Stadtflucht in Deutschland: Immer mehr Menschen ziehen aufs Land
Viele ziehen weg, weniger zu: Deutsche Großstädte verzeichnen den stärksten Bevölkerungsverlust seit 1994. Vor allem Familien wollen ins Umland.
Haus auf dem Land statt Wohnung in der Stadt: Viele Menschen kehrten der Großstadt in den letzten Jahren den Rücken – und zogen in Vororte und ländliche Gebiete.
Von der Großstadt in den ländlichen Raum: Viele Städter zieht es ins ruhigere und günstigere Umland. Ein Trend, der sich mit Beginn der Corona-Pandemie noch verstärkt hat. 2020 sorgte vor allem die eingeschränkte Mobilität durch Lockdowns in den Großstädten für Bevölkerungsverluste. Im darauffolgenden Jahr befanden sich die Zuzüge in kreisfreie Großstädte laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) anschließend auf einem Rekordtief, während die Fortzüge in kleinere Städte und ländliche Regionen im Vergleich zum Vorpandemiejahr 2019 um 1,8 Prozent zunahmen. Die Abwanderung ins städtische Umland – die sogenannte Suburbanisierung – erreichte damit ihr höchstes Niveau seit 30 Jahren.
Großstädte verzeichnen seit 2014 Bevölkerungsverluste
Hinsichtlich der Umzüge innerhalb Deutschlands von ländlichen in städtische Gebiete – und umgekehrt – gab es in den vergangenen Jahrzehnten ganz unterschiedliche Bewegungen. Während es die Bevölkerung in den Neunzigerjahren vermehrt in die Großstädte zog, ist laut einer weiteren Studie des BiB bereits seit 2014 eine Umkehrung dieses Trends zu beobachten. Demnach gewinnen die ländlichen Kreise seit einigen Jahren wieder an Bevölkerung, was auf eine erneute Suburbanisierungsphase in Deutschland hindeutet.
So zogen beispielsweise mehr Menschen von Berlin ins Brandenburger Umland als andersherum. Die Hauptstadt verzeichnete im Jahr 2020 mit knapp 15.000 Personen den höchsten Bevölkerungsverlust unter den deutschen Großstädten.
Galerie: 10 Geisterstädte aus aller Welt
Vor allem Familien ziehen ins städtische Umland
Gleichzeitig finden weniger Zuzüge statt, die die Abwanderung aus dem urbanen Raum ausgleichen könnten. Bundesweit verlegten im Jahr 2021 5,4 Prozent weniger Menschen ihren Lebensmittelpunkt in kreisfreie Großstädte als noch im Jahr 2019. Eine Entwicklung, die vor allem die Gruppen der 30- bis 49-Jährigen und Minderjährigen und somit Familien betrifft. „Die Zahlen deuten darauf hin, dass sich die Suburbanisierung von Familien, die wir schon vor der Pandemie beobachtet haben, in 2021 weiter verstärkt hat“, erklärt Tamilwai Kolowa, Stadtentwickler und Mitarbeiter des BiB.
Neben veränderten Wohnpräferenzen sieht das BiB in der Wohnraumknappheit und den hohen Wohnungspreisen im urbanen Raum Gründe für die Stadtflucht. Dass sich die Lage in absehbarer Zeit entspannt, ist nicht zu erwarten: Laut einer Studie des Hannoveraner Pestel Instituts und des schleswig-holsteinischen Instituts Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen Kiel (Arge) fehlten zum Jahresende 2022 bundesweit 700.000 Wohnungen.