Hexenverfolgung in Deutschland: Mord und Folter im Namen des Herrn

Gottes willige Vollstrecker kannten keine Gnade. Bis ins 17. Jahrhundert wurden abertausende Menschen in Deutschland wegen angeblicher Hexerei verfolgt und ermordet. Sieben Einzelschicksale aus einem dunklen Zeitalter

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 23. Jan. 2024, 09:33 MEZ
Hexenverbrennung in Derenburg am Harz (aus einem Flugblatt, 1555)

Hexenverbrennung in Derenburg am Harz (aus einem Flugblatt, 1555)

Foto von Gemeinfrei

Der religiöse Verfolgungswahn wütete entgegen weit verbreiteter Annahmen nicht vornehmlich im Mittelalter. Die meisten Hexenverfolgungen in Europa gab es in der Frühen Neuzeit zwischen 1450 und 1750. Die Justiz war Anklage, Verteidiger und Richter zugleich. Sie berief sich auf eine alttestamentliche Forderung. Im Zweiten Buch Mose heißt es: „Die Zauberer aber sollst du nicht leben lassen.“ Schätzungen zufolge starben mehr als 50.000 Menschen in Europa wegen angeblicher Hexerei auf dem Scheiterhaufen. Meist waren es Frauen. Ihre Schicksale wurden akribisch von den Peinigern dokumentiert. Einige der Folterprotokolle sind bis heute erhalten. 

Hexenverfolgung: Sieben Einzelschicksale aus Deutschland

Anna Maria Schwegelin (* 1729, † 1781)

Sie war die letzte Frau, die auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik der Hexerei bezichtigt und zum Tode verurteilt wurde. Die frühere Magd hatte einer Mitinsassin in einem Armenhaus von merkwürdigen Erlebnissen mit einem fremden Mann berichtet. Im April 1775 wurde ihr in Kempten im Allgäu der Prozess gemacht. Der Vorwurf: Teufelsbuhlschaft. Kurz vor der Hinrichtung wurde das Verfahren noch einmal aufgenommen – aber schließlich nicht weiterverfolgt. Sechs Jahre später starb Anna Maria Schwegelin im Kerker des Fürststifts Kempten.

Helena Mechthildis Curtens (* 1722, † 1738)

Die Hexenwahn machte auch vor Kindern nicht halt. Helena Mechthildis Curtens aus dem heutigen Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim war erst 14, als man sie verhaftete und zwei Jahre später im letzten Hexenprozess am Niederrhein zum Tode verurteilte. Es war von Geistern die Rede, die dem Mädchen angeblich erschienen waren. Zugleich hatte Helena ihre Nachbarin Agnes Olmans der Unzucht mit dem Teufel bezichtigt. Am 19. August 1738 wurden beide in Gerresheim auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Heute erinnert ein Gedenkstein im Zentrum des Ortsteils an beider Schicksal.

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    Zeitgenössisches Flugblatt über die Verbrennung einer Frau, die 1531 mit Hilfe des Teufels die Stadt Schiltach ...

    Zeitgenössisches Flugblatt über die Verbrennung einer Frau, die 1531 mit Hilfe des Teufels die Stadt Schiltach in Brand gesetzt haben soll.

    Foto von Gemeinfrei

    Johannes Junius (* 1573, † 1628)

    Bamberg war in der Frühen Neuzeit einer der Hauptschauplätze der Hexenverfolgung. Aus überlieferten Prozessakten geht hervor, dass allein zwischen 1595 bis 1631 fast 1.000 Menschen wegen angeblicher Zauberei hingerichtet wurden – nahezu ein Zehntel der Bevölkerung. Den Besitz der Ermordeten zog die Kirche ein. Unter Foltereinfluss gestanden die Angeklagten die abwegigsten Beschuldigungen und rissen dabei viele weitere Menschen mit in den Tod. So erging es auch dem damaligen Bürgermeister von Bamberg, Johannes Junius. Aus dem Gefängnis heraus schrieb er einen verzweifelten Brief an seine Tochter, in dem er seine Unschuld beteuerte. Das Schreiben befindet sich heute in der Staatsbibliothek Bamberg. Doch es half nichts: Am 6. August 1628 wurde Junius zum Tode verurteilt und hingerichtet. Zuvor hatte er seinen Peinigern nach tagelanger Folter die Namen weiterer vermeintlicher Zauberer und Hexen genannt. 

    Walpurga Hausmännin (* 1510/1527, † 1587)

    Vampirismus, Kannibalismus, Kindsmord, Buhlerei mit dem Teufel: So lauteten nur einige der Anschuldigungen, die Walpurga Hausmännin am 2. September 1587 auf den Scheiterhaufen brachten. Knapp 20 Jahre hatte die verarmte Witwe als Hebamme im bayerischen Dillingen gearbeitet, bevor sie wegen Zauberei angeklagt wurde. Unter schwerster Folter presste man ihr ein Geständnis ab, das bis heute erhalten ist. Noch auf dem Weg zum Scheiterhaufen fügte man ihr im Namen des Augsburger Bischofs unvorstellbare Qualen zu und verstümmelte sie bei lebendigem Leib. Walpurga Hausmännins Leid steht heute sinnbildlich für die wahnhafte Hexenverfolgung der frühen Neuzeit.

    Anna Kramer, genannt „Bader-Ann“ (* 1619, † 1680)

    Zehn Folterverhöre musste Anna Kramer über sich ergehen lassen. Erst nach 20-tägigem Martyrium folgte das Geständnis der gebrochenen Frau. Sie bekannte sich in allen Punkten für schuldig: Vor 35 Jahren habe sie mit dem Teufel angebandelt und Unzucht mit ihm getrieben. Außerdem habe sie Menschen und Vieh krank gemacht sowie Hagel herbeigeführt, um Ernten zu vernichten. Ein benachbarter Maurer hatte die „Bader-Ann“ des Schadzaubers bezichtigt. Am 8. Juni 1680 wurde die 61-Jährige aus Veringenstadt in Baden-Württemberg auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das detaillierte Folterprotokoll und das Hexenhemd, das sie vor jeder Folter anlegen musste, werden heute im Stadtarchiv und Heimatmuseum von Veringenstadt aufbewahrt.

    Verbrennung von drei angeblichen Hexen am 4. November 1585 in Baden

    Verbrennung von drei angeblichen Hexen am 4. November 1585 in Baden

    Foto von Gemeinfrei

    Katharina Henot (* 1570-1580, † 1627)

    Katharina Henot ist das bekannteste Opfer der Kölner Hexenverfolgungen. Sie entstammte einer vermögenden Familie. Henot selbst arbeitete als Postmeisterin in der Domstadt – zu einer Zeit, in der Neid, Missgunst und unerklärliche Ereignisse rasch zu verheerenden Anschuldigungen führten. Als schließlich eine Nonne unter Folter aussagte, die erfolgreiche Geschäftsfrau sei eine Hexe, war Henots Schicksal besiegelt. Es hieß, sie habe den Tod eines Kindes und mehrerer Männer durch Schadzauber verursacht. Außerdem warf man ihr vor, die Ernte der Probstei St. Severin durch eine herbeigehexte Raupenplage vernichtet zu haben. Trotz schwerer Folter gestand Katharina Henot nicht. Am 19. Mai 1627 wurde sie erdrosselt und danach verbrannt.

    Dietrich Flade (* 1534, † 1589)

    Jurist, Universitätsprofessor, Schultheiß: Dietrich Flade war eine anerkannte Persönlichkeit der Stadt Trier. Als Richter hatte er zahlreiche Hexenprozesse geleitet und Todesurteile gefällt. Doch Einfluss und Reichtum schützten ihn am Ende nicht davor, selbst zum Opfer der Hexenverfolgung zu werden. Im Sommer 1588 ließ ihn der Kurfürst verhaften. Es hieß, Flade sei Anführer eines Hexensabbats. Am 18. September 1589 wurde der 55-Jährige im heutigen Trierer Stadtteil Euren verbrannt. Als Zeichen der „Milde“ ließ der Kurfürst ihn zuvor strangulieren.

    Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen im Jahr 1571 (Radierung von Jan Luyken)
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