Ein Mann mit einem zugeklebten Mund im Bett.

Mouth Taping: Ist es eine gute Idee, sich zum Schlafen den Mund zuzukleben?

In den sozialen Medien wird Mouth Taping als Mittel gegen Schnarchen, schlechten Atem und schlaffe Gesichtskonturen gefeiert. Doch ist der Trend wirklich die Lösung für all diese Probleme?

Laut Videos in den sozialen Medien soll Mouth Taping Zähneknirschen reduzieren, Schnarchen verhindern, Tränensäcke verringern und gegen schlechten Atem helfen. Während es für die Vorteile der Nasenatmung wissenschaftliche Belege gibt, sind die Effekte des Mouth Tapings kaum erforscht.

Foto von Rebecca Hale, National Geographic
Von Fjolla Arifi
Veröffentlicht am 16. Sept. 2024, 08:19 MESZ

Seit einigen Monaten verbreitet sich in den sozialen Medien der Trend, sich während des Schlafens den Mund zuzukleben, um das Atmen durch die Nase zu erzwingen. Ein Video aus dem März 2024, in dem Olivia Tennison von ihren Erfahrungen mit dem sogenannten Mouth Taping berichtet, wurde innerhalb eines halben Jahres über acht Millionen Mal aufgerufen.

„Ich habe immer mit offenem Mund geschlafen und hatte dadurch viele Probleme“, sagt sie. Schon nach einer Nacht mit zugeklebtem Mund sei sie von der Methode so überzeugt gewesen, dass sie beschloss, nur noch mit Tape auf den Lippen zu schlafen. Dank des Mouth Tapings sei sie nicht nur den trockenen Mund am Morgen los, „es hat mir außerdem dabei geholfen, durchzuschlafen.“

Unter den 2.005 Erwachsenen, die im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2023 neue Schlaftrends ausprobiert haben, waren zehn, die sich ans Mouth Taping gewagt haben. Dafür gaben sie unterschiedliche Gründe an: Manche wollten Schnarchen und einen trockenen Mund vermeiden, andere etwas Gutes für ihre Gesichtsform tun. Denn einigen Videos auf Social Media zufolge soll Mouth Taping dabei helfen, die Konturen im unteren Gesichtsbereich zu verbessern und einem Doppelkinn entgegenzuwirken.

Online mag der Trend äußerst populär sein. Laut Indira Gurubhagavatula, Medizinprofessorin an der University of Pennsylvania und Sprecherin der American Academy of Sleep Medicine, sind die wissenschaftlichen Beweise für die positiven Effekte der Methode jedoch mehr als dürftig. Ihr zufolge ist es nicht unwahrscheinlich, dass Mouth Taping stattdessen gesundheitliche Probleme verursachen kann.

Ist Mouth Taping gefährlich?

Bei Olivia Tennison hat das Mouth Taping glücklicherweise zu keinen Komplikationen geführt. Gurubhagavatula zufolge kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der zugeklebte Mund die Sauerstoffzufuhr beeinträchtigt. „Vor allem Personen mit Lungenerkrankung und Schlafapnoe sollten hier sehr vorsichtig sein“, sagt sie.

Obstruktive Schlafapnoe (OSA), also der teilweise oder vollständige Verschluss der oberen Atemwege während des Schlafens, ist eine der häufigsten Schlafstörungen der Welt. Etwa eine Milliarde Menschen zwischen 30 und 69 Jahren sind daran erkrankt.

Im Jahr 2022 erschien eine Studie, für die 20 Patient*innen mit milder OSA untersucht wurden. Bei 13 von ihnen führte das Mouth Taping dazu, dass sie weniger schnarchten. Um aber eine fundierte Aussage dazu zu machen, ob das Tape Schnarchen wirklich verhindern kann oder zur Behandlung einer Schlafapnoe geeignet ist, ist weitere Forschung nötig.

Laut der Sleep Foundation, einer Organisation für gesundheitliche Aufklärung, kann Mouth Taping Nebenwirkungen wie gestörten Schlaf oder Schwierigkeiten beim Atmen durch die Nase mit sich bringen. Hinzu kommen Hautreizungen an den Lippen und Verletzungen und Schmerzen beim Ablösen des Tapes.

Mundatmung vs. Nasenatmung

Studien zu den Effekten, die das Mouth Taping auf die Kieferkonturen von Erwachsenen hat, gibt es laut Salma Batool-Anwar, Schlafmedizinerin am Brigham and Women’s Hospital in Boston, Massachusetts, bisher nicht. Bekannt sei jedoch, dass sich die Mundatmung bei Teenagern und jungen Erwachsenen auf die Gesichtsform auswirkt. Eine Studie aus dem Jahr 2022 hat gezeigt, dass Zunge und Gaumen bei Kindern, die durch die Nase atmen, korrekt positioniert sind. Bei Kindern mit Mundatmung führt diese zu Veränderungen der Gesichtsmuskulatur und Fehlstellungen der Lippen, Zunge und des Kieferknochens.

Welche langfristigen Folgen das Atmen durch den Mund für die Gesichtsstruktur von Erwachsenen hat, muss Gurubhagavatula zufolge erst noch erforscht werden.

Einige negative Folgen der Mundatmung sind jedoch auch für Erwachsene nachgewiesen. Dazu zählen Karies und Zahnfleischerkrankungen ebenso wie ein trockener Mund und schlechter Atem. „Manche Menschen, die im Schlaf durch den Mund atmen, wachen morgens mit Halsschmerzen auf“, sagt Gurubhagavatula. „Die Symptome können so schwerwiegend sein, dass sie Schlafstörungen auslösen.“

Wenn statt durch den Mund durch die Nase geatmet wird, hilft das laut Batool-Anwar nicht nur, die Körpertemperatur zu regulieren, es werden dabei auch Allergene aus der Atemluft gefiltert, bevor diese die Lunge erreicht. Außerdem wird vermutet, dass der Atemwegswiderstand bei der Nasenatmung geringer ist. Insgesamt kann man also sagen: Wer durch die Nase atmet, schläft besser.

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    Aber warum atmen manche Menschen dann trotzdem durch den Mund? Laut Gurubhagavatula kann das verschiedene Gründe haben: von einer Blockade des Nasengangs oder durch Allergien ausgelöste Schwellungen bis hin zu Virusinfektionen, Polypen oder einer Nasenscheidewandverkrümmung. „Bevor man sich den Mund zuklebt, sollte man erst einmal abklären, ob eines dieser Probleme vorliegt“, sagt sie.

    Batool-Anwar zufolge ist das Beste, was man für einen gesunden Schlaf tun kann, eine gute Schlafhygiene. Dazu gehören ein regelmäßiger Schlafrhythmus, ein dunkles Schlafzimmer und dass man vor dem Einschlafen nicht mehr fernsieht oder durch sein Handy scrollt.

    Möchte man Mouth Taping trotzdem ausprobieren, ist es wichtig, das richtige Tape zu benutzen – nämlich medizinisches Klebeband oder Pflaster statt Tesafilm, Malertape oder was Bastel- oder Werkzeugkasten sonst noch so hergeben.

    Davor steht aber der Gang in die Arztpraxis. „Es ist ratsam, sich vom Hausarzt oder der Hausärztin an ein zertifiziertes Schlaflabor überweisen zu lassen, das dem Schlafproblem auf den Grund geht“, sagt Gurubhagavatula. „Dort kann einem geholfen und die Schlafstörung effektiv behandelt werden.“

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