Wer hat die Antarktis wirklich entdeckt?

Kommt darauf an, wen man fragt. Im 19. Jahrhundert starteten rivalisierende Expeditionen eine regelrechte Jagd nach der geheimnisvollen südlichen Landmasse.

Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 27. Juli 2020, 16:33 MESZ
Ein Mitglied von Robert Falcon Scotts Terra-Nova-Expedition zum Südpol steht auf einem vom Wasser zerfressenen Eisberg ...

Ein Mitglied von Robert Falcon Scotts Terra-Nova-Expedition zum Südpol steht auf einem vom Wasser zerfressenen Eisberg in der Nähe des Mount Erebus in der Antarktis. Nach der Entdeckung des Kontinents im Jahr 1820 dauerte es fast 100 Jahre, bis die Forscher den Südpol erreichten.

Foto von Herbert G. Ponting, Nat Geo Image Collection

Zweihundert Jahre nach der Entdeckung der Antarktis hat sich der gefrorene Kontinent einen Ruf als Ort für wissenschaftliche Forschung, Abenteuer und eisige Gefahren verdient. Aber wer hat den weißen Kontinent wirklich entdeckt? Das hängt ganz davon ab, wie man „entdeckt“ definiert. Die schicksalhafte Sichtung könnte einer russischen Expedition am 27. Januar 1820 zugeschrieben werden – oder einer britischen, die nur drei Tage später stattfand.

Kapitän James Cook, ein Entdecker der britischen Royal Navy, suchte drei Jahre lang nach der Antarktis, fand den Kontinent aber nie. Zu einem Zeitpunkt war er nur etwa 130 Kilometer von der Küste entfernt.

Foto von De Agostini, Getty

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Forscher auf der Jagd nach einem riesigen südlichen Kontinent, den sie Terra Australis Incognita („unbekanntes südliches Land“) nannten. Diese riesige Landmasse, so dachte man, wäre eine Art Gegengewicht zu dem Land in der nördlichen Hemisphäre. Aber frühe Versuche, den Kontinent zu finden, waren gescheitert. Kapitän James Cook hatte während seiner zweiten Reise von 1772-1775 drei Jahre lang nach der geheimnisvollen Landmasse gesucht. Die Expedition führte Cook und seine Männer an den südlichen Polarkreis. Aber der Entdecker gab schließlich auf, nachdem er den Kontinent nicht finden konnte.

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    Cook war jedoch davon überzeugt, dass mehr an der Geschichte dran sein müsse. „Ich glaube fest daran, dass es in der Nähe des Pols ein Stück Land gibt, das die Quelle des größten Teils des Eises ist, welches sich über das riesige Südpolarmeer ausbreitet“, schrieb er am Ende der Expedition. Aber „das Risiko, das man eingeht, wenn man eine Küste in diesen unbekannten und eisigen Meeren erforscht, ist so groß, dass ich kühn sagen kann, dass sich kein Mensch jemals weiter wagen wird, als ich es getan habe, und dass die Länder, die vielleicht im Süden liegen, niemals erforscht werden“. Wie sich herausstellte, war Cook an einem Punkt seiner Reise nur etwa 130 Kilometer von der Küste der Antarktis entfernt gewesen.

    Die Jagd nach Terra Nova

    Cooks Reisen spornten andere Entdecker an, aber niemand von ihnen hatte Erfolg. Die Suche nach dem „unbekannten südlichen Land“ galt schon bald als unmögliche Aufgabe. Aber durch internationale Rivalitäten und potenziellen Gewinne aus der Robbenjagd entbrannte die Jagd nach der Antarktis wieder. Der globale Wettbewerb um Territorium und wirtschaftliche Dominanz veranlasste Forscher aus Russland, England und den Vereinigten Staaten dazu, sich auf die Suche nach der Landmasse zu begeben.

    1819 beauftragte Russland Fabian von Bellingshausen damit, noch weiter südlich als Cook zu segeln. Am 27. Januar 1820 erblickte er festes Eis. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Schelfeis, das mit der arktischen Landmasse verbunden war, die heute als Königin-Maud-Land bekannt ist. Was er nicht wusste, war, dass er Gesellschaft hatte: Drei Tage später erspähte der britische Marineoffizier Edward Bransfield die Spitze der Antarktischen Halbinsel.

    Bellingshausen war technisch gesehen der erste, der den unbekannten Kontinent sah. Aber seine Leistung blieb jahrzehntelang durch eine falsche Übersetzung seines Logbuchs verborgen, wie der Historiker David Day schreibt. Durch die Übersetzung klang es nämlich so, als hätte er nicht wirklich Land gesehen. Auch die Amerikaner ließen nicht lange auf sich warten: John Davis, ein Seefahrer und Entdecker, war der erste Mensch, der 1821 einen Fuß auf antarktisches Land setzte.

    Die Jagd auf die Antarktis löste auch einen Wettlauf zum Südpol aus und schürte weitere Rivalität. Der norwegische Entdecker Roald Amundsen erreichte ihn schließlich am 14. Dezember 1911. Etwas mehr als einen Monat später fand ihn auch Robert Falcon Scott. Seine Rückkehr endete jedoch in einer Tragödie. Scotts gesamtes Team kam ums Leben, und die Expedition gilt noch heute als große Niederlage. Doch als Amundsen bei einer Zeremonie zur Würdigung seiner Leistung vor der Royal Geographic Society sprach, jubelten die Anwesenden laut dem Historiker Edward J. Larson den Hunden des Entdeckers zu – nicht aber ihm selbst. So kalt die Antarktis auch ist, so sehr versteht sie es scheinbar auch, die Leidenschaft in den Herzen ihrer Entdecker und Anhänger zu schüren.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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