Studie zur Gehirnaktivität zeigt, was wir am meisten lieben
Das muss Liebe sein: Dieses Bild zeigt, welche Hirnareale bei den intensivsten Formen zwischenmenschlicher Liebe aktiviert werden.
Liebe ist nicht gleich Liebe. Das für viele schönste Gefühl der Welt ist äußerst vielseitig. Abhängig davon, auf wen oder was sich die Liebe konzentriert, fühlt sie sich ganz unterschiedlich an – und auch ihre Intensität hängt stark vom jeweiligen Objekt ab. Das konnte nun ein Forschungsteam der Aalto-Universität in Helsinki, Finnland, nachweisen.
Körperliche und neuronale Mechanismen der Liebe
In einer Studie, die im Jahr 2023 erschienen ist, haben die Autor*innen bereits gezeigt, in welchen Körperregionen man verschiedene Arten von Liebe spürt. Am stärksten und weitreichendsten wird ihren Ergebnissen zufolge leidenschaftliche Liebe wahrgenommen, während zum Beispiel die Liebe zu Geschwistern oder die Liebe zum eigenen Land weitaus weniger starke Körpergefühle auslöst. Ganz unabhängig vom Objekt der Zuneigung ist die Kopfregion den Forschenden zufolge jedoch immer an Liebesempfindungen beteiligt.
In welchen Körperteilen Liebe wie intensiv gefühlt wird, zeigt diese Grafik, die im Rahmen einer früheren Studie des Forschungsteams entstanden ist.
Das ergibt Sinn, denn in Momenten, in denen man Liebe fühlt, werden im Gehirn bestimmte Regionen aktiviert: die Basalganglien, die Mittellinie, der Precuneus und der temporoparietale Übergang. Für eine in der Zeitschrift Cerebral Cortex veröffentlichte Folgestudie hat das Team unter der Leitung von Pärttyli Rinne, Philosophieprofessor an der Aalto Universität, nun einen genaueren Blick auf die Vorgänge im Gehirn von Liebenden geworfen.
26 männliche und 29 weibliche Proband*innen zwischen 28 und 53 Jahren nahmen an der Studie teil. Alle hatten mindestens ein Kind und gaben an, sich zum Zeitpunkt der Untersuchung in einer Liebesbeziehung zu befinden. 27 von ihnen hatten außerdem mindestens ein Haustier. Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie wurde die Gehirnaktivität der Teilnehmenden gemessen, während ihnen Audiodateien vorgespielt wurden, in denen verschiedene liebevolle Szenarien geschildert wurden. Diese deckten sechs verschiedene Arten der Liebe ab: die Liebe zum Partner oder zur Partnerin, zu Freund*innen, zum Kind, zu Fremden, zu Haustieren und zur Natur.
Mein Kind, mein Partner, mein Haustier
Obwohl die romantische Liebe erwartungsgemäß eine starke Gehirnaktivität auslöste, gab es eine Form der Liebe, die diese noch übertraf: die zum eigenen Kind. Die Worte „Sie sehen ihr neugeborenes Kind zum ersten Mal, es ist das größte Wunder ihres Lebens, sie fühlen Liebe für das kleine Wesen“ lösten bei den Proband*innen die intensivsten Reaktionen im Gehirn aus – und zwar auch in Regionen, die bei anderen Liebesempfindungen nicht aktiviert werden. „Bei der Elternliebe wird das Belohnungssystem des Gehirns im Bereich des Striatums aktiviert, was bei keiner anderen Art von Liebe der Fall war“, so Rinne.
In dieser Grafik sind die Gehirnareale markiert, die im statistischen Durchschnitt durch verschiedene Arten von Liebe aktiviert werden.
Insgesamt konnten die Forschenden feststellen, dass bei allen Formen der zwischenmenschlichen Liebe ähnliche Hirnareale aktiviert werden – nämlich die, die mit sozialer Kognition in Verbindung stehen. Erwartungsgemäß war in dieser Kategorie die mitfühlende Liebe zu Fremden die mit der geringsten Intensität, weil zu diesem Objekt die geringste Nähe besteht. Die Liebe zur Natur und zu Tieren zeigte sich in visuellen Gehirnregionen und in Teilen des Belohnungssystems, nicht aber in sozialen Gehirnarealen – mit einer Ausnahme.
Auf das Szenario „Sie liegen zu Hause auf dem Sofa, ihre Katze kommt zu Ihnen, rollt sich neben Ihnen zusammen und schnurrt schläfrig. Sie lieben Ihr Haustier.“ gab es gemischte Reaktionen. Bei manchen Teilnehmenden wurden dadurch auch soziale Gehirnareale aktiviert, bei anderen nicht. Der Grund liegt auf der Hand: Welche Bereiche des Gehirns aktiv wurden, hing nämlich davon ab, ob die Proband*innen tatsächlich ein Haustier hatten oder nicht.
Die Studie liefere, so Rinne, „ein umfassenderes Bild der Gehirnaktivität, die mit verschiedenen Arten von Liebe verbunden ist, als frühere Forschungen.“ Das Team hofft, dass seine Erkenntnisse dabei helfen können, die psychologische Behandlung von Bindungsstörungen, Beziehungsproblemen und Depressionen zu verbessern.