Wie toxische Männchen die Mückenbekämpfung revolutionieren sollen
Nur weibliche Stechmücken saugen Blut und übertragen Krankheiten. Australische Forschende haben ihnen den Kampf angesagt. Ihre Waffe: Mückenmännchen, die ihre Partnerin bei der Paarung vergiften.

Eine weibliche Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) bei der Blutmahlzeit. Mit ihrem Stich können Mücken viele gefährliche Krankheiten übertragen, darunter Malaria, Dengue-Fieber und das Zika-Virus.
Stechmücken sind die tödlichsten Tiere der Welt: Die Mückenart Aedes aegypti ist für rund 390 Millionen Dengue-Fieber-Infektionen pro Jahr verantwortlich, über 600.000 Menschen sterben jährlich an durch verschiedene Stechmückenspezies übertragener Malaria. Weltweit erreichen die Zahlen der durch Mückenstiche verursachten Todesfälle Rekordwerte – nach zuverlässigen Methoden, die bei der Eindämmung der Gefahr helfen können, wird darum mit großer Dringlichkeit gesucht.
Giftiges Sperma senkt Lebenserwartung
„Wie wir aus COVID-19 gelernt haben, ist es wichtig, die Ausbreitung solcher Krankheiten so schnell wie möglich einzudämmen, um Epidemien zu verhindern“, sagt Sam Beach, synthetischer Biologe an der australischen Macquarie University. Er leitet ein Forschungsteam, das eine neue Technologie entwickelt hat, die die Schädlingsbekämpfung revolutionieren könnte: die Toxic Male Technique (TMT) – zu Deutsch Toxisches-Männchen-Technik.
In einer in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlichten Studie beschreiben die Forschenden, wie sie männliche Stechmücken gentechnisch so verändert haben, dass ihre Fortpflanzungssysteme insektizide Proteine herstellen. Bei der Paarung gelangen diese in den Körper der Weibchen und reduzieren deren Lebenserwartung eklatant.
Die Methode wurde bisher nur an Fruchtfliegen getestet. Dabei zeigte sich, dass die Lebenszeit von Fruchtfliegenweibchen, die sich mit TMT-Männchen paarten, um 37 bis 64 Prozent kürzer war als die von Weibchen, die sich mit genetisch unveränderten Männchen paarten. Berechnungen mit Computermodellen haben ergeben, dass die Zahl der Krankheitsübertragungen durch Stiche von Aedes aegypti, deren Weibchen eine Lebenserwartung von etwa drei Wochen haben, mithilfe der TMT um 40 bis 60 Prozent gesenkt werden könnte.
Gentechnik vs. Pestizide
Die Idee, Mücken auf genetischer Ebene zu bekämpfen, ist nicht neu. Bisherige Forschungsarbeiten verfolgten jedoch andere Ansätze. Zwischen 2013 und 2015 wurden in Brasilien teilweise umstrittene Feldversuche mit Stechmücken unternommen, deren veränderte Gene dazu führen, dass weibliche Nachkommen im Larvenstadium sterben. Männchen, die nicht stechen und darum auch keine Krankheiten übertragen, waren nicht betroffen. Die Gene-Drive-Technologie, die zum Beispiel in einer britischen Studie aus dem Jahr 2016 eingesetzt wurde, setzt hingegen darauf, Mückenweibchen unfruchtbar zu machen.
Gegenüber diesen Methoden, die schrittweise über Generationen wirken und Mückenpopulationen darum nur langsam reduzieren, hat die neue Technologie in den Augen ihrer Erfinder einen klaren Vorteil. „Weil TMT auf die weiblichen Stechmücken selbst und nicht auf ihre Nachkommen abzielt, ist sie die erste Biokontrolltechnologie, die so schnell wie Pestizide wirken könnte, ohne auch nützliche Arten zu schädigen“, sagt Beach.
Er bezieht sich hierbei auf den Einsatz von Insektiziden, die großflächig angewendet werden, um Stechmücken und andere Schädlinge zu bekämpfen. Das Problem: Die Pestizide töten auch Nützlinge wie zum Beispiel Bienen. Während viele Schädlinge inzwischen Resistenzen gegen die Mittel entwickelt haben, gilt dies für nützliche Arten nicht unbedingt. Das führt zu einer Abnahme an Fressfeinden, die die Schädlingspopulationen auf natürliche Weise in Schach halten würden, sodass die Wirksamkeit der Pestizide nicht nur nachlässt, sondern ihr Einsatz die Populationen ungewollter Spezies sogar wachsen lässt.
Wie sicher ist die neue Technologie?
In dieser Hinsicht ist der Einsatz der TMT also von Vorteil, denn sie richtet sich gezielt gegen eine spezifische Schädlingsart und beeinträchtigt andere Spezies nicht. „Wir haben Giftproteine ausgewählt, die nur auf wirbellose Tiere abzielen, so dass sie für Säugetiere ungiftig sind und Nützlinge, die diese Männchen fressen könnten, wahrscheinlich nicht schädigen“, sagt Studienautor Maciej Maselko, Leiter des Maselko-Labors für angewandte Biowissenschaften.
Um auch letzte Zweifel an der Sicherheit der Methode zu beseitigen, wird das Studienteam weitere Tests durchführen. Erst wenn diese erfolgreich sind, sollen die toxischen Männchen in die freie Wildbahn entlassen werden. Die TMT hätte sich bei Fruchtfliegen bewährt, doch „wir müssen sie noch auf Stechmücken anwenden und strenge Sicherheitstests durchführen, um sicherzustellen, dass keine Risiken für den Menschen oder andere Nichtzielarten bestehen“, so Maselko.
Etwa drei bis fünf Jahre wird es ihm zufolge dauern, bis die Technologie zur Anwendung bereit ist. Erste Feldversuche könnten aber bereits in ein oder zwei Jahren durchgeführt werden.
