Länger leben durch Fasten?

Eine neue Studie zeigt: Mit Fastenkuren könnten wir im Alter vermutlich länger gesund bleiben. Ausgerechnet ein extrem kurzlebiger Fisch hat ein Kölner Forschungsteam auf die Spur gebracht.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 15. Feb. 2024, 13:58 MEZ
Ein leerer Teller mit einem roten Warnkreuz und Besteck daneben auf gelbem Hintergrund

Fasten gilt als gesund. 

Foto von shchus / Adobe Stock

Je fetter der Braten, desto besser. Hatten die Menschen in der Steinzeit ein großes Tier erlegt, schlugen sie sich die Bäuche randvoll. Instinktiv taten sie das Richtige. Derart energiereiche Nahrung gab es nicht alle Tage. Doch selbst anhaltende Hungerperioden konnten sie gut überstehen. Die Evolution hat Homo sapiens dazu mit einem schlauen Mechanismus ausgestattet.

Wie andere Säuger auch kann der Mensch eigenes Fett abbauen, um seinen Energiebedarf im Notfall selbst zu decken. Unser Körper ist also auf den Wechsel von Essen und Hungern vorbereitet. Offenbar profitiert er sogar davon: Regelmäßiges Fasten gilt als gesund. 

Das klassische Heilfasten zum Beispiel soll den Stoffwechsel trainieren, die Zellreinigungsprozesse im Körper ankurbeln und die Immunkräfte stärken. Es folgt einem strengen Diätplan. Während der oft mehrwöchigen Fastenzeit wird dem Körper nur eine geringfügige Energiemenge in Form von Flüssigkeit zugeführt.

Immer beliebter wird das Intervallfasten für gesundes Abnehmen. Dazu verzichten Fastende tage- oder stundenweise komplett auf die Nahrungszufuhr. Typischerweise liegen zwischen der letzten Mahlzeit des Vortags und der ersten Mahlzeit des Tages dann 16 Stunden.

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Was passiert beim Fasten?

Wenn wir fasten, greift unser Körper auf die eigenen Energievorräte zurück. Zunächst leert sich der sogenannte Glukogenspeicher in den Zellen. Nachdem diese Kohlenhydrate verbraucht sind, geht es an die Fettreserven – vor allem ans innere Bauchfett.

Neben der Gewichtsabnahme gibt es einen weiteren positiven Effekt: Fasten aktiviert die körpereigene Müllabfuhr, die sogenannte Autophagie. Bei diesem Zellen-Recycling „werden defekte oder schadhafte Moleküle abgebaut oder kleingehäckselt“, erklärt Biologe Stephan Herzig vom Helmholtz-Zentrum München. „Es ist eine Art Entgiftung.“ Fasten als Neustart für den Körper.

Vermutlich hat das kontrollierte Hungern weitere Vorteile. Forschungen mit Tieren deuteten darauf hin, dass Fasten auch vor Diabetes schütze und die Gedächtnisleistung steigere, betont Herzig. Ob sich diese Effekte auch beim Menschen einstellen, wisse man noch nicht. Es fehlten Langzeitstudien.

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    Möglichweise hilft das Fasten sogar dabei, im Alter länger gesund zu bleiben. Das zumindest vermuten Forschende des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns in Köln. Ausgerechnet ein winziger, kurzlebiger Fisch hat das Team auf die Spur gebracht. 

    Der afrikanische Killifisch wird nur wenige Monate alt. Seine Kurzlebigkeit hängt vermutlich mit dem Klima seines natürlichen Lebensraums zusammen. Nach Ende der Regenzeit trocknen viele Gewässer im südlichen Afrika rasch wieder aus. 

    Deshalb muss sich der Killifisch in Rekordzeit entwickeln und vermehren. Schon wenige Wochen nach dem Schlüpfen ist er reif für die Fortpflanzung. Von jetzt an wird sein Verfall sichtbar: Die schillernde Farbe verblasst, die Flossen fransen aus, die Wirbelsäule verkrümmt sich. Wie im Zeitraffer durchläuft er alle Altersphasen – von der Larve bis zum Greis. Das macht ihn zu einem beliebten Versuchsobjekt für die Gesundheitsforschung.

    Vergreisung: Schon nach wenigen Monaten verblassen die leuchtenden Farben des Killifischs, seine Flossen zerfransen, die Wirbelsäule wird krumm.

    Foto von MPI f. Biologie des Alterns/ K. Link

    Fastende Fische

    Für die Kölner Wissenschaftler besteht kein Zweifel daran, dass Fastenkuren einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben. Um aber herauszufinden, wann der beste Zeitpunkt zum Fasten ist, verordneten sie den Killifischen mehrere Fastenintervalle in unterschiedlichen Altersstufen. Dabei machten sie eine überraschende Entdeckung. 

    Die greisen Fische waren in einen dauerhaften Fastenzustand gefallen. Selbst wenn sie Nahrung aufnahmen, konnten sie diese nicht mehr richtig verwerten. Sie hungerten, obwohl sie fraßen. Offenbar reagierte ihr Stoffwechsel nicht mehr auf den Wechsel von Fasten und Fressen. Ihr Gewebe erneuerte sich nicht mehr.

    Was hatte den Verfall der Tiere eingeleitet? Die Forschenden stießen auf ein Protein im Fettgewebe, das wie ein Warnmelder funktioniert und in ähnlicher Form auch beim Menschen vorkommt. Es springt an, wenn Zellen zu wenig Energie bekommen. Allerdings funktionierte dieser Energiesensor bei alten Fischen nicht mehr. Der Grund: Mit zunehmendem Alter erlischt die Aktivität einer seiner Komponenten, der sogenannten Untereinheit Y1.

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    Mit einem gentechnischen Eingriff gelang es dem Team, diese Untereinheit zu reaktivieren. Und siehe da: Die alten Fische konnten ihrem Fastenzustand entkommen. Ihr Stoffwechsel war wieder angekurbelt. Die greisen Fische waren gesünder und lebten sogar länger als ihre gleichaltrigen Artgenossen ohne genetischen Eingriff. 

    Was aber bedeutet das für den Menschen? Interessanterweise gebe es auch einen Zusammenhang zwischen dem Energiesensor und dem menschlichen Altern, erklärt Studienleiter Adam Antebi. In Proben von älteren Patienten habe man deutlich niedrigere Werte der Untereinheit gemessen. Außerdem habe sich gezeigt: Je weniger gebrechlich ein Mensch im Alter, desto höher der Y1-Spiegel in den Körperzellen.

    Noch wisse man nicht, ob die Y1-Untereinheit beim Menschen tatsächlich für ein gesünderes Altern sorge, räumt Antebi ein. „Im nächsten Schritt wollen wir Moleküle finden, die genau diese Untereinheit aktivieren, und untersuchen, ob wir damit das Altern positiv beeinflussen können.“

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