Der Everest ist nun offiziell einen Meter höher

Erstmals seit dem großen Erdbeben von 2015 vermaßen Nepal und China mit modernsten Techniken den höchsten Berg der Welt.

Von Freddie Wilkinson
Veröffentlicht am 8. Dez. 2020, 11:11 MEZ, Aktualisiert am 10. Feb. 2021, 15:02 MEZ
Ein Blick vom nördlichen Basislager des Everest zeigt den Rongpu-Gletscher und die höher gelegenen Lager auf ...

Ein Blick vom nördlichen Basislager des Everest zeigt den Rongpu-Gletscher und die höher gelegenen Lager auf dem Weg zum Gipfel.

Foto von Renan Ozturk, National Geographic

Der höchste Punkt der Erde hat offiziell eine neue Höhe. Der Mount Everest ragt 8.848,86 Meter über dem Meeresspiegel auf, wie aus den heute vorgestellten Messergebnissen hervorgeht. Das ist fast ein ganzer Meter mehr als bei der Messung aus den 1950ern, deren Ergebnis von offiziell von Nepal anerkannt wurde.

Die beiden neuen Höhen wurden am 8. Dezember in einer gemeinsamen Erklärung des Vermessungsamtes von Nepal und chinesischen Behörden angekündigt. Sie sind der Höhepunkt eines mehrjährigen Projektes zur endgültigen Vermessung des legendären Berges. Das Projekt war die erste ernsthafte Vermessung des Everest seit 16 Jahren, entsprechend wurden die Bemühungen von der geografischen Gemeinschaft genau verfolgt – und insbesondere von Wissenschaftlern, die analysieren, wie sich ein verheerendes Erdbeben der Stärke 7,8 im Jahr 2015 auf die Region auswirkte.

Im vergangenen Frühjahr trotzte eine kleine Gruppe nepalesischer Vermesser und Bergführer der beißenden Kälte eines nächtlichen Aufstiegs und erreichte den Gipfel um 3 Uhr Ortszeit. So konnten sie ihre Arbeit ungehindert von den Scharen von Freizeitkletterern durchführen.

Wie erstellt man eine virtuelle Rekonstruktion des Everest-Basislagers?
Ein Team von Kartografen und Technikern nimmt sich der Mammutaufgabe an, eine vollständige virtuelle Rekonstruktion des Everest-Basislagers und des umgebenden Khumbu-Gletschers zu erstellen. Das Unterfangen ist Teil der Perpetual Planet Everest-Expedition von National Geographic und Rolex. Begleitet das Team dabei, wie es die Auswirkungen des Klimawandels auf den Mt. Everest auf einmalige Weise kartiert, um den höchstgelegenen Gletscher der Welt besser zu verstehen.

„Wir wollen zeigen, dass wir mit den Ressourcen und technischen Arbeitskräften unseres eigenen Landes etwas ausrichten können“, sagte Khimlal Gautam, Chief Survey Officer für das Projekt, 2019 gegenüber National Geographic.

Wie vermisst man einen Berg?

Im Jahr 1856 entdeckte der Mathematiker Radhanath Sickdhar bei seiner Arbeit für die Große Trigonometrische Vermessung – ein Projekt zur Vermessung und Kartierung des indischen Subkontinents –, dass der Everest der höchste Berg der Welt ist. Seitdem wurde mehrfach versucht, die tatsächliche Höhe des Berges mit der jeweils besten verfügbaren Technologie zu ermitteln.

Bis zum Aufkommen von Satelliten nutzten die Vermesser dafür ein Gerät namens Theodolit – ein optisches Präzisionsinstrument auf einem Stativ –, um Winkel zwischen zwei bestimmten Punkten zu messen. Ein Vermessungsteam schleppte die schwere Ausrüstung von Hügelspitze zu Hügelspitze, um schrittweise die Höhe des Everest vom Meeresspiegel aus zu messen, wobei es vom Golf von Bengalen im Zickzack nach Norden ging, bis der Gipfel sichtbar war.

BELIEBT

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    Eine 1954 mit einer ähnlichen Technik durchgeführte Vermessung kam zu dem Ergebnis, dass der Everest-Gipfel 8.847,7 Meter über dem Meeresspiegel liegt – eine Zahl, die noch immer von vielen Ländern und Kartenverlegern anerkannt wird, aber für gewöhnlich auf 8.848 Meter aufgerundet wird.

    Im Jahr 1999 war dann ein vom Kartografen und Entdecker Bradford Washburn geleitetes und von der National Geographic Society gesponsertes Projekt das erste, das GPS-Technologie zur Messung des Everest-Gipfels einsetzte. Die Arbeit dieses Teams lieferte eine Höhe von 8.850 Metern. Mittlerweile verwendet die Society auf allen Karten und in sonstigen Angaben jedoch die aktuelle Höhe aus den neuesten gemeinsamen Messungen von China und Nepal.

    Von Satellit bis Bodenradar

    Für eine möglichst genaue und vollständige Vermessung beschloss das nepalesische Team, beide Techniken einzusetzen. Am 22. Mai 2019 bestieg Gautam mit vier Teamkollegen den Everest und setzte einen GPS-Empfänger sowie ein Bodenradar ein, um die Tiefe des auf dem Gipfel aufgetürmten Schnees zu messen. In der Zwischenzeit warteten Vermessungsteams an acht Standorten mit Blick auf den Everest-Gipfel, um dessen Höhe bei Sonnenaufgang, wenn die Atmosphäre am klarsten ist, mit modernen Lasertheodoliten zu bestimmen.

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    Doch nachdem die nepalesische Vermessungsabteilung ihre Feldarbeit im vergangenen Jahr abgeschlossen hatte, geriet das Projekt durch politische Verwicklungen ins Stocken. Als der chinesische Präsident Xi Jinping Nepal im Oktober 2019 besuchte, kündigten Beamte an, dass die beiden Länder bei der Neuvermessung des Berges zusammenarbeiten würden. Dadurch verzögerte sich die Enthüllung der neuen Höhe. Ein Team chinesischer Vermesser war im Frühjahr 2020 auf der Nordseite des Berges tätig und vermaß den Gipfel mit Hilfe des chinesischen Netzes von Beidou-Satelliten, einem Konkurrenten des GPS-Systems.

    Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse äußerten sich Vertreter beider Länder äußerst zuversichtlich über die neuen Höhenwerte. Gautam weist jedoch darauf hin, dass jede Vermessung, egal wie genau sie ist, mit einem gewissen Spielraum für Fehler einhergeht. „Bei der Vermessung können wir weder einen genauen Punkt, noch eine genaue Höhe finden“, sagt er. „Wir versuchen, den MPV zu finden: den most probable value, also den wahrscheinlichsten Wert.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht. Er wurde am 10.02.2021 angepasst, nachdem die National Geographic Society die neuen Höhenangaben offiziell übernommen hatte.

     

    Perpetual Planet

    Die Erfüllung eines Kindheitstraums auf dem Gipfel des Mount Everest

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