Die Geschichte der Schönheitsoperationen

Tausende Menschen lassen sich in Deutschland jährlich die Nase korrigieren. Neu sind solche Eingriffe nicht: Schon seit 2500 Jahren legen sich Menschen für ein neues Gesicht unters Messer. Über die ersten Schritte der plastischen Chirurgie.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 5. Okt. 2023, 08:57 MESZ
Zeichnung eines Mannes mit einem Armgestell und einer rekonstruierten Nase.

Die „italienische Methode“ der Nasenrekonstruktion, die im 16. Jahrhundert in Europa langsam in Mode kam.

Foto von Wellcome Collection

Unser Aussehen, die Sorge um die Wirkung auf andere oder die Steigerung der eigenen Attraktivität sind keine Erfindungen der Moderne. Seit Anbeginn der Zeit investieren Menschen in das Verändern ihres äußeren Erscheinungsbildes. 

Die Gründe für die medizinischen Eingriffe sind vielfältig und reichen von medizinisch notwendigen Anpassungen bis hin zu kleinen, rein ästhetischen Eingriffen. Deutschlandweit machen Frauen mit 88 Prozent den Großteil der Patient*innen aus. Der beliebteste oder am häufigsten durchgeführte Eingriff war laut Statistica im Jahr 2022 mit 16,3 Prozent die Lidstraffung, dicht gefolgt von Fettabsaugung und Brustvergrößerung. 

Nasenkorrekturen sind hierzulande seltener geworden, weltweit belegen sie immerhin noch Platz vier der beliebtesten Schönheits-OPs. Damals wie heute sind die Meinungen darüber, inwiefern andere Menschen ihr Erscheinungsbild ändern, ein ständiges Gesprächsthema. 

Indien: Die Wiege der Schönheitschirurgie

Die wissenschaftlich belegte Historie der „Schönheitsoperationen“ begann bereits im Alten Ägypten. Funde von Mumien mit zu Lebzeiten angenähten Ohren sprechen etwa für ein derart gelagertes Schönheitsideal um 1.350 v. Chr.. Auch aus dem Alten Rom beweisen die Schriften des angesehen Medizinschriftstellers Aulus Cornelius Celsus die Existenz ähnlicher Praktiken. Dieser beschreibt um 30 n. Chr. eine Vielzahl an Eingriffen, bei denen  „Defekte“ im Gesicht mit Hilfe von Hautlappen ausgebessert wurden.

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Als die Geburtsstätte der plastischen Schönheitschirurgie gilt Indien – wenn auch aus der Not heraus und weniger aus rein ästhetischen Gründen. Denn Ehebrechern, Kriegsgefangenen oder anderen Verbrechern drohte dort als gängige Strafe das Verstümmeln der Nase. Um das Jahr 600 v. Chr. beschreibt Shushruta, der erste plastische Chirurg Indiens, die Grundprinzipien seines Schaffens. Er war es, der die vermutlich ersten Nasenrekonstruktionen durchführte. Damit ermöglichte er den nachhaltig verstümmelten Kriminellen zumindest ein möglichst „normales“ Erscheinungsbild.

Bei der sogenannten Rhinoplastik rekonstruierte er das Knorpel- und Hautgewebe der Nase mit Hautlappen anderer Gesichtspartien. Ohne sterile Praktiken und Anästhesie  kann man heute nur erahnen, wie schmerzhaft sowohl der Eingriff als auch die Heilung der „neuen“ Nase gewesen sein müssen. Hatte man diese Tortur überwunden, blieb das Infektionsrisiko für die Stellen des Gesichts, wie etwa die Stirn oder die Wange, von denen das Gewebe entnommen wurde, hoch.

BELIEBT

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    Die „indische Methode“ der frühen Nasenrekonstruktion. Dafür wurde ein Hautlappen aus der Stirn umgekehrt und als Grundlage für die Nasenrekonstruktion genutzt. 

    Foto von Wellcome Collection

    Schönheitsoperationen gelangen nach Europa

    Es dauerte seine Zeit, aber um 1450 fand Suhsrutas Lehre ihren Weg bis nach Europa. Zusammen mit seinem Sohn Antonio begann der sizilianische Arzt Branca mit dem genauen Studium der sogenannten „indischen Methode“ der Rhinoplastik. Nach zahlreichen darauffolgenden Operationen – hauptsächlich aufgrund kriegsbedingter Verletzungen – verbesserte Antonio Branca die Praktik schließlich mithilfe seiner eigenen, neuen Methode. 

    Der sogenannte Distanzlappen machte das Entnehmen von Hautgewebe des Stirn überflüssig. Antonios streng geheime „italienische Methode“ nutzte stattdessen Gewebe aus dem Oberarm. Der Eingriff war jedoch nicht weniger schmerzhaft oder riskant – und zusätzlich etwas kurioser anzusehen. Um während des Anwachsens des transplantierten Gewebes eine ausreichende Durchblutung sicherzustellen, fixierte er den Arm an der Nase der Patient*innen.

    Erst über hundert Jahre später wurde diese Methode vom italienischen Chirurgen Gasparo Tagliacozzi in „De Curtorum Chirurgia per Insitionem“ publik gemacht. Dieser befasste sich in seinem Werk mit verschiedenen chirurgischen Praktiken zur ästhetischen Gesichtsrekonstruktion. Rückblickend wird der Band als „Grundstein der modernen plastischen Chirurgie“ gefeiert. Damals rief er hingegen die katholische Kirche auf den Plan. 

    Nasenkorrektur dank Zucker und Syphilis

    Viele Jahre nach dem Tod von Branca Senior und Junior musste Tagliacozzi deren Erbe und damit auch sein eigenes Werk gegen die aufgebrachten Kirchenanhänger verteidigen. Denn seine Methode war gefragt wie nie zuvor. 

    Die Rekonstruktion von Nasen war nun nicht mehr länger für verwundete Kriegsveteranen interessant. Eine Syphilis-Epidemie schenkte der kosmetischen Nasenchirurgie die Aufmerksamkeit der Reichen und Entstellten des 16. Jahrhunderts. Wie ihre ärmeren Leidensgenossen hatten sie mit dem Symptom des Weichteilverfalls zu kämpfen, der oft auch den Verlust der Nase mit sich brachte. Das Endergebnis war eine auffällige „Lücke“ im Gesicht.

    Zusätzlich trugen die Erkrankten das Stigma der Syphilis. Niedriger sozialer Status war oft die Folge. Die Nase musste also schnellstmöglich wiederhergestellt werden, koste es, was es wolle – zur damaligen Zeit auch gerne auch mal das Leben. 

    Weichteilverfall als Folge einer Syphilisinfektion hinterließ nicht selten ein klaffendes Loch, dort, wo sich einst die Knorpel der Nase befanden.

    Foto von Wellcome Collection

    So gefragt die Methode von Tagliacozzi nun war, so kritisch wurde sie auch betrachtet. Die katholische Kirche war der festen Überzeugung, gottgegebene Missbildungen von Geburt an oder vom Herrn gewollte Verstümmelungen im Laufe des Lebens dürften Menschen nicht in Eigenregie korrigieren. Zeit seines restlichen Lebens kam Tagliacozzi nicht gegen die Macht der Kirche an – die ihm selbst nach seinem Tod die letzte Ruhe nicht gönnte und seine Leiche exhumierte und vom Friedhof entfernte. 

    Mit seinem Tod ruhte auch die Weiterentwicklung der plastischen Chirurgie. Wieder zum Leben erweckt wurde die von Tagliacozzi beschriebene Praktik erst 220 Jahre später, in der Berliner Charité. Noch heute bilden die Methoden von Shushruta, Branca Senior und Junior sowie Tagliacozzi die Grundlage für die Rhinoplastik, wenn auch glücklicherweise unter deutlich sterileren und sichereren Bedingungen.

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