Von der Raupe zum Schmetterling: Metamorphose erklärt

Larve, Raupe, Nymphe und Imago: Die komplexen Transformationen vieler Insekten dienen einem cleveren Zweck.

Von Liz Langley
Veröffentlicht am 12. Aug. 2020, 14:23 MESZ
Eine Puppe der Schmetterlingsart Mechanitis polymnia im Audubon Butterfly Garden and Insectarium in New Orleans, USA.

Eine Puppe der Schmetterlingsart Mechanitis polymnia im Audubon Butterfly Garden and Insectarium in New Orleans, USA.

Photograph By Joël Sartore, National Geographic Image Collection

Die bekannteste Eigenart der Schmetterlinge ist vermutlich ihre berühmte Transformation, bei der sich eine mollige kleine Raupe in ein geflügeltes Kunstwerk verwandelt. Aber sie sind nicht die einzigen, die diesen drastischen Lebenswandel durchlaufen, der als vollkommene Metamorphose oder Holometabolie bezeichnet wird.

Ganze 75 Prozent der bekannten Insekten – darunter Bienen, Käfer, Fliegen und Motten – durchlaufen in ihrer Entwicklung vier Stadien: Ei, Larve (auch Raupe), Puppe und Imago (das ausgewachsene Tier). Das Auffälligste an der vollständigen Metamorphose ist der gewaltige optische Unterschied zwischen dem Larvenstadium und der Imago.

Andere Arten, wie Heuschrecken und Libellen, machen eine allmähliche Metamorphose (Hemimetabolie) durch, die drei Lebensstadien umfasst: Ei, Larve oder Nymphe und Imago. Die Nymphen sehen wie winzige Imagines aus, die sich während des Wachstums immer wieder häuten, bis sie das adulte Stadium erreicht haben.

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    Foto von Anand Varma, National Geographic Image Collection

    Eier und Larven

    Fast alle Insekten beginnen ihr Leben als Eier, aus denen dann die Larve schlüpft. Raupen sind eine Larvenform, mit denen die meisten Menschen vertraut ist. Andere Larven ähneln Würmern oder winzigen Insekten, beispielsweise im Falle von Marienkäfern.

    Die Hauptaufgabe der Larve besteht darin, zu wachsen und sich zu häuten – ein Prozess, der durch Hormone ausgelöst wird. Manche Arten häuten sich bis zu fünfmal, bevor sie ausgewachsen sind.

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    Dafür fressen die Larven, als gäbe es kein Morgen – und in gewisser Weise stimmt das auch. Die Metamorphose verändert für sie fast alles.

    Bei Insekten, die eine allmähliche Metamorphose durchlaufen, werden die subadulten Tiere als Nymphen bezeichnet. Bei vielen Arten wie beispielsweise Heuschrecken sehen die Nymphen wie kleine Versionen der erwachsenen Tiere aus. Diese jungen Insekten fressen schon die gleichen Dinge wie ihre ausgewachsenen Artgenossen und bewegen sich auch auf die gleiche Weise. Sie durchlaufen mehrere Häutungen, bis sie das Imagostadium erreichen. Bei Zikaden kann es bis zu 17 Jahre dauern, bis sie ausgewachsen sind, wobei sie die meiste Zeit unter der Erde verbringen.

    Puppen und Kokons

    Insekten, die eine vollkommene Metamorphose durchlaufen, verpuppen sich nach ihrer letzten Häutung. In einigen Fällen bauen die Raupen dafür einen harten Kokon aus selbst gesponnener Seide, wie man es von Schmetterlingen und Motten kennt. Diese Kokons hängen zumeist gut gesichert an Seidenfäden von Blattunterseiten oder kleinen Zweigen.

    Während der Metamorphose werden die Schmetterlingsraupen von ihren eigenen Verdauungssäften zersetzt. Nur ein paar Zellen bleiben von diesem Prozess verschont und bilden die Anlagen für den neuen Körper der Imagines.

    Manche Insekten bedienen sich anderer Techniken. Nach seinem wurmförmigen Larvenstadium, das fast zwei Jahre währt, baut sich der Herkuleskäfer in den amerikanischen Tropen einen stabilen Kokon aus eingelagertem Kot.

    Galerie: Insekteneier: Das Ei-Bett

    Es sei an sich schon seltsam, dass diese Riesenkäfer überhaupt einen Kokon bilden, erklärt Richard Jones, ein Entomologe im Vereinigten Königreich, der keiner Universität oder Organisation angehört.

    „Die meisten Käfer bauen keinen Kokon“, sagt Jones. „Sie winden sich einfach aus ihrer letzten Larvenhaut heraus und verpuppen sich. Marienkäfer fixieren sich dabei direkt an einem Blatt.“

    Andere Arten, wie der nordamerikanische Leuchtkläfer Photinus pyralis, nisten sich im Boden ein.

    Einige Köcherfliegen bauen in ihren heimischen Bächen und Flüssen kleine Röhrchen aus Steinchen und Muscheln und verpuppen sich darin, nachdem sie sie versiegelt haben. Die Larven von Honigbienen ähneln weißen Würmern, die sich in mit Wachs versiegelten Waben verpuppen. (Woher kennen Honigbienen ihre Aufgaben?)

    Imago: Endlich erwachsen

    Wenn ein Schmetterling aus seiner Puppe herauskommt, sieht er zunächst ein wenig kläglich aus. Seine Flügel sind nass und brauchen ein paar Stunden, um zu trocknen und sich zu entfalten, bevor sie flugtauglich sind. Herkuleskäfer tragen nach dem Herausbrechen aus dem Kokon bereits ihre prächtigen Hörner. Köcherfliegen schneiden ihre selbstgebauten Röhren auf und schwimmen für eine letzte Häutung an die Oberfläche, bevor sie davonfliegen.

    Im Allgemeinen leben die Imagines oder adulten Insekten nicht sehr lang. Libellen schwirren beispielsweise nur etwa einen Monat durch die Gegend, ehe sie sterben – im Gegensatz dazu währt ihr Larvenstadium etwa drei Jahre.

    Die Metamorphose des Herkuleskäfers
    Herkuleskäfer zählen zu den größten fliegenden Insekten der Welt. Schon die Larven dieser Art sind wahre Giganten.

    Viele Insekten – wie Glühwürmchen und Schnaken - fressen während ihrer kurzen Imagophase nichts und verbringen ihre kostbare Zeit mit der Suche nach Partnern. Die Nachtfalterart Actias luna hat nicht einmal einen Mund oder ein Verdauungssystem.

    Das bedeutet aber nicht, dass erwachsene Insekten gar nichts mehr mit ihrem früheren Leben verbindet. Im Jahr 2008 brachten Forscher der Georgetown University in Washington, D.C., den Raupen des Tabakschwärmers bei, einen bestimmten Duft zu meiden. Auch in ihrem Imagostadium mieden sie den Geruch weiterhin – ein Hinweis darauf, dass sich die Imagines an Erlebnisse aus ihrer Zeit als Raupen erinnern könnten.

    Wozu dient die Metamorphose?

    Die Metamorphose ist letztlich eine erfolgreiche Strategie, weil die jungen und die ausgewachsenen Insekten unterschiedliche Nahrung fressen. Raupen ernähren sich von nährstoffreichen Blättern, um Energiereserven für ihre Metamorphose anzulegen. Viele Schmetterlinge brauchen hingegen nur Nektar (im Wesentlichen zuckerhaltiges Wasser).

    Bei Arten mit so unterschiedlichen Entwicklungsformen „hat man plötzlich einen konkurrenzfreien Raum geschaffen“, sagt Katy Prudic, eine Entomologin an der University of Arizona in Tucson. Eltern und Nachwuchs konkurrieren nicht um Ressourcen, sodass sich die Entwicklungsstadien unabhängig voneinander ihrem Wachstum oder ihrer Fortpflanzung widmen können.

    „Es ist ein wunderbarer Prozess, bei dem sie sich im Grunde neu erfinden“, fügt Prudic hinzu. „Wenn Insekten sich verwandeln, sind sie in der Lage, Orte zu erkunden und zu erreichen, die sie als Maden, Raupen und Larven nicht erkunden konnten.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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