Globale Studie: Macht das Internet krank?

Weltweit nimmt das mentale Wohlbefinden ab, die psychische Gesundheit leidet. Daran soll unter anderem die zunehmende Internetnutzung Schuld sein. Forschende der Oxford University haben untersucht, ob das stimmt.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 4. Dez. 2023, 09:55 MEZ
Ein Mann sitzt im Dunkeln an einem Esstisch und schaut auf sein Handy.

Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation steigt weltweit die Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen. Könnte die Internetnutzung eine Ursache dafür sein?

Foto von kinomaster / adobe Stock

Das Internet: Erst seit wenigen Jahrzehnten ist es Teil des modernen Lebens und trotzdem inzwischen kaum noch daraus wegzudenken. Viele Menschen verbringen mehrere Stunden am Tag auf Social Media, mit Onlinespielen oder klicken sich durch Websites, auf denen sie einer überwältigenden Menge an Informationen und Meinungen ausgesetzt sind. Dass das überfordern und der Psyche zusetzen kann, ist nicht abwegig. Die Annahme, dass das Internet krank macht, ist inzwischen weit verbreitet. Zurecht?

Forschende der Oxford University haben untersucht, wie stark die Internetnutzung das mentale Wohlbefinden tatsächlich negativ beeinflusst. Ihre Studie – die bisher umfassendste zu dem Thema – ist in der Zeitschrift Clinical Psychological Science erschienen und kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Anders als erwartet korrelieren online verbrachte Zeit und psychische Gesundheit nicht oder allenfalls in geringem Maße miteinander.

„Wir haben sehr intensiv nach einem schlagenden Beweis dafür gesucht, dass Internetnutzung und mentales Wohlbefinden in einem Zusammenhang stehen – wir haben ihn nicht gefunden“, sagt Andrew Przybylski, Hauptautor der Studie und Psychologieprofessor am Internet Institute der Oxford University (OII).

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Die Psyche von 2 Millionen Menschen

Für die Studie wertete das Team zunächst internationale Statistiken zur Internetnutzung und mobilen Breitbandverbindungen in den Jahren 2005 bis 2022 aus. Diesen stellte es globale Daten zu Angstzuständen, Depressionen und Selbstverletzungen gegenüber, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den Jahren 2000 bis 2019 gesammelt hat, und ergänzte sie durch Informationen aus persönlichen Befragungen zum mentalen Wohlbefinden. Insgesamt flossen Daten von rund 2 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 89 Jahren aus 168 Ländern in die Studie ein.

„Damit haben wir den sowohl im zeitlichen als auch im demografischen Kontext bisher umfangreichsten Datensatz zu psychischer Gesundheit und Internetnutzung untersucht“, sagt Studienautor Matti Vuorre, Psychologe und Informatiker am OII.

Korrelieren Onlineaktivität und mentale Gesundheit?

Die Auswertung der Daten aus zwei Jahrzehnten zeigt, dass es in der globalen psychischen Gesundheit in dem betrachteten Zeitraum durchaus Veränderungen gegeben hat. Diese sind jedoch geringfügig und äußerst inkonsistent. Den Studienautoren zufolge lassen sie sich nicht mit der Internetnutzung in Zusammenhang bringen, denn würde diese tatsächlich psychisch krank machen, hätten die Ergebnisse weitaus deutlicher ausfallen müssen.

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    Frau schaut auf ihr Smartphone.

    Auch die verbreitete Annahme, dass bestimmte Gruppen aufgrund ihres Alters oder Geschlechts online häufiger Erfahrungen machen, die dem mentalen Wohlbefinden schaden, hat das Team sorgfältig geprüft. Gerade Frauen und junge Mädchen gelten gemeinhin als stärker gefährdet. Doch eine Filterung der Daten nach diesen Faktoren ergab keine spezifischen Muster. Im Gegenteil: Der Studie zufolge hat die Lebenszufriedenheit von Frauen in den letzten zwanzig Jahren im Schnitt eher zugenommen.

    Internetriesen halten wichtige Daten zurück

    Von globalen Technologieunternehmen und Online-Plattformen gesammelte Daten wurden in der Studie nicht berücksichtigt, obwohl die Autoren sie als äußerst aufschlussreich einstufen. Das Problem: Sie werden unter Verschluss gehalten. „Diese Daten sind vorhanden und werden zur Produktverbesserung und Marketingzwecken laufend analysiert“, sagt Przybylski. „Sie sind aber leider für unabhängige Untersuchungen nicht zugänglich.“

    Weil dadurch die Forschung über die Auswirkungen von Internettechnologien ins Stocken geraten ist, fordern die Studienautoren von den Unternehmen mehr Transparenz und Kooperation, um den individuellen Umgang mit internetbasierten Technologien detaillierter erforschen zu können.

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