Archäologische Stätten in Deutschland: Fünf weitere spektakuläre Ausgrabungsorte

Deutschland ist reich an archäologischen Schätzen. Gemeinsam mit dem Archäologen Wolfram Letzner stellen wir zehn faszinierende Fundstellen vor. Im zweiten Teil der Artikelreihe: Ein rätselhafter Kopf, eine sagenumwobene Wikingerstadt und vieles mehr.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 1. Juni 2023, 16:14 MESZ
Pferdekopf Waldgirmes
Schmuckstück: 2000 Jahre hat dieser Pferdekopf einer Reiterstatue von Kaiser Augustus in einem Brunnen überdauert. Nach der Restaurierung glänzen Bronze und Blattgold wieder.
Foto von Pavel Odvody, LandESAmt für Denkmalpflege Hessen, Hessen Archäologie

Wo gibt es die spektakulärsten archäologischen Stätten in Deutschland? Was macht sie so besonders? Und welche Hotspots kann man gut mit einem Tagestrip verbinden? Der Archäologe Wolfram Letzner kennt unzählige Ausgrabungsorte in Deutschland. Gemeinsam mit National Geographic stellt er zehn seiner persönlichen Highlights in einer zweiteiligen Artikelreihe vor. Der Zusammenstellung und Reihenfolge liegt keine wissenschaftliche Wertung zugrunde.

5 WEITERE ARCHÄOLOGISCHE HOTSPOTS IN DEUTSCHLAND

Römisches Forum in Waldgirmes bei Lahnau

Die Entdeckung glich einer Sensation: Eine römische Stadt auf germanischem Gebiet um Christi Geburt. Es begann mit geheimnisvollen Keramikfunden im Jahr 1990. Bei weiteren Grabungen stießen Archäologen am Rande des hessischen Örtchens Waldgirmes dann auf die Überreste einer knapp acht Hektar großen antiken Siedlung. 

Der große Coup gelang schließlich im Sommer 2009: In einem Brunnenschacht entdeckte das Grabungsteam einen lebensgroßen Pferdekopf aus Bronze, der wahrscheinlich Teil einer prunkvollen Reiterstatue war. Forschende vermuten, dass die Statue Kaiser Augustus abbildete. Der Pferdekopf ist heute im Museum des Kastell Saalburg ausgestellt.

„Funde wie dieser deuten darauf hin, dass der Standort einst von großer Bedeutung war“, erklärt Letzner. „Die römische Besetzung Germaniens war seinerzeit womöglich bereits viel weiter fortgeschritten, als wir bislang dachten. Möglicherweise war Waldgirmes als Hauptstadt einer neuen römischen Provinz vorgesehen.“ 

Doch aus den Plänen wurde nichts: Im Zuge der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr., bei der der Cheruskerfürst Arminius eine drei Legionen starke römische Armee unter dem Feldherren Varus besiegte, gab Augustus die Siedlung auf. Für Letzner indes steht fest: Waldgirmes zählt zu den Top-Highlights der antiken Ausgrabungsstätten in Deutschland. 

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    Das römische Forum in Waldgirmes: Die Entdeckung glich einer Sensation.

    Foto von Adobe Stock

    Kastell Saalburg in Bad-Homburg

    Hoch oben auf dem Taunuskamm bei Bad Homburg in Hessen thront die Saalburg. Als „einzige vollständige Rekonstruktion eines römischen Kastells in Deutschland“ gehört sie laut Letzner zu den wichtigsten archäologischen Stätten des Landes. Das über drei Hektar große Militärlager wurde um 90 nach Chr. erbaut, um den Grenzwall Limes zu bewachen, der heute zum Unesco-Welterbe gehört.

    In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts bedrohten die Germanen die römische Grenze immer hartnäckiger. Die Römer gaben den Limes und die Saalburg schließlich auf und zogen sich ans Westufer des Rheins zurück. Kastell und Dorf verfielen. 

    Erst um 1900 ließ Kaiser Wilhelm II. die Wehranlage neu aufbauen. Heute zählen ein archäologischer Park, ein Museum und ein Forschungszentrum zum Kastell Saalburg. Ähnlich wie in Xanten kommen Besucher in einer „Taberna“ in den Genuss einer originalen römischen Küche.

    Die einzige vollständige Rekonstruktion eines römischen Kastells in Deutschland: Kastell Saalburg in Bad-Homburg

    Foto von Adobe Stock

    Wikinger-Museum Haithabu in Busdorf

    Wikinger in Deutschland? Tatsächlich haben die Nordmänner und -frauen auch das heutige Schleswig-Holstein besiedelt. Davon zeugt die Wikinger-Siedlung Haithabu im heutigen Busdorf im Kreis Schleswig-Flensburg. Zwischen dem 9. bis 11. Jahrhundert war die mittelalterliche Stadt eines der bedeutendsten Handelszentren Nordeuropas.

    Im Jahr 1897 wurde die Wikingersiedlung wiederentdeckt. Seitdem haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tausende Relikte zu Tage gefördert, die von der Blütezeit der einstigen kosmopolitischen Stadt zeugen. 

    Viele der archäologischen Funde sind im Wikinger-Museum Haithabu in Busdorf ausgestellt. Als besonders spektakulär gilt ein restauriertes Wikinger-Langschiff, das im einstigen Hafen von Haithabu gefunden wurde. Auch ein Teil der ehemaligen Stadt und Hafenanlage mit Häusern, Stegen und einer Brücke wurde wieder aufgebaut. „Bislang sind aber nur fünf Prozent der Fläche erforscht“, erklärt Letzner. 

    Die Wikinger-Siedlung Haithabu im heutigen Busdorf im Kreis Schleswig-Flensburg 

    Foto von Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen

    Fossa Carolina in Treuchtlingen

    Zwischen den Flüssen Altmühl und Rezat im bayerischen Treuchtlingen liegt eines der größten technischen Kulturdenkmäler des frühen Mittelalters: Die Fossa Carolina, auch Karlsgraben genannt. Kaiser Karl der Große ließ dort im Jahr 793 einen drei Kilometer langen Kanal ausheben, um die Donau mit dem Rhein zu verbinden. Dort nähern sich beide Flusssysteme bis auf wenige Kilometer an.

    Heute zeugen eine gut 500 Meter lange Wasserfläche und die daran anschließenden Erdwälle von dem gigantischen Infrastruktur-Projekt, das allerdings nie fertiggestellt wurde. Die ingenieurgeologischen Herausforderungen waren einfach zu groß.

    Dennoch: Forschende halten die Fossa Carolina für das bedeutendste Boden-Denkmal aus karolingischer Zeit in Franken. Auch für Letzner steht fest: „Ein Hotspot für Leute, die sich für Technikgeschichte und historischen Wasserbau interessieren.“ 

    Eines der größten technischen Kulturdenkmäler des frühen Mittelalters: Die Fossa Carolina, auch Karlsgraben genannt

    Foto von Vitold Muratov, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

    Kaiserpfalz in Tilleda

    „Es gibt nicht viele Pfalzanlagen, die in ihrer ursprünglichen Form erhalten sind“, sagt Letzner. Die Kaiserpfalz im sachsen-anhaltischen Örtchen Tilleda ist eine davon. Lange lag sie im Verborgenen. Durch Ausgrabungen zwischen 1935 und 1979 konnten Archäologen die Fundamente der kaiserlichen Residenz freilegen und anschließend rekonstruieren.

    Im Mittelalter benutzten die ständig umherreisenden deutschen Monarchen ihre über das Reich verteilten burgähnlichen Paläste, sogenannte Pfalzen, als zeitweilige Residenzen. Die Kaiserpfalz in Tilleda ist bislang der einzige vollständig ausgegrabene Ort dieser Art. Damit gilt sie über Deutschlands Grenzen hinweg als Musterbeispiel einer Pfalz des 10. bis 12. Jahrhunderts.

    Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Kaiserpfalz 972 als Geschenk von Kaiser Otto II. an seine Frau Theophanu. Im Freilichtmuseum sind wesentliche Teile der Anlage in teilweise oder vollständig rekonstruierter Form zu sehen – darunter Wehranlagen, Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie Repräsentationsbauten.

    Musterbeispiel einer mittelalterlichen Residenz: Die Kaiserpfalz im sachsen-anhaltischen Örtchen Tilleda 

    Foto von M_H.DE, CC BY 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/3.0>, via Wikimedia Commons

    Wolfram Letzner ist promovierter Archäologe, Sachbuchautor, Fotograf und Reiseleiter. Er hat unter anderem die Bände „Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands“ und „50 weitere archäologische Stätten in Deutschland – die man kennen sollte“ geschrieben. 

    Gemeinsam mit National Geographic stellt Letzner zehn seiner persönlichen Hotspots in einer zweiteiligen Artikelreihe vor. Hier geht’s zum ersten Artikel: Archäologische Hotspots in Deutschland: Diese Ausgrabungsstätten sollte man gesehen haben

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