13 Millionen Jahre alter Affenschädel entdeckt

Der bemerkenswerte Schädel des jungen Affen ist so gut erhalten, dass im Schädelinneren Abdrücke des Gehirns vorhanden sind.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:39 MEZ

Vor mehr als 13 Millionen Jahren verstarb ein junger Affe im Norden des heutigen Kenias. Sein Leichnam wurde in einem üppigen Wald von der herabfallenden Asche eines Vulkanausbruchs in der Nähe bedeckt.

Millionen von Jahren später entdeckten Wissenschaftler den Schädel des Primaten. Es ist der am besten erhaltene Schädel seiner Art, der je gefunden wurde, und gewährt den Forschern einen außergewöhnlichen Einblick in die frühen Stadien der Evolution von Menschenaffen.

„Wir suchen seit Jahren nach Menschenaffenfossilien – das ist das erste Mal, dass wir einen vollständigen Schädel haben“, sagt Isaiah Nendo. Der Anthropologe vom De Anza College hat die Ausgrabung geleitet, die in Teilen von der National Geographic Society finanziert wurde.

Der Schädel, der etwa die Größe einer Zitrone hat, gehörte einer neu bestimmten, frühen Menschenaffenart mit dem Namen Nyanzapithecus alesi. Einige seiner Merkmale ähneln denen der heutigen lebenden Meerkatzenverwandten und Menschenartigen. Das Gesicht weist eine verblüffende Ähnlichkeit zu dem der heutigen jungen Gibbons auf.

Darüber hinaus, gewährt N. alesi Einblicke in das Gehirn der frühen Menschenaffen, wie das Team in seiner Studie mitteilt, die in „Nature“ erschien. Mit einem Volumen von etwa sieben Esslöffeln war N. alesis Schädelhöhle etwa doppelt so groß wie die von anderen Altweltaffen jener Zeit.

Die intakte Hirnschale, auf der Abdrücke des Hirnäußeren erhalten sind, enthält außerdem die nicht durchgebrochenen, bleibenden Zähne des jungen Affen.

GLÜCKSFALL

Nachdem sie sich vor 25 bis 28 Millionen Jahren von ihren Vorfahren abgespalten hatten, verzweigte sich der Stammbaum der Altweltaffen. Viele dieser Abstammungslinien starben aber vor etwa sieben Millionen Jahren durch einen natürlichen Klimawandel aus. Moderne Menschenaffen und Menschen sind die Nachfahren einer der überlebenden Abstammungslinien.

Die Details dieser evolutionären Geschichte sind jedoch nicht klar. Das liegt zum Teil daran, dass die frühen Menschenaffen in Regenwäldern lebten, die nur selten Bedingungen bieten, die eine Versteinerung von Skeletten begünstigen. Bis zur Entdeckung von N. alesi hatte man nur einen anderen Menschenaffenschädel mit intakter Hirnschale aus dem Miozän gefunden.

„Bei den Arten, bei denen wir überhaupt Teile des Schädels finden, haben wir oft die Kiefer, das Gesicht und manchmal auch den Anfang des Stirnknochens“, sagt Brenda Benefit. Die Anthropologin der New York State Universität prüfte die Studie vor der Veröffentlichung. „Man findet keine vollständige Hirnschale – das ist ein noch nie dagewesener Fall.“

Um N. alesi zu finden, brauchte es Entschlossenheit und einen ungeheuren Glückstreffer. Die Leakeys, eine Familie von Koryphäen auf dem Gebiet der Paläoanthropologie, hatten zuvor an der Ausgrabungsstätte Napudet im Norden Kenias gegraben. Als Nengo 2013 die Ausgrabungen übernahm, hatte kaum jemand große Hoffnungen, dass man etwas von Bedeutung finden würde.

Aber an einem Tag Anfang 2014 ging einer der Expeditionsassistenten, John Ekusi, ein Stück vom Team weg, um eine Zigarette zu rauchen. Der Rest des Teams beobachtete Ekusi ratlos von Weitem, als dieser nach ein paar Minuten begann, etwas auf dem Boden zu umkreisen, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte. 

Ekusi sagte dem Rest des Teams, dass er womöglich das obere Ende eines Oberschenkelknochens von einem Elefanten entdeckt hatte, und deutete auf eine abgerundete, knöcherne Struktur im Stein. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass es ein viel seltenerer Fund war: ein kleiner Affenschädel, der nur leicht eingedrückt war und daher fast noch seine originalen Proportionen hatte. Die ganze Crew tanzte förmlich vor Aufregung.

Der Schädel von N. alesi wurde mit kleinen Bürsten und Zahnstochern von losem Sand und Steinen befreit.
Foto von Isaiah Nengo, Leakey Foundation

Da die Nacht hereinbrach, musste die Crew ihn jedoch wieder vergraben und bis zum nächsten Morgen warten, um ihn vollständig auszugraben. „Ich sage Ihnen, in der Nacht hat niemand geschlafen“, sagt Nengo.

BLICK IN DEN AFFENSCHÄDEL

Die Datierung der Sedimentschicht rund um das Fossil offenbarte den Forschern, dass der Schädel etwa 13 Millionen Jahre alt ist. Aber trotz seines fantastischen Zustands kam eine erste Begutachtung des präparierten Fossils zu keinem eindeutigen Schluss, wo der Schädel auf dem Stammbaum der Primaten einzuordnen war.

Um das festzulegen, mussten Nengo und seine Kollegen einen Blick auf die bleibenden Zähne werfen, die noch nicht durchgebrochen waren. Das Team brachte seinen Fund also in die European Synchrotron Radiation Facility im französischen Grenoble. Dort scannten die Techniker ihn mit starker Röntgenstrahlung und konnten in den Schädel blicken, ohne ihn zu beschädigen.

Durch die Scans erhielten Nengo und sein Team 3D-Rekonstruktionen der Zähne. Ihre charakteristische Form ordnete den Schädel eindeutig den Nyanzapithecinen zu, einer ausgestorbenen Schwestergruppe der Gibbons, Menschenaffen und Menschen.

„Wenn sie die [Synchroton-Scans] nicht gemacht hätten, wären sie nie in der Lage gewesen, das herauszufinden“, sagt Benefit. „Für mich ist das ein Wunder der modernen Technik.“

BELIEBT

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    Nun, da N. alesi der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, sprudelt Nengo nur so über vor Ideen, welche Merkmale man als nächstes untersuchen könnte. Er und seine Kollegen bereiten sich darauf vor, die Hirnabdrücke im Schädelinneren zu untersuchen. Außerdem wollen sie sich das ausgezeichnet erhaltene Ohr des Affen genauer ansehen und rekonstruieren, wie N. alesi zu Lebzeiten ausgesehen hat.

    Nengo plant auch, zurück nach Napudet zu reisen und andere Fossilien aufzuspüren, deren Spuren er in den uralten Gesteinsschichten gesehen hat.

    „Das ist der Plan“, sagt er. „Es gibt noch ein paar interessante Sachen zu tun.“

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