Fossile Rohstoffe: Eingesickert in die Gesellschaft

Unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen ist nicht immer offensichtlich. Wir tragen sie am Körper, sie wärmen und ernähren uns. Der Kulturtheoretiker Dr. Steininger erklärt im Interview, wie abhängig wir wirklich sind.

Von Anna-Kathrin Hentsch
Veröffentlicht am 4. Juni 2020, 10:41 MESZ
Fossile Rohstoffe: Eingesickert in die Gesellschaft

Fossile Energieträger wie Erdöl, Kohle oder Erdgas sind maßgeblich an der Entwicklung des Wohlstands beteiligt. Ist eine Welt ohne sie denkbar?

Foto von scharfsinn86, Stock.adobe.com

Sprechen wir von fossilen Rohstoffen, denken wir zuerst an Mobilität und Energie. Doch Kohle, Gas und Erdöl sind in den letzten 200 Jahren viel tiefer in unser Leben gesickert, als wir vermuten. Freiheit und Wohlstand des fossilen Zeitalters basieren ebenso wie Nylon, Arzneimittel oder Kunstdünger auf jenen Energieträgern. Ist eine Welt ohne fossile Rohstoffe überhaupt denkbar? Dr. phil. Benjamin Steininger, Kulturtheoretiker am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und am Exzellenzcluster UniSysCat in Berlin, erklärt, wie sich die Gesellschaft emanzipieren und eine alternative Zukunft aussehen kann.

Herr Dr. Steininger, welche Rolle spielen fossile Rohstoffe im Anthropozän?

Unter dem Begriff ‚Anthropozän‘ diskutiert man in der Geologie, aber auch in anderen Wissenschaften und immer mehr in der Öffentlicheit ein neues, vom ‚Menschen gemachtes Erdzeitalter‘. Für den definitionsgemäßen Eintritt in dieses ‚Anthropozän‘ gilt unter den Geologen im Moment ein Zeitpunkt in der Mitte des 20. Jahrhundert als Favorit, weil sich nach dem Zweiten Weltkrieg sehr viele globale Phänomene zugespitzt haben: Bevölkerungswachstum, Verbrauch fossiler Energieträger, Kunstdüngerproduktion, Verstädterung, Verringerung der Biodiversität. Grundlegend ist aber die Beobachtung, dass sich das seit 12.000 Jahren herrschende Holozän schon seit dem Beginn der kohlebefeuerten Industrialisierung verändert hat.

Wenn Menschen also wie jetzt klar wird Erdgeschichte machen und planetarische Zusammenhänge verändern, dann tun sie dies nicht allein mit ihren Muskelkräften, sondern indem sie aussermenschliche Kräfte für sich einspannen. Die wichtigsten dieser Kräfte, die wir Menschen in den letzten 200 Jahren genutzt haben, sind fossile Energien. Sie haben also kaum zu überschätzenden Anteil am Anthropozän. Ob als Kohle oder Erdgas zum Betreiben von Elektrizitätswerken oder von Produktionsstätten aller Art, ob als Diesel, Benzin oder Kerosin für alle Formen des Verkehrs zu Land, zu Wasser oder in der Luft, aber auch zum Betrieben von Baumaschinen, von Minen und Bergwerken.

Die Energiewende ist angestoßen. Doch was ist mit den zahllosen chemisch erzeugten Stoffen und Materialien auf Basis fossiler Rohstoffe? Wird über die notwendige Neuorientierung in der chemischen Industrie zu wenig gesprochen?

Der chemischen Industrie kommt im Anthropozän eine versteckte Schlüsselrolle zu. Rohstoffe wie Kohle und Öl sind geohistorisch nur wirksam, weil sie in ein ganzes Bündel von chemischen Wissenschaften, Techniken und Industrien eingespannt sind. Erst eine Art innere, molekulare Mobilmachung macht aus Rohstoffen industrielle Produkte, die dann als Treibstoffe, Baustoffe oder Kunststoffe, als Kunstdünger oder Pharmaka einen bis dahin nie dagewesenen Typus von Geschichte antreiben.

Während man landläufig unter Energiewende die Umstellung von Atom- Kohle- und Gaskraftwerken auf Solar- und Windstrom und von Verbrennungsmotoren auf Elektromotoren versteht, fehlt die chemische Industrie in diesem Bild oft. Und zwar auf doppelte Weise: Sowohl als zentraler Faktor des bislang herrschenden, fossilen Energie- und Stoffregimes. Wie auch als Faktor, um sich davon zu lösen, um etwa mit Hilfe katalytischer Prozessarchitekturen elegante, sparsame Reaktionen zu entwickeln, um etwa Energie nicht in vergleichsweise plumpen Akkumulatoren, sondern in chemischen Molekülen zu speichern. Ohne Chemie wird es nicht gehen. Hier ist sehr vieles in Bewegung, denn es gibt gewaltige Potenziale der Verbesserung. Aktuell verbrauchen chemische Industrien noch immer enorme Mengen an fossiler Energie, sie setzen enorme Mengen an fossilen Ressourcen stofflich um und sie erzeugen enorme Mengen an CO2.

Können Sie Beispiele nennen?

Zement, ohne den keine Brücke, kein Haus, und kaum ein Gartenzaun auskommt, ist beispielsweise eines dieser oft übersehenen, chemischen Produkte. Man verwendet Petrolkoks um den Klinker zu brennen, es wird aber auch durch den chemischen Prozess der Zementerzeugung selbst sehr viel CO2 freigesetzt, insgesamt viermal so viel wie im weltweiten Flugverkehr. Ein anderes Beispiel ist die Kunstdüngerindustrie. Die Ammoniakherstellung allein ist für circa 1-3% des gesamten Weltenergiebedarfes verantwortlich. Gleichzeitig benötigt diese Industrie große Mengen des aktuell aus Erdgas gewonnenen Wasserstoffs, der mittels fossiler Energie in Ammoniakdünger vewandelt wird. Eine Energiewende die sich um Elektroautos sorgt, die diese Felder aber übergeht, wäre sehr unvollständig.

BELIEBT

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    Der Dünger wird mit Agrarmaschinen auf Felder gebracht. Am Ende langer und energieintensiver Produktionsketten landen die Lebensmittel auf unseren Tischen. Wie viel fossiler Rohstoff in unserem Alltag steckt, ist also nicht immer offensichtlich?

    Essen wir Tomaten, die in mit CO2 aus Raffinerien belüfteten Gewächshäusern gewachsen sind, essen wir im übertragenen, und mitunter sogar im buchstäblichen Sinn, Öl. Diese historisch-technischen Bedingungen der gesamten Nahrungsmittelproduktion macht das globale Bevölkerungswachstum der letzten 200 Jahre möglich. Weitere und ihrerseits mit fossilen Rohstoffen verknüpfte Wissenschaften wie die Pharmazie und auf Kunststoffe angewiesene Medizintechnik haben ebenfalls dazu beigetragen. 

    Am offensichtlichsten ist die Rolle der fossilen Rohstoffe in der Mobilität. Sie ist eines der exemplarischen Schlüsselstücke im Puzzle der Moderne, an das sich weitere Schlüsselstücke anschließen. Daran hängt die Art und Weise wie Städte funktionieren, wie Güter transportiert werden und damit auch Standorte industrieller Produktionen. Zentrale, gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind aufs engste damit verknüpft.

    Die Petroleumlampe und das Gaslicht haben den Arbeitstag verlängert und die Welt verändert. Alle Infrastrukturen der Forschung und damit unser Wissen von der Welt sind faktisch in dieses Energiesystem eingebunden: Eindeutig und naheliegend, wenn Wetterdaten aus der weltweiten Luftfahrt in Klimamodelle eingehen. Keine einzige Rechenmaschine wäre faktisch gebaut worden, ohne die Nutzung fossiler Energie und fossiler Stoffe. Vom kleinsten bis zum Größten, von der Mikrophysik der Elementarteilchen bis zum Weltraumteleskop, vom Biolabor bis zur Datenbank antiker Texte sind wir in unserem Wissen und damit in unserem Weltbild den Leistungen fossiler Materialität verpflichtet.

    Wenn man alle diese großen und kleinen Details zusammenbringt dann wird klar, auf welch vielfältige Weise die Nutzung fossiler Ressourcen die alte, agrarisch geprägte, sozial-politische Ordnung umgewälzt hat. Nur so konnte das politisch-ökonomische System der Industriegesellschaft, in dem wir im Wesentlichen noch immer leben, entstehen.

    Eine durchaus auch positive Errungenschaft…

    Es ist wichtig, immer sowohl die Errungenschaften, wie auch die Abgründe der fossilen Moderne im Blick zu behalten. Diesem völlig neuen Massenwohlstand stehen völlig neue Möglichkeiten der Massenvernichtung gegenüber. Panzer, Kampfflugzeuge und Marschflugköper gehören explizit ebenso zur fossilen Moderne, wie ein topmodern ausgestattetes Krankenhaus, ein funktionierendes Sozialsystem und eine prall gefüllte Shopping Mall. Die Reichweite der fossilen Ressourcen für die Kultur der Gegenwart vollständig zu beschreiben, würde eine Komplettbeschreibung der Gegenwart erfordern. Mein Kollege Alexander Klose und ich haben die Rolle des Öls in einem Slogan zusammengefasst: Es ist nicht nur in unseren Motoren, es ist auch in unseren Körpern, es ist nicht nur in unseren Körpern, es ist auch in unseren Köpfen, es ist nicht nur in unserem Wissen, es ist auch in unserem Wollen und Hoffen.

    Kann sich eine solch durchdrungene Gesellschaft überhaupt von fossilen Rohstoffen emanzipieren?

    Aus dem historisch gewachsenen Gesamtrahmen, in dem unser Lebensstil steht, können wir weder Kohle noch Öl herausdenken, ohne dass nahezu alles verschwindet, was seit 200 Jahren passiert ist. Ob es einen wenigstens ähnlichen Lebensstil ohne fossile Rohstoffe geben könnte, fällt in den Bereich der Spekulation. Mit viel Innovationsgeist lässt sich sicherlich auch aus nachhaltigen Ressourcen Wohlstand erzeugen und auf gerechte Weise verteilen. Ehrlicherweise wird sich vieles aber nicht auf Dauer so fortsetzen lassen. Doch um einiges ist es wahrscheinlich nicht schade. Dass in jedem Berliner Getränkeladen 120 verschiedene Biere aus allen Teilen der Welt angeboten werden, ist vielleicht ein Luxus, auf den man irgendwann auch ohne Trennungsschmerz wieder verzichten kann. Vor allem wird sich der momentan herrschende Wachstumszwang nicht halten lassen. Klimawandel ist der Beweis, dass auch unter fossilen Bedingungen die Bäume nicht in den Himmel wachsen, dass das Erdsystem an eine sehr konkrete Decke stößt. Für einige wird das eine unbequeme Phase des Entzugs von dieser Droge sein, aber ein Festhalten an einer bekanntermaßen zerstörerischen Dynamik wäre noch weitaus verheerender.

    Das Haus in dem man sich 200 Jahre mit verschiedenen fossilen Rohstoffen eingerichtet hat, braucht eine Inventur?

    Was eine Inventur braucht, ist genau genommen weniger ein Haus, sondern ein Flugzeug, das abzustürzen droht. Und die Inventur betrifft nicht nur einige Einrichtungsgegenstände, sie betrifft die tragenden Struktur, also das Fundament oder die Tragflächen, die alles halten. Wir setzen fossile Energie und fossile Materialität implizit voraus, ohne dass wir je explizit darüber nachgedacht haben. Wir stehen vor der Notwendigkeit grundlegender Veränderungen. Und diese betreffen sowohl praktische, als auch abstrakte Fragen wie unsere Vorstellungen von Freiheit und Gleichheit. Niemand will etwa, dass Kinder- und Sklavenarbeit wieder zum Standard wird, so wie es fast in der gesamten, vorfossilen Menschheitsgeschichte üblich war. Niemand will auf politische Freiheitsrechte verzichten, auf internationalen Austausch, auf eine reiche Kulturlandschaft, auf ein breites Spektrum der Wissenschaft und Forschung, die natürlich alle damit zu tun haben, dass Maschinen die allermeiste schwere Arbeit für uns übernehmen und Menschen sich um andere Dinge kümmern können. Eine der spannendsten Fragen zur Fortsetzung und postfossilen Weiterentwicklung der Moderne wird also sein, wie sich die gesellschaftlich politischen Standards, der Völkerverständigung, der internationalen Integration und Kooperation, die sich faktisch unter den Bedingungen eines stetigen Zustroms von im Gesamtmaßstab sehr billiger fossiler Energie entwickelt haben, in ein postfossiles Zeitalter hinüberretten lassen.

    Wir werden also verzichten müssen?

    Dass sich zu denselben, und im Grunde grotesk billigen Preisen zu denen sich heute Öl fördern lässt, künstliche Kohlenwasserstoffe aus nachhaltigem Strom produzieren lassen, scheint schwer vorstellbar. Dass derart wertvolle Stoffe aber einen Preis erhalten, der ihrer Verschwendung entgegenwirkt, muss alles andere als ein Nachteil sein. Technikhistorisch ist womöglich mehr Innovation aus einem Mangel heraus entstanden, als aus purem Überfluss. Nicht alles, was sich ändern sollte, ist gleich als Verlust einer Errungenschaft einzuschätzen. Eine Welt ohne Einwegplastikflaschen, ohne Wochenendausflüge nach Miami oder Dubai ist immerhin denkbar und lebenswert. 

    Müsste man sortieren, wäre es wahrscheinlich am sinnvollsten, Kohle und Öl als Energieträger so weit wie möglich zu ersetzen. So hält man sich die Möglichkeit offen, fossile Ressourcen wegen ihrer materiellen Qualität zu nutzen. Schon jetzt wird selbst in der Erdölindustrie mitunter darauf hingewiesen, dass Erdöl zum Verbrennen eigentlich viel zu wertvoll sei. Wenn der Löwenanteil der fossilen Energie ersetzt wäre, könnte man die stofflichen Qualitäten, wie etwa des Rohöls, in einer hochwertigen Kunststoff- und Pharmaindustrie nutzen, ohne dass sich daraus zwangsläufig größere Schäden ergeben.

    Worauf werden wir nicht verzichten können?

    Man kann über derartige Fragen nur spekulieren, zumal wir in der Entwicklung eines künftigen Gesamtzusammenhangs aus mineralischen, nachwachsenden, und fossilen Rohstoffen erst am Anfang stehen. Aber die materielle Seite ist auch nur ein Aspekt. Für die Funktion und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft erscheinen die indirekten, also die abstrakten Errungenschaften der fossilen Moderne am unverzichtbarsten.

    Das interessante an materiellem Wohlstand und Luxus ist ja nicht nur der Wohlstand selbst, sondern die Freiheit, die er auch in einem geistigen Sinn ermöglicht. Zentrale, kulturelle Errungenschaften haben damit zu tun, dass Ressourcen nicht unmittelbar wieder in einen überlebenswichtigen Verwertungszusammenhang eingespeist werden müssen, sondern dass sie zur freien Verfügung stehen. Aus freien Mitteln entstehen Kunst und Reflexion, aber auch alle Formen zunächst nicht unmittelbar überlebenswichtiger Wissenschaft. Die fossile Modere ist bei aller Problematik auch eine Blütezeit derartiger freier Mittel. Konzert- und Opernhäuser, Sammlungen und Museen, die einst von Kaisern und Königen gebaut wurden, wurden in der Moderne zu Stätten der breiten Bildung, weil die Mittel dafür bereitstanden. Vor allem jetzt, da weitere Innovationsschritte sowohl technischer wie gesellschaftlicher Art dringend nötig sind, wird eine selbstverständlich energieintensive Forschungslandschaft, werden die von fossiler Energie gestifteten Standards geistiger und gesellschaftlicher Freiheit umso wichtiger. Als unverzichtbar sollte daher gerade der hohe Grad an intellektuellem Luxus gelten, den wir in den letzten Jahrzehnten kennengelernt, wenn auch nicht immer zum besten genutzt haben.

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    Was bedeutet so eine Neuorientierung für die deutsche Wirtschaft?

    Deutschland pflegt schon seit langer Zeit das Selbstbild eines Landes ohne Rohstoffe. Das ist für den jahrzehntelangen Weltmarkführer in Sachen Braunkohle natürlich nur zum Teil zutreffend. Doch im Vergleich zu Ländern wie Kanada, Russland oder den USA, die sich explizit als Rohstoffländer verstehen, wäre Deutschland komplementär als Raffinerieland zu beschreiben. Gerade die Tatsache, dass man historisch gegenüber klassischen Kolonialnationen wie England oder Frankreich im Rückstand war, hat schon sehr früh den Aufbau einer wissenschaftlich fundierten Chemieindustrie begünstigt, um den Farbstoff Indigo oder Gummi aus heimischen Rohstoffen produzieren zu können. Die Liste der Innovationen aus Deutschland ist lang, ob aus der Kohle-, aus der Nitrat- oder aus der Petrochemie. Einige dieser Innovationen, etwa Plastik, haben sich als problematisch herausgestellt.

    Die Kompetenzen, derartiges entwickeln zu können, werden aber auch in jeder zukünftigen Chemie eine entscheidende Rolle spielen. Tatsächlich geht es im Bereich der Chemie um Vorhaben, die nochmals sehr viel ehrgeiziger sind als die genannten historischen Erfolge. Während man in der Geschichte der insbesondere deutschen Chemieindustrie fast alle Stoffe ersetzen konnte, wenn man nur genügend fossile Energie investiert hat, so müssen wir jetzt die Stoffe selbst herstellen, indem wir sie aus nachhaltiger Energie sowie aus den Elementen zusammenbauen. Das Ziel sind künstliche, nachhaltig gewonnen Moleküle, die unter anderem auch als dringend benötigte Energiespeicher für volatilen Wind- und Solarstrom dienen können. Es geht hier also um ganz entscheidende Schlüsselstellen jeder künftigen Technik und Wirtschaft. Und es gibt nur wenige andere Länder, die hier ähnlich qualifiziert sind. Tatsächlich wird die dafür nötige Katalyse-Chemie und Technik der Zukunft um einiges komplexer sein müssen als die aktuelle. Aber auch hier ist Wachsamkeit, eine langfristige Perspektive auf eine tatsächlich nachhaltige Industrie und politische Unterstützung wichtig, und zwar sowohl im nationalen, mehr aber noch im europäischen Kontext.

    Dr. phil. Benjamin Steininger, Kulturtheoretiker am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und am Exzellenzcluster UniSysCat in Berlin.

    Foto von Privat

    Herr Dr. Steininger, was treibt Sie an?

    Kulturtheoretiker haben die Moderne vielfach als Epoche extremer, und nicht auflösbarer Widersprüche beschrieben: zwischen Wissenschaft und Ideologie, Emanzipation und Versklavung, Fortschritt und Katastrophe. Mit der Epochenbezeichnung vom Anthropozän hat sich diese Perspektive nochmals zugespitzt. Was bislang nur im Bereich der Kultur der Moderne galt, erfasst jetzt auch den Bereich der globalen Natur.  Der Blick auf die fossilen Rohstoffe, auf naturhistorische Urwüchsigkeit wie auf ihre Mobilisierung in High-Tech-Reaktoren der Chemie kann unser Wissen um die Widersprüche und Komplexitäten unserer Gegenwart entscheidend erweitern.

    Auch hier gilt es, sehr unterschiedliche Maßstäbe und Register zusammenzudenken: fossil und hochmodern, molekular und planetar. Eine Kulturtheorie der fossilen Moderne muss sich soweit es geht auf die konkreten, schmutzigen Materialitäten einlassen und umgekehrt ermitteln, welche abstrakten Konzepte genau von diesen Materialitäten aus bestimmt werden. Eine derart chemisch und industriell informierte Kulturwissenschaft steht aber erst am Anfang. Denn das ist ja das Verrückte an den fossilen Materialitäten: Wir haben als individuelle aber auch als historische Wesen derart viel mit ihnen zu tun, dass wir sie kaum mehr sehen. Gerade weil wir uns wieder von diesen unheilvollen Freunden lösen müssen, müssen wir uns über den ambivalenten Charakter dieser Freundschaft klar werden.

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