Hund, Katze, Maus: Sprachtest sagt Lebenserwartung von Senioren voraus

In kurzer Zeit so viele Tiere aufzählen wie möglich – mit zunehmendem Alter wird das immer schwieriger. Eine Studie belegt nun den Zusammenhang zwischen der Menge genannter Tiernamen und der Zahl der Jahre, die Senior*innen noch bleiben.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 29. Apr. 2025, 09:05 MESZ
Alte Dame im pinken Kleid sitzt mit einer Katze auf einer Bank im Garten.

Im hohen Alter haben Menschen oft Schwierigkeiten beim Aufzählen von Tieren. Im Extremfall einer alterungsbedingten Demenz werden manchmal nur noch die beiden Worte „Hund, Katze“ wiederholt.

Foto von a.ghizzi / stock.adobe.com

Wie viele Jahre habe ich noch? Laut einer Studie von Forschenden der Universität Genf und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB), die in der Zeitschrift Clinical Psychological Science erschienen ist, kann ein einfacher Sprachtest Senior*innen Aufschluss darüber geben. Ausschlaggebend – zumindest statistisch betrachtet – ist demnach, wie viele verschiedene Tierarten sie in 90 Sekunden aufzählen können.

Eine Person, der im vorgegebenen Zeitrahmen etwa 33 Tiernamen einfallen, hat den Studienergebnissen zufolge durchschnittlich noch zwölf Jahre vor sich. Sind es nur elf Tiere, sinkt die verbleibende Lebenszeit auf drei Jahre.

Altersstudie testet kognitive Leistung von Senioren

Grundlage der Studie ist die Analyse von Stichproben aus der Berliner Altersstudie. Erhebungen für diesen laut Hauptautor Paolo Ghisletta von der Universität Genf „reichhaltigen und seltenen Datensatz“ begannen kurz vor dem Mauerfall im Jahr 1989. Die darin enthaltenen Informationen stammen von 516 Personen im Alter zwischen 70 und 105 Jahren. Diese wurden zum Beispiel zu ihrer wirtschaftlichen Situation, ihrem Stressniveau und ihrer Zahngesundheit befragt. Am Ende des Studienzeitraums, nach 18 Jahren, waren 496 der Teilnehmenden verstorben.

Neben den Befragungen nahmen die Proband*innen im Studienzeitraum regelmäßig an neun verschiedenen kognitiven Tests teil, die Aufschluss über vier geistige Fähigkeiten gaben: Die Wahrnehmungsgeschwindigkeit, die misst, wie schnell Reize und Muster erkannt und Informationen gefiltert werden, den Wortschatz, die Merkfähigkeit und die Wortflüssigkeit.

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Letztere wurde mit dem Tiernamen-Test gemessen, sowie einem zweiten Test, bei dem in 90 Sekunden möglichst viele Wörter genannt werden sollten, die mit dem Buchstaben „S“ beginnen.

Aspekt mit überraschend hoher Aussagekraft

Mithilfe eines eigens für die Studie entwickelten Modells setzte das Studienteam die anhand der Tests dokumentierten Veränderungen der Geistesleistung mit Schätzungen des Sterberisikos in Beziehung. Dabei zeigte sich, dass die beiden Wortflüssigkeitstests in Hinblick auf die Lebenserwartung wesentlich aussagekräftiger waren als die anderen kognitiven Tests.

„Personen, deren Wortflüssigkeitsleistung sich im Bereich der oberen 25 Prozent der Stichprobe befand, lebten im Schnitt fast neun Jahre länger als Personen, deren Wortflüssigkeitsleistung sich im Bereich der unteren 25 Prozent befand“, so Ghisletta. Der Studie zufolge erhöht sich die Restlebenszeit mit jedem zusätzlich genannten Tier im Schnitt um fünf und mit jedem weiteren Wort im zweiten Test um drei Prozent.

Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass eine gute Bildung sich positiv auf die Lebenserwartung auswirkt: Wer gebildet ist, verdient meist mehr und hat einen besseren Zugang zu Gesundheitsleistungen. Das belegt auch die neue Analyse der Altersstudie.

Eine interessante Feststellung der Studienautor*innen ist jedoch, dass diese Aspekte bei der Einschätzung der Sterbewahrscheinlichkeit weniger aussagekräftig sind als die Ergebnisse der Wortflüssigkeitstests. Wie viele Tiere oder Worte eine Person aufzählen konnte, war relativ unabhängig von Bildungsniveau oder Lebensstandard.

Wortflüssigkeit – ein komplexer Prozess

Warum das Aufzählen von Tiernamen in Bezug auf die Lebenserwartung so aussagekräftig ist, ist bisher nicht geklärt. Die Forschenden haben jedoch eine Theorie: Die meisten kognitiven Tests prüfen spezifische Gehirnfunktionen wie die Logik oder das Kurzzeitgedächtnis. An der Wortflüssigkeit hingegen sind verschiedene Bereiche beteiligt, unter anderem das Langzeit- und das visuelle Gedächtnis sowie der Wortschatz und die Fähigkeit, diesen zu nutzen.

„Wortflüssigkeit ist also eine komplex zusammengesetzte kognitive Fähigkeit, die in besonderem Maße das Zusammenspiel verschiedener Hirnfunktionen erfordert“, sagt Studienautor Ulman Lindenberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. „Wenn dieses Zusammenspiel alterungsbedingt stark nachlässt, dann geht dies mit einer Verringerung der Lebenserwartung einher.“

Geistig fit, lange leben

Die Wortflüssigkeitstests sind sehr einfach durchführbar. Dafür, die Lebenserwartung einzelner Personen vorauszusagen, sind sie Ghisletta zufolge jedoch nicht geeignet. „Die Zusammenhänge drücken lediglich eine Wahrscheinlichkeit aus“, sagt er. Sichere Aussagen über Individuen ließen sich aus den Testergebnissen nicht ableiten.

BELIEBT

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    Grabsteine auf einem Friedhof.

    Ebenso wäre es falsch, zu denken, man könne sein Leben verlängern, indem man das Aufzählen von Tieren trainiert. „Dann würde der Test nicht mehr dasselbe messen, was er zuvor gemessen hat“, so Lindenberger. „Und an der Lebenserwartung dürfte sich nicht viel ändern.“

    Statt sich darauf zu konzentrieren, bei einem bestimmten kognitiven Test gut abzuschneiden, sei es besser, generell ein intellektuell anregendes, sozial engagiertes und körperlich aktives Leben zu leben. Das halte geistig fit und schenke wertvolle Lebensjahre. Ein Spaziergang mit Freunden im Zoo ist laut Lindenberger darum immer eine gute Idee.

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