Napoleon Bonaparte: Verehrter Held, Verbrecher gegen die Menschlichkeit

Der 200. Todestag des berühmten Franzosen warf ein Schlaglicht auf sein kompliziertes Erbe – insbesondere auf Haiti, wo er und seine Generäle einen blutigen Vernichtungskrieg gegen die ehemaligen Sklaven planten.

Von Jacqueline Charles
bilder von Sergio Ramazzotti
Veröffentlicht am 17. Mai 2021, 12:03 MESZ
Napoleon Bonaparte starb am 5. Mai 1821 auf St. Helena, einer abgelegenen Insel inmitten des Südatlantiks, ...

Napoleon Bonaparte starb am 5. Mai 1821 auf St. Helena, einer abgelegenen Insel inmitten des Südatlantiks, wo er im Exil lebte. Er wurde 51 Jahre alt. Diese Objekte werden im Privathaus von Giovanni Spadolini ausgestellt. Der ehemalige Ministerpräsidenten Italiens hat eine große Sammlung von Büchern, Dokumenten und anderen Artefakten rund um den berühmten Franzosen.

Foto von Sergio Ramazzotti, Parallelozero

Es war das Jahr 1802. Frankreichs wohlhabendste Kolonie Saint-Domingue auf der Karibikinsel Hispaniola – die sich heute Haiti und die Dominikanischen Republik teilen – befand sich in Aufruhr. Während ehemalige Sklaven gegen ihre französischen Herren kämpften, stritt eine Allianz aus Schwarzen und Menschen gemischter Herkunft für die Wiederherstellung der Ordnung unter französischer Flagge.

Ihre Motivation war ein Versprechen, das Napoleon Bonaparte gegeben hatte: Die Wiedereinführung der Sklaverei in den französischen Kolonien würde Guadeloupe und andere Gebiete ausschließen, in denen Schwarze während der Französischen Revolution befreit worden waren.

Doch dann kam Nachricht aus Guadeloupe, einer anderen französischen Kolonie in der Karibik: Befreite Schwarze, die sich gegen französische Truppen aufgelehnt hatten, hatten ihren Kampf verloren.

Die Wirtschaftsinteressen siegten, und Bonaparte stellte in Guadeloupe Gesetze wieder her, die bei der Abschaffung der Sklaverei in Frankreich 1794 außer Kraft gesetzt worden waren.

Die Bucht in der Abenddämmerung bei Jamestown, der Hauptstadt der Insel St. Helena. Napoleon Bonaparte verbrachte seine letzten Tage auf der Insel, dem Ort seiner zweiten Verbannung. Er wurde dorthin ins Exil geschickt, nachdem die in Wien versammelten europäischen Staatsoberhäupter ihn zum Geächteten und zum Hindernis für den Frieden erklärt hatten.

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Nach acht Jahren der Freiheit waren die Schwarzen Guadeloupeaner nun wieder in Knechtschaft.

Schwarze Kämpfer und solche mit gemischter Herkunft – in der Karibik damals als Mulatten bezeichnet – erkannten schnell: Die mächtige Expedition französischer Truppen unter dem Kommando von Bonapartes Schwager, Armeegeneral Charles Leclerc, war nicht nur in Saint-Domingue, um die Ordnung wiederherzustellen. Ihr Ziel war es, die Sklaverei wiedereinzuführen und die französische Kontrolle über die gesamte Insel wiederherzustellen. Zuvor hatte im Jahr 1801 der Anführer der Sklavenrevolte, Toussaint Louverture, eine Verfassung erlassen, in der er sich zum Generalgouverneur auf Lebenszeit ernannte und die Abschaffung der Sklaverei festlegte.

Plötzlich entzündete sich die Widerstandsbewegung, die 1791 mit einer Reihe von Sklavenaufständen auf der Insel begonnen hatte – obwohl sie von internen Konflikten, wechselnden Allianzen und der Verhaftung und Deportation Louvertures gezeichnet war. Aus den Ereignissen von 1802 ging die erste von Schwarzen geführte unabhängige Nation der Welt nach dem Kolonialismus hervor: Haiti.

Ein Wandgemälde zeigt Napoleon Bonaparte auf dem Hauptplatz des kleinen Dorfes Marciana Alta auf der Insel Elba. Dorthin wurde der Feldherr während seines ersten Exils verbannt.

 

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Sie besiegelten auch ein Vermächtnis Bonapartes, das 200 Jahre nach seinem Tod immer noch eine Quelle des Streits ist.

„Napoleon führte 1802 die Sklaverei wieder ein, und das französische Parlament erklärte 2001 per Gesetz, dass die Kolonialsklaverei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei“, sagt Georges Michel, ein haitianischer Historiker in Port-au-Prince. Wegen Bonapartes Rolle bei der Wiedereinführung der Sklaverei sieht Michel den Militärführer als einen Mann, der „ein Verbrecher gegen die Menschlichkeit“ war.

Er sieht auch eine Ironie in der Art und Weise, wie der berühmteste Franzose starb. „So wie Napoleon Toussaint Louverture entführte und in Gefangenschaft hielt, so beendet auch er sein Leben in Gefangenschaft. Ihm widerfuhr das gleiche Schicksal wie Toussaint Louverture.”

Andrew Curran, ein Professor für Französische Studien, sagte, dass zwar viel über Bonaparte geschrieben wurde – es aber oft eine Auslassung in seiner Erzählung gibt: die Haitianische Revolution.

„Teilweise liegt das daran, dass die Haitianische Revolution und der Verlust von Saint-Domingue wirklich eine so enorm eindringliche und schreckliche Sache für die Franzosen war. Es ist so etwas wie ihr Vietnam“, sagt Curran, der an der Wesleyan University lehrt. „Der Umstand, dass dieses riesige Land von Leuten besiegt wurde, von denen man dachte, dass sie gar nicht auf dem Niveau von Leuten waren, die zu so einem Sieg fähig sein sollten – das löste eine enorme Scham aus, die in heftigsten Rassismus umschlug.“

In Longwood House auf der Insel St. Helena verbrachte Napoleon Bonaparte die letzten sechs Jahre seines Lebens im Exil. Das Haus diente zuvor als Residenz für den britischen Vizegouverneur. Bonaparte starb im Schlafzimmer des Anwesens im Alter von 51 Jahren.

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Napoleon Bonapartes erstes Exil fand 1814 nach seinem gescheiterten Russlandfeldzug statt. Die europäischen Verbündeten ordneten seine Abschiebung nach Elba an, einer kleinen Insel vor der toskanischen Küste. Hier zu sehen ist ein Zimmer in der Villa dei Mulini, heute ein staatliches Museum, das Bonaparte während seiner 300 Tage auf der Insel als Hauptresidenz diente.

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Ein Zimmer in der Villa dei Mulini, heute ein staatliches Museum, das Napoleon Bonaparte während seines Exils 1814 auf der Insel Elba vor der toskanischen Küste als Hauptwohnsitz diente.

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Der Garten der Villa dei Mulini.

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Ein widersprüchliches Vermächtnis

Bonaparte starb am 5. Mai 1821 in einem feuchten und rattenverseuchten Haus auf St. Helena, einer abgelegenen Insel inmitten des Südatlantiks, wo er im Exil lebte. Er war 51 Jahre alt.

Die Gedenkfeiern zu seinem 200. Todestag im Jahr 2021 rissen alte Wunden auf. Sein Vermächtnis als Held und Tyrann erinnert an Frankreichs dunkle koloniale Vergangenheit, in der die Zwangsarbeit versklavter Afrikaner das Land zu einer der reichsten Nationen Europas machte.

Während in den französischen Überseedepartements Guadeloupe und Martinique zwar Würdigungen stattfanden, hob nicht jeder sein Glas, um auf das komplizierte Erbe des ehemaligen Kaisers anzustoßen.

Die Hauptstraße in Jamestown auf der Insel St. Helena, von der Terrasse des Konsulatshotels aus gesehen.

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Die Haitianer feierten keine Kranzniederlegung oder katholische Messe, wie sie auf St. Helena stattfand. Sie stellten keines von Bonapartes Abenteuern nach, wie sie auf der Mittelmeerinsel Elba zu sehen sind, wo der 200. Jahrestag seiner Ankunft im Exil am 11. April 1814 mit Fanfaren gefeiert wurde.

Im Tod wie im Leben spaltet Bonaparte die Meinungen und Herzen: von seinem Aufstieg und Fall über seine Verdienste um Frankreich bis zum Vermächtnis, das er in der Karibik hinterlassen hat – vor allem in Haiti, wo seine Spuren tief mit der blutigen Geschichte verwurzelt sind.

An historischen Nachstellungen auf der Insel Elba nehmen auch Bonaparte-Darsteller wie Franco Giannoni teil, ein pensionierter Zollbeamter. Bonaparte verbrachte 300 Tage im Exil auf Elba und ist dort auch heute noch allgegenwärtig.

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Aufgeklärter Führer oder Kriegstreiber?

Für seine Bewunderer gilt Bonaparte als aufgeklärter Autokrat und Architekt des modernen Frankreichs. Die staatlichen Gymnasien oder lycées, die von vielen der Elite des Landes besucht wurden, gründete er als Teil seiner Reform des Bildungssystems und sie sind bis heute einer seiner Eckpfeiler. Sein juristischer Beitrag in Form des Code Civil schaffte feudale Privilegien ab, vereinheitlichte Gesetze und bildet die Grundlage des heutigen französischen Zivilrechts. Außerdem organisierte er Frankreich um eine strukturierte, zentralisierte Regierung.

Als Pragmatiker förderte er sowohl die Wissenschaft als auch die Religion, indem er das Judentum, den Protestantismus und den Katholizismus auf die gleiche Stufe stellte – nicht weil er religiös war, sondern weil er es als politisch notwendig ansah. In seiner Blütezeit brachte er Frankreich Ruhm, aber auch finanzielle Rettung nach der chaotischen Französischen Revolution. Deren universelle Werte – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – sind heute das Leitbild vieler Nationen, einschließlich Haiti, das es als offizielles Motto der Republik übernahm.  

„Natürlich ist Napoleon aufgrund seiner militärischen Siege so glorreich“, sagt Peter Hicks, ein britischer Historiker bei der Fondation Napoléon in Paris. „Das ist vielleicht nicht mehr die Art, wie wir heutzutage darüber denken. Aber zu seiner Zeit war er wegen der immensen Erfolge und des Wachstums der französischen Armee enorm populär.“

Die Bibliothek im Haus des ehemaligen italienische Premierministers Giovanni Spadolini in Florenz, Italien. Darin findet sich nicht nur zahlreiche Literatur über Bonaparte, sondern auch ein Porträt von Voltaire. Spadolini besitzt eine große Sammlung von Büchern, Dokumenten und anderen Artefakten, die einen Bezug zu Bonaparte haben.

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Aber in den Erfolg mischten sich auch Schwächen und menschliches Leid. Für seine Gegner ist er ein Kriegstreiber und Despot, der sich durch Verhandlungen, Manipulationen und politisches Kalkül in einem unblutigen Staatsstreich 1799 an die Macht brachte. Der neue Anführer Frankreichs änderte dann drei Jahre später die Verfassung, um sich selbst zum Ersten Konsul auf Lebenszeit zu ernennen.

Bonaparte steht außerdem nicht für die individuelle Freiheit. Das verdeutlicht seine Wiedereinführung der Sklaverei und sein Konflikt mit Louverture, der in seiner Verfassung von 1801 erklärte, dass „alle Menschen frei geboren werden, frei leben und frei sterben“.

Bonaparte war nicht nur über die Formulierung in der Verfassung verärgert, sondern auch über Louvertures Beschluss, auf Lebenszeit zu regieren, wie er später in seinen Memoiren schrieb: „Toussaint wusste sehr wohl, dass er mit der Proklamation seiner Verfassung seine Maske abgenommen und sein Schwert unwiderruflich aus der Scheide gezogen hatte.“

Marlene Daut, eine außerordentliche Professorin für African Diaspora Studies an der University of Virginia, sieht Bonapartes Erbe kritisch. Sie sagt, wer nur auf seine positiven Errungenschaften hinweise, „suggeriert, dass die Menschen, deren Leben er zerstörte, eigentlich nicht wichtig sind“.

Ein seltenes deutsches Puzzle von 1814, das den Aufstieg und Fall von Napoleon Bonaparte darstellt, wird in der Bibliothek der Spadolini-Stiftung in Florenz ausgestellt.

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 Ein gesticktes Porträt von Napoleon Bonaparte wird in der Bibliothek der Spadolini-Stiftung in Florenz ausgestellt.

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Ein Aschenbecher mit Napoleon Bonaparte steht im Büro von Federico Galantini, einem Historiker im italienischen Sarzana, der Artefakte und Dokumente über den ehemaligen Kaiser sammelt.

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Eine Karikatur von Napoleon, die nach seinem Exil auf St. Helena in England veröffentlicht wurde, ist in der Bibliothek der Spadolini-Stiftung in Florenz ausgestellt.

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Die Gesamtzahl der zivilen und militärischen Opfer, die Bonaparte zugeschrieben werden, variiert: Der französische Historiker Hippolyte Taine schätzt sie auf 1,7 Millionen Tote, andere gehen von nur 600.000 aus. Daut zufolge gibt es auch Schätzungen, die von drei bis sechs Millionen reichen. Das ist einer der Gründe, warum sie Bonaparte als eine seltsame Wahl für einen gefeierten Helden betrachtet.

Zudem fällt die Debatte über Bonapartes Erbe mitten in eine größere Debatte über Rassismus, Diskriminierung, Kolonialismus und die Sklaverei.

Auf den französischen Karibikinseln Guadeloupe und Martinique sehen einige die Feiern zum 200. Todestags Bonapartes durch die französische Regierung als Affront. Sie seien ein weiteres Beispiel für eine Nation, die sich rühmt, auf der Grundlage eines farbenblinden, egalitären Glaubensbekenntnisses zu agieren, aber mit Scheuklappen handelt, wenn es um das Erbe der Sklaverei geht.

Die Franzosen erkennen durchaus an, dass Bonaparte problematisch ist, sagt Daut. Aber sie seien nicht unbedingt bereit, sich umfassend damit auseinanderzusetzen. „Zuzugeben, dass Napoleon rassistisch ist, bedeutet für sie, eine Aussage über Franzosen generell zu treffen, und damit können sie nicht umgehen“, sagt sie. „Selbst wenn sie bereit sind, seine Taten anzuerkennen – und sie leugnen seine Taten nicht wirklich –, ist es ihnen zutiefst unangenehm. Denn was bedeutet das für den ganzen Reichtum, den sie in ihrem Land haben? Was bedeutet das für den ganzen Wohlstand? Was bedeutet das für die französische Identität? Dass sie auf dem Rücken von ermordeten Menschen stehen, und zwar nicht nur Menschen in Haiti.“

Im kleinen historischen Zentrum von Rio Marina auf der Insel Elba steht ein gelbes Gebäude, das einst das Haus des Stadtgouverneurs war. Wenn Napoleon Bonaparte Rio Marina besuchte, um den Eisenabbau zu beaufsichtigen, den er wiederbelebt hatte, übernachtete er hier.

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Napoleons Leben im Exil

Im Exil nahm Bonapartes Leben eine drastische Wendung. Als militärischer Führer führte er während der Französischen Revolutionskriege und Napoleonischen Kriege mehrere erfolgreiche Feldzüge durch, krönte sich zum Kaiser und überlebte Dutzende von Attentatsversuchen.

Doch schließlich fiel er in Ungnade und wurde zweimal verbannt – zunächst nach Elba, dann nach St. Helena.

Sein erster Aufenthalt im Exil erfolgt 1814 nach seinem gescheiterten Russlandfeldzug. Die europäischen Verbündeten erzwangen seine Abdankung und schickten Bonaparte nach Elba, wo er über die 12.000 Einwohner der kleinen Insel vor der toskanischen Küste herrschte. Ihm wurde Geld versprochen, aber das bankrotte Frankreich konnte nicht liefern. So verbrachte er seine 300 Tage auf der Insel damit, Elbas Regierung und Wirtschaft zu reformieren sowie den Straßenbau und andere Projekte zu beaufsichtigen.

Bonaparte, der behauptete, er wolle „wie ein Friedensrichter“ leben, konnte sich frei bewegen. Niemand bewachte ihn, und keine Schiffe umkreisten die Insel, um ihn dort zu halten. Aber der Mann, der es gewohnt war, Armeen anzuführen, und ein Jahrzehnt lang als französischer Kaiser geherrscht hatte, wurde unruhig.

Menschen versammeln sich vor der White Horse Tavern in Jamestown, einem von drei Pubs auf der Insel St. Helena.

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Im Vertrauen darauf, dass die französische Armee ihm noch treu ist, flieht er zurück in seine Heimat. Dort schließt sich ihm eine Gruppe von Soldaten an, um die Macht über die Nation zurückzuerobern. Napoleons triumphale Rückkehr dauert volle hundert Tage.

„Europa kann es nicht glauben, die Welt kann es nicht glauben“, sagt Hicks von der Fondation Napoléon. „Diese hundert Tage sind außergewöhnlich. Die Leute sagen: ‚Wow, das hat er wirklich gemacht?‘ Und Frankreich reagiert nicht negativ. Es reagiert auch nicht positiv.“

Während Bonapartes Flucht von Elba im Februar 1815 treffen sich die europäischen Staatsoberhäupter zum Wiener Kongress, um die Region nach seinen Eroberungen neu zu ordnen. Sie sind sich seiner Eskapaden bewusst und erklären Bonaparte am 13. März – eine Woche vor seiner Ankunft in Paris – für vogelfrei.

Die Briten – sein Erzfeind – hatten erfolglos versucht, die Sklaverei zu verbieten. Um ihnen eins auszuwischen und als liberaler Herrscher aufzutreten, verkündet Bonaparte nach seiner Ankunft in Paris die Abschaffung der Sklaverei in Frankreich – ein zweites Mal. (Es würde mehr als drei Jahrzehnte dauern, bis die freien Schwarzen in den französischen Gebieten die vollständige Abschaffung der Sklaverei erlebten. 1848 wird Frankreich das einzige Land, das die Sklaverei dreimal abschafft, inmitten eines Kampfes zwischen Wirtschaftsinteressen, Rassismus und Menschenrechten).

Als Bonaparte im Exil auf St. Helena starb, wurde sein Leichnam nicht nur in einen, sondern in vier verschachtelten Särgen bestattet – einer aus Zinn, zwei aus Mahagoni und einer aus Blei. Er wurde drei Meter tief in der Erde begraben.

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Die Armeen Russlands, Österreichs und Großbritanniens, die in ihm ein Hindernis für den Frieden sehen, vereinigen sich im Juni ein letztes Mal gegen Bonaparte und umzingeln Frankreich. In der dreitägigen Schlacht von Waterloo muss sich Bonaparte schließlich geschlagen geben. Da es ihm nicht gelingt, nach Amerika zu entkommen, ergibt er sich den Briten.

Bonaparte wird nach St. Helena verbannt, Großbritanniens windgepeitschtem, zerklüftetem Außenposten vor der Küste Afrikas. Es ist eine Strafkolonie inmitten des Südatlantiks, fast 2.000 Kilometer vom nächsten Kontinent entfernt. Bonaparte verbringt seine Tage damit, sich um seinen Garten zu kümmern und die Geschichte in seinen Memoiren umzuschreiben.

Als er sechs Jahre später stirbt, mutmaßlich an Magenkrebs, wird Bonapartes Leichnam nicht in einen, sondern in vier ineinander geschachtelte Särge gelegt: einen aus Zinn, in dem sein Körper lag, zwei aus Mahagoni und einen aus Blei. Er wird drei Meter tief unter einem Weidenbaum begraben.

Aus Angst vor Aufruhr von Bonaparte-Loyalisten und möglichen Unruhen im politisch fragilen Frankreich bleibt der auf Korsika geborene Anführer auch in seinem Tod im Exil. Es vergehen 19 Jahre, bevor seine sterblichen Überreste nach Frankreich zurückkehren. Als sein Leichnam eintrifft, säumen neugierige Menschenmengen die Straßen, um einen Blick auf den Sarg zu erhaschen. Bonapartes Überreste befinden sich heute in einem Denkmal im Les-Invalides-Komplexes in Paris.

Luftaufnahme von Portoferraio, dem Haupthafen auf der Insel Elba, vom Meer aus gesehen. Der Anblick muss Napoleon Bonaparte, der zehn Monate im Exil auf der Insel verbrachte, durchaus vertraut gewesen sein.

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Das Vermächtnis eines Sklavenaufstands

Die Wiedereinführung der Leibeigenschaft in Guadeloupe im Jahr 1802 wurde zu einem Wendepunkt in der Haitianischen Revolution – ebenso wie die Gefangennahme ihres Anführers Louverture, der einen einsamen Tod in einem kalten französischen Gefängnis starb. 

Als französische Kolonie hatte Saint-Domingue die größte versklavte Bevölkerung der Karibik. Viele der Unfreien wurden regelmäßig Opfer brutaler Gewalt. Es gab auch Menschen gemischter Herkunft und freie Schwarze, die zwar nicht versklavt waren, aber einem rigiden Kastensystem unterworfen waren. Beispielweise verweigerten die Weißen Führer der Insel ihnen die Staatsbürgerschaft. Die Unruhen wurden durch die Französische Revolution noch weiter befeuert, und 1793 beendete Frankreich offiziell die Sklaverei in der Kolonie, um den schwelenden Konflikt zu entschärfen. Im folgenden Jahr wurde sie in allen französischen Territorien abgeschafft.

Dementsprechend war es undenkbar, dass Saint-Domingue wieder zu einer Kolonie werden würde, in der Schwarze wieder versklavt und Menschen gemischter Herkunft einem Kastensystem unterworfen würden. (Genau das war gerade in Guadeloupe und Martinique eingetreten, die von den Briten an Frankreich zurückgegeben wurden.)

„Napoleons Mission mit dem Einsatz von Leclerc war es, Saint-Domingue in den Zustand vor 1794 zurückzuversetzen, vor Beginn der dortigen Revolution“, sagt Pierre Buteau, ein haitianischer Historiker und Autor. „Man kam zu dem Schluss, dass der einzige Weg, wieder die Kontrolle in Saint-Domingue zu erlangen, darin bestand, alle großen Führer der Revolution zu eliminieren.“

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Aber die Revolutionsführer waren nicht das einzige Ziel. In einem Brief an Bonaparte schreibt Leclerc, dass die Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei so stark sei, dass die Machtergreifung in Saint-Domingue einen drastischen Schritt erfordern würde: die Tötung der gesamten erwachsenen Schwarzen Bevölkerung, einschließlich der Kinder über 12 Jahren.

„Ein Vernichtungskrieg war in Planung. Aber es war dieser Vernichtungskrieg, der zur Schlacht von Vertières führte“, sagt Buteau. Diese letzte große Schlacht der Revolution führte dazu, dass Frankreich von der Insel vertrieben wurde.

Und so eskalierte die Gewalt. Leclerc und sein Stellvertreter, General Donatien-Marie-Joseph Rochambeau, ließen scharfe Hunde los, die Menschen töteten und teilweise fraßen, ertränkten Schwarze im Meer und präsentierten die Köpfe von Aufständischen als Warnung.

„Die meisten der berühmten künstlerischen Darstellungen der Haitianischen Revolution aus dem 18. und 19. Jahrhundert zeigen Schwarze mit den Köpfen von Weißen“, sagt Daut. „Das ist ziemlich ironisch, denn eigentlich war es genau andersherum.“

„Die Weißen Kolonisten waren das Paradebeispiel dafür, denn genau das war es, was sie immer taten“, fährt sie fort. „Jedem freien Menschen, der sich für Rechte einsetzte, der sich über Vorurteile beschwerte, schnitten sie den Kopf ab, spießten ihn auf und trugen ihn durch die Stadt.“

Einige Gelehrte argumentieren, dass die Haitianische Revolution –der einzige erfolgreiche Sklavenaufstand in der Geschichte – nicht zu Bonapartes Niederlagen gezählt werden sollte, weil er nicht dabei war und sein Expeditionsheer von Generälen geführt wurde.

Andere sagen, es sei überfällig, dass überwiegend Weiße Länder wie Frankreich und Großbritannien, deren Geschichte von der Versklavung anderer Menschen geprägt ist, ein umfassenderes Narrativ ihrer Nation pflegen.

Bonaparte schickte mehr als 60.000 Soldaten auf die Insel – und verlor trotzdem. Der Aufstand stoppte auch seine Expansionspläne nach Westen in die Vereinigten Staaten. Und sie kostete Frankreich das wichtigste Kronjuwel eines Reiches, das sich bis nach Afrika und in die Karibik erstreckte.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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