sich um eine saisonale Varianz handeln, aber da die Beobachtung gerade erst am Anfang stehen, benötigt das Team noch mehr Daten, um diesem Mysterium auf den Grund zu gehen.

Die Wissenschaftler sind sich noch nicht mal sicher, woher die ganzen Beben eigentlich kommen. Auf der Erde entstehen die Erschütterungen durch die langsamen, aber stetigen Bewegungen der tektonischen Platten. Der Mars hat aber keine globale Plattentektonik, weshalb Geologen nach anderen möglichen Ursachen suchen.

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    Besonders zwei von InSight aufgezeichnete Beben helfen den Forschern dabei, einer Antwort ein Stück näher zu kommen. Mit einer Stärke zwischen 3 und 4 waren sie besonders heftig und ermöglichten es den Forschern, sie bis zu ihrem Entstehungsgebiet zurückzuverfolgen: eine Reihe tiefer Risse in der Oberfläche, die Cerberus Fossae. Sie entstanden vor höchstens zehn Millionen Jahren.

    Aus diesen Rissen quollen einst Lavaströme und Wasserfluten an die Oberfläche. Womöglich ruhen tief unten noch immer Flüssigkeiten im Planeten. Magmakammern, die sich abkühlen und zusammenziehen, aber auch die Bewegung geschmolzenen Gesteins oder gar Wassers im Mantel könnten daher die Ursache der zwei heftigen Marsbeben gewesen sein, sagt Smrekar.

    Um die Ursache der Marsbeben genau zu bestimmen und sich ein besseres Bild des äußeren Mantels machen zu können, müssen die Forscher aber noch mehr Beben aufzeichnen, im Bestfall auch ein paar sehr heftige.

    „Wir würden gern mal eines der Stärke 5 sehen“, sagt Smrekar. „Wer weiß? Wir müssen einfach abwarten.“

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    InSight entdeckte außerdem ein mysteriöses seismisches Signal, das im Hintergrund der Beben beständig vor sich hin summt.

    Auf der Erde gibt es eine Vielzahl von Hintergrundgeräuschen. Das verbreitetste davon ist das Brummen, das durch die Bewegungen des Meeres und das Brechen der Wellen an den Küsten entsteht. Aber mit 2,4 Hertz ist das Marssummen höher als die meisten natürlichen Hintergrundgeräusche auf der Erde, die für gewöhnlich unterhalb von 1 Hertz liegen, sagt Stephen Hicks. Der Seismologe des Imperial College London war an den aktuellen Studien nicht beteiligt.

    Analysen lassen darauf schließen, dass das Marssummen zumindest nichts mit den stürmischen Winden des Planeten zu tun hat. Durch entfernte Beben scheint es jedoch stärker zu werden. Dieser Effekt ist vergleichbar damit, eine Glocke zum Läuten zu bringen, indem man sie anschreit, erklärt Joshua Carmichael. Der Geophysiker am Los Alamos National Laboratory war an den Studien nicht beteiligt. Eine menschliche Stimme ist eine Mischung aus mehreren Frequenzen, und wenn eine davon zur Resonanz der Glocke passt, kann man sie durch Schreien zum Schwingen bringen.

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    Womöglich hat das Summen etwas mit der geologischen Beschaffenheit unter InSights Standort zu tun, der diesen speziellen Ton vielleicht verstärkt, sagt Banerdt. Der Lander befindet sich in einem alten Krater voller Sand und Staub. Diese kleinen Partikel könnten vibrieren, wenn die Wellen der Erdbeben von den Kraterwänden zurückgeworfen werden. Allerdings haben die turbulenten Winde über der Oberfläche keinen solchen Effekt und der Krater wirkt insgesamt ein wenig zu klein, um dieses Summen zu erzeugen, merkt er an.

    Womöglich haben die Beben und das Summen verschiedene Quellen, sagt Hicks. Eventuell verursacht InSight die mysteriöse Resonanz sogar selbst.

    „Es ist sehr rätselhaft“, so Banerdt. „Wir haben keine Idee, was das sein könnte.“

    Detailaufnahme des Marsmagnetfelds

    Neben Marsbeben und Summtönen hat InSight noch eine andere überraschende Entdeckung gemacht: Das Magnetfeld, das den Lander umgibt, ist zehnmal starker als erwartet.

    Das Magnetfeld auf der Erde entsteht hauptsächlich durch einen sogenannten Geodynamo – den flüssigen Eisenkern, der sich im Innersten unseres Planeten beständig bewegt. Dadurch entsteht ein globales Magnetfeld, das den Planeten beispielsweise vor der Strahlung der Sonne schützt.

    Mars hatte einst ebenfalls einen Geodynamo. Dieser erstarrte jedoch schon vor Milliarden von Jahren. Womöglich rissen Sonnenwinde infolgedessen eine einst dichte Marsatmosphäre auseinander. Heute finden sich nur noch Restspuren des Marsmagnetismus in Form magnetischer Minerale, die im Marsgestein eingeschlossen sind.

    Dadurch überzieht den Roten Planeten ein Flickenteppich aus Magnetfeldern verschiedener Stärke.

    Hoch über der Oberfläche haben Mars-Orbiter bereits ein grobes Bild dieses Flickenteppichs zeichnen können. Aber InSight hat nun das Äquivalent eines hochauflösenden Bildes der Magnetfelder geliefert und gezeigt: Sie sind deutlich stärker als erwartet. Die Messungen des Landers stellen zwar nur einen einzelnen Datenpunkt dar, aber der könnte am Ende dabei helfen, auf die Stärke des früheren Geodynamos zu schließen. Mit einer solchen Information könnte man wiederum erfahren, wann und wie der Mars sich von einem warmen, feuchten Planeten zu dem kalten, trockenen Gesteinsbrocken gewandelt hat, der er heute ist.

    „Diese Messung war unser erster kleiner Vorgeschmack darauf, wie viel stärker das Magnetfeld sein könnte“, sagt Robert Lillis. Der Weltraumphysiker der University of California in Berkeley war kein Teil des Studienteams.

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    Die neuen Forschungsarbeiten liefern auch Hinweise auf das Alter des marsianischen Geodynamos. Die Forscher verfolgten die Signale zu einem Gesteinsbereich in mehreren Kilometern Tiefe zurück, der vermutlich um die 3,9 Milliarden Jahre alt ist. Damit wäre er etwa 200 Millionen Jahre nach dem mutmaßlichen Versiegen des Mars-Geodynamos entstanden.

    Bedeutet das, dass der Kern des Mars noch länger aktiv war als gedacht? Aufgrund der großen Unsicherheiten bezüglich des Alters der Gesteine lässt sich das nur schwer sagen, warnt Catherine Johnson. Die Geophysikerin der University of British Columbia und des Planetary Science Institute ist die Erstautorin der Studie zu den Magnetfeldern des Mars. Künftige Entdeckungen von InSight werden hoffentlich mehr Anhaltspunkte liefern.

    Mysteriöse Magnetpulse

    Neben dem steten Magnetfeld entdeckte InSight auch unregelmäßige magnetische Signale, die mit den Tageszeiten schwankten, sowie ein gelegentliches, schwaches Pulsieren.

    Unterschiede im Erdmagnetfeld auf der Tag- und Nachtseite des Planeten sind normal: Auf der Tagseite strömt die Sonnenstrahlung auf die obere Atmosphäre ein und erzeugt geladene Teilchen. Diese interagieren mit den Winden und den Magnetfeldlinien der Erde, sodass elektrische Ströme entstehen. Deshalb ist das Erdmagnetfeld auf der Tagseite etwas stärker als auf der Nachtseite. Dieses tageszyklische Muster ist auch auf dem Mars erkennbar – auch wenn die Wissenschaftler nicht erwartet hatten, es von der Oberfläche aus messen zu können. 

    Außerdem scheint das Marsmagnetfeld leicht zu schwanken, und zwar rund um Mitternacht und manchmal auch während des Sonnenauf- oder –untergangs. Diese Schwankungen treten aber nicht täglich auf und folgen keinem erkennbaren Muster, sagt Johnson. Der unsichtbare Auslöser für das Phänomen befindet sich wahrscheinlich hoch über der Oberfläche. Dort umspülen geladene Teilchenströme von der Sonne den Planeten und werden teilweise von der schwachen Atmosphäre und dem unregelmäßigen Magnetfeld des Mars abgelenkt.

    Turbulenzen in diesen Sonnenwinden könnten Wellen im Marsmagnetfeld erzeugen. Dieser Prozess oder ähnliche Effekte könnten die Quelle der Pulse sein, die InSight auf der Oberfläche gemessen hat.

    „Wir verstehen noch nicht so richtig, woher die kommen“, sagt Johnson. Eine gemeinsame Analyse von InSight am Boden und dem Orbiter MAVEN könnten in diesem Fall zum Durchbruch führen.

    Sämtliche InSight-Daten aus den neuen Studien sind öffentlich verfügbar – und alle drei Monate kommen neue Datenpakete hinzu. Banerdt hofft, dass andere Wissenschaftler seinem Team bei der Analyse dieser Daten helfen werden.

    „Je mehr Köpfe darüber nachdenken, desto wahrscheinlicher finden sich dabei ein paar gute Antworten“, sagt er.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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